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Lamentationes Hebdomadae Sanctae
Info
Musikrichtung:
Barock
VÖ: 04.11.2022 (Ramée / Outhere / Note 1 / CD / 2021 / Artikelnr. RAM 2105) Gesamtspielzeit: 123:36 Internet: Ensemble Bonne Corde |
GENAUIGKEIT
Mit philologischem Ehrgeiz und Genauigkeit präsentiert sich diese Doppel-CD: Erstmals sind Joseph-Hector Fioccos (1703-1741) Lamentationen für die Karwoche nicht nur im Ganzen, sondern auch in beiden Versionen zu hören, nämlich jener nach der bekannten Brüsseler Handschrift und einer weiteren, deutlich abweichenden nach einem in Antwerpen aufgetauchten Manuskript. Die Gegenüberstellung lohnt, weil sich die Fassungen teils gravierend unterscheiden. Die erste Lamentatio für den Gründonnerstag nach der Brüsseler Version etwa ist für Sopran, zwei Celli und Basso Continuo verfasst, während die Antwerpener Überlieferung ein deutlich anderes Stück mit lediglich einer Cellostimme ist. An anderer Stelle finden sich ebenfalls Abweichungen in der Begleitung, Transpositionen in andere Tonarten u.ä.
Doch man muss nicht Musikgeschichte studiert haben, um an diesem Album Freude zu haben. Fioccos Kompositionen gehören zu den eindringlichsten, intimsten Vertonungen dieser Klagegesänge für die Karwoche, die gerade in ihrer kleinen Besetzung mit ihren ausschwingenden, teils endlos scheinenden Melodiebögen und Auszierungen und der düster grundierenden Begleitung Effekt machen, bei denen ein Cello (oder derer zwei) wie eine zweite Singstimme, mal kontrapunktisch, mal verstärkend gesetzt sind. Der ergänzend Basso Continuo wird hier neben der Orgel nach Brabanter Tradition nicht durch Laute oder Theorbe, sondern durch einen "basso grosso", hier verstanden als ein Kontrabass, versehen. Das gibt der Musik neben einer samtig-sonoren Abschattierung auch einen noch runderen Gesamtklang.
Bei all diesen Details leben die Lamentationes aber doch weiterhin von der Sensibilität des Gesangsvortrags. Sie verlangen einen steten Seiltanz zwischen Emphase und Süße. Bei den (überwiegenden) Sopranstücken teilen sich Ana Vieira Leite und Ana Quintans diese ehrenvolle Aufgabe und vollführen - auch dank feinsinniger Aufnahmetechnik - das Kunststück mit Bravour, wobei Quintans von beiden der eindringlichere, zugleich wärmer temperierte Vortrag eigen ist. Sie reicht damit an das leuchtende Beispiel von Greta De Reyghere heran (assai, 2003 - vgl. MAS-Review). Bariton Hugo Oliveira versieht seine Partie mit einem opernhaft aufgeladenen Ton, der mitunter schon zuviel Volumen für dieses kammermusikalisch angelegte Repertoire bekommt.
Bestechend ist die bis ins Letzte ausgehörte Begleitung, die hier etwas eigenständig vitaler als in der Vergleichseinspielung daherkommt und eine spürbare Körperlichkeit entwickelt, mit der sie den Hörer nicht einfach schmeichelnd einwickelt, sondern die Bedeutung der Lamentationes durchaus ganz wortwörtlich bis ins Mark spüren lässt.
Sven Kerkhoff
Trackliste
1-6 Première Lamentation du Mercredi saint (Brüssel) 16:53
7-8 Seconde Lamentation du Mercredi saint (Brüssel) 08:34
9-13 Troisième Lamentation du Mercredi saint (Brüssel) 10:02
14-17 Première Lamentation du Jeudi saint (Brüssel) 14:14
18-21 Première Lamentation du Jeudi saint (Antwerpen) 11:21
CD II
1-5 Seconde Lamentation du Jeudi saint (Brüssel) 14:24
6-10 Troisième Lamentation du Jeudi saint (Brüssel) 09:23
11-14 Troisième Lamentation du Jeudi saint (Antwerpen) 11:56
15 Première Lamentation du Vendredi saint (Brüssel) 08:31
16-21 Seconde Lamentation du Vendredi saint (Brüssel) 09:34
22-26 Troisième Lamentation du Vendredi saint (Antwerpen) 13:17
Besetzung
Hugo Oliveira: Bariton
Ensemble Bonne Corde
Diana Vinagre: Ltg
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |