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Reviews

Eddie Harris

Live At Fabrik Hamburg 1988


Info

Musikrichtung: Jazz-Fusion

VÖ: 23.09.2022

(Jazzline Classics/Mosaik)

Gesamtspielzeit: 97:03

Internet:

https://eddieharris.com/
https://www.ndr.de/kultur/index.html
https://fabrik.de/startseite
https://www.jazzline-leopard.de/index.php/de/

Eddie Harris (1934 - 1996)mag vielen bekannt sein durch seine Komposition "Freedom Jazz Dance", ein Song, der zu einem Jazzklassiker avancierte, und der auch außerhalb des Jazz interpretiert wurde. Der Tenorsaxofonist spielte ebenfalls Klavier und Vibrafon und sang gelegentlich auch.
Im Zuge des Beginns der Fusion-Bewegung Ende der Sechziger experimentierte er auch mit einem elektrischen Saxofon, das klang mitunter recht merkwürdig und entwickelte seinerzeit auch Blasinstrumente wie die "reed trombone" und die "reed trumpet". Weitere Berühmtheit erlangte Harris durch das auch über Jazz-Kreise hinaus bekannte Album "Swiss Movement", aufgenommen in Montreux gemeinsam mit Les McCann. Die Interpretation des Songs "Compared To What" war seinerzeit (1969) sehr bekannt geworden.

Nun stellt sich der Protagonist vor mit einer weiteren Einspielung der Serie "Live At Fabrik", der dritten Ausgabe nach den Platten mit McCoy Tyner und Gil Evans. Dieses Konzert in Hamburg fand statt am 24.Januar 1988. Mit seinem Quartett stellte er damals acht Songs vor, darunter auch eine Version des "Freedom Jazz Dance", hier mit 19:22 auch gleich der längste Titel des Konzerts. Hier hört man deutlich, dass Harris hier noch immer seinem Stil treu geblieben war, einem Stil, dass Jazz, Soul, Funk und Blues miteinander verband. Unterstützt wurde er von drei hervorragenden Musikern. Harris selbst ist nicht nur mit dem Tenorsaxofon zu hören, sondern spielt ebenfalls Trompete un Piano, und er singt auch hier erneut.

Das Konzert startet mit "Blue Bossa", einem Klassiker von Kenny Dorham, in wiegendem Latin-Rhythmus, ein wahrhaft hochkarätiger und entspannter Auftakt, bei dem Gitarrist Thompson ein innovatives und beeindruckendes, individuell gefärbtes Solo vorlegt. Ja, der mittlerweile auch verstorbene Thompson stellt sich das ganze Konzert hindurch in brillanter Form vor. Ab "La Carnival" folgen nun nur noch Eigenkompositionen von Harris, beim genannten Titel trägt er mit humoristischem Anstrich eine Scat-ähnliche Einleitung vor und begleitet sich dabei am Piano, später setzt der Rest der Band ein, und nun begibt sich der Protagonist auch noch in eine Art Jodel-Modus!

Und nun der Klassiker schlechthin: "Freedom Jazz Dance"! Dieser Klassiker des Jazz-Souls bekommt hier eine satte Breitseite Funk mit auf den Weg und ist dermaßen lebendig, dass man kaum still sitzen kann, und Harris legt nun erstmals richtig los und läßt die Zügel seines Spiels los und galoppiert locker und wild dahin. Klar - und dann das brillante Solo von Thompson, er bringt hier Rock-Elemente ein und zeigt sein großes Können. Aber nun ist auch Bassist Ray Peterson an der Reihe und zelebriert sein Solo. Der andere Part der Rhythm Section, Drummer Norman Fearrington, "duelliert" sich dann nachfolgend im Zwiegespräch mit Harris, der sich nun fast schon als Free Jazzer darstellt im Spiel. CD 1 endet mit "Ice Cream", nein, nicht mit diesem Jazzstandard, Bestandteil vieler New Orleans-Oldtime-Jazzbands, die damit so manchen Frühschoppen aufmischten, sondern mit einer Eigenkomposition, bei der sich Harris gut sechseinhalb Minuten lang ganz allein vergnügt und mit seinem Spiel stilistisch seine Quellen in Bebop und Hard Bop spüren läßt.

CD 2 - "Ambidextrous", ein geschmeidiger Funk empfängt uns, und mit "Vexatious Progressions" erneut ein scattender Eddie am Piano, später überlässt er dann noch einmal dem Bassisten und dem Drummer das Feld für hoch anspruchsvolle Solo-Darbietungen. Mit dem ironisch gemeinten "Eddie Who?", seinerzeit komponiert in Anlehnung daran, dass er selbst relativ unbekannt blieb, stellt er sich und seine Lebensgeschichte singend vor im Text, und singt Eddie Harrisssssssssss, Eddie Harrisssssssssss, Eddie Who?????, eine herrliche Idee im Übrigen! Der Titel rockt in einem coolen Shuffle-Rhythmus und zeigt die musikalische Bandbreite noch einmal auf. So schließt sich der Reigen dann mit "Get On Down", und erneut hören wir den Mann am Piano, sein Saxofon hat er wohl zur Seite gestellt. Ja, ein hervorragendes Denkmal für diesen Musiker ist dieses denkwürdige Konzert, an dem nun Alle, die daran nicht live haben teilnehmen können, nun auch geniessen können! Und ich habe vor Allem auch die mitreissenden Soli von Darryl Thompson an der Gitarre genossen!

Eine Frage bleibt noch anlässlich der Covergestaltung und jener des Booklets: Hat denn niemand fotografiert? So vermisse ich ein wenig einige Impressionen dieses Konzerts, bei dem ich gern dabei gewesen wäre.



Wolfgang Giese

Trackliste

Disk 1

1 Blue Bossa (12:18)
2 La Carnival (9:12)
3 Freedom Jazz Dance (19:22)
4 Ice Cream (6:33)

Disk 2

1 Ambidextrous (11:03)
2 Vexatious Progressio (14:03)
3 Eddie Who (13:46)
4 Get On Down (10:42)

Besetzung

Eddie Harris (trumpet, tenor saxophone, piano & vocals)
Darryl Thompson (guitar)
Ray Peterson (bass)
Norman Fearrington (drums)
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