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Grand Motets
Info
Musikrichtung:
Barock Geistliche Musik
VÖ: 07.10.2022 (Glossa / Note 1 / CD / DDD / 2021 / Best. Nr. GCD 924013) Gesamtspielzeit: 72:04 |
DELALANDES ERBE II
2022 ist das Jahr, in dem Charles-Hubert Gervais (1671 bis 1744) als Kirchenmusiker wiederentdeckt wird, zumindest auf CD: Nachdem das Label der Versailler Schloss-Konzerte kürzlich eine erste Aufnahme seiner Grand Motets mit dem Ensemble „Les Ombres“ unter Sylvain Satre veröffentlicht hat, zieht jetzt das Label Glossa nach: Der Ungar György Vashegyi leitet ein mit diesem Repertoire erfahrenes Solist:innen-Ensemble. Die Kollektive stellen der bewährte Purcell Chor und das Orfeo Orchester, die sich den komplexen französischen Stil über die letzten Jahre wie kaum eine zweite nichtfranzösische Formation angeeignet haben.
Auf dem Programm stehen dieses Mal fünf Grand Motets: drei Psamlvertonungen und zwei Hymnen, darunter ein Te Deum, gewissermaßen das Repertoire-Pflichtstück für die sakrale Aufwertung von Thronfolgergeburten, königlichen Genesungen und nationalen Schlachtensiegen.
Mit der Vorgängerproduktion gibt es keine Überschneidungen. Die Werke zeichnen sich durch Bündigkeit und eine gewisse Strenge aus, was freilich majestätischen Glanz nicht ausschließt: Bei aller expressiven Harmonik gibt es keinen Firlefanz und kein italienisch inspiriertes Arienfeuerwerk, wie es z. B. Gervais Kollege André Campra gerne inszeniert.
Erneut erweist sich Gervais als eine Art Delalande 2.0: Der ältere Kollege hat den Stil, die Form und die Ausführung der Grand Motet wie kein zweiter vorgeprägt. Gervais weiß sich diesem repräsentativen Stil verpflichtet. Das hört man auch an vielen Wendungen, die er von seinem Vorbild entlehnt hat. Vielleicht hat dies in der Vergangenheit dazu geführt, ihn als Epigonen zu vernachlässigen, während Campra oder später dann Mondonville als Neuerer der Grand Motet viel früher durch Wiederaufführungen gewürdigt wurden.
Nun also Gervais zum Zweiten – und tatsächlich gelingt es Vashegyi und den mit Verve aufspielenden und -singenden Musiker:innen eine weitere Steigerung, was Pracht und Prunk angeht. Die Solist:innen verleihen ihren Partien eine bemerkenswerte Ausdrucksintensität, nicht weniger gefällt der volle, reife Chor- und Orchesterklang. Die angemessen räumliche Kirchenakustik trägt ihren Teil zu der überzeugenden Gesamtwirkung bei.
Georg Henkel
Trackliste
O filii et filiae
Judica me Deus
Usquequo Domine
Te Deum
Besetzung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |