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Reviews

Sainte Colombe (Pandolofo)

Pieces de viole


Info

Musikrichtung: Gambe

VÖ: 05.09.2005

Glossa / Note 1
CD DDD (AD 2005) / Best. Nr. GCD 920408


Gesamtspielzeit: 68:44

VIELSCHICHTIG

Monsieur de Sainte Colombe ist einer jener merkwürdigen Fälle, wo sich - abgesehen von den Kompositionen - nur die Aura musikalischen Ruhms erhalten hat. Den Zeitgenossen galt der Gambenvirtuose und -komponist zwar als Meister aller Meister. Doch die rhetorischen Lorbeerkränze, die man ihm geflochten hat, rahmen eine biographische Leerstelle. Nicht einmal den genauen Vornamen kennt man, und die Pariser Anschrift wussten schon die Zeitgenossen nicht anzugeben. Die rund 200 erhaltenen Werke bezeugen die Schaffenskraft und den prägenden Einfluss dieses Phantoms. Sein berühmtester Schülern war Marin Marais.
Mit dem Film Die siebente Saite (Tous les matins du monde) hat das Kino Saint Colombe in den 1990er Jahren ein Denkmal gesetzt. Es füllte die Leerstelle mit dem Charakterbild eines menschenscheuen Melancholikers, der ganz für seine Kunst lebt und die Geheimnisse des Gambenspiels eifersüchtig hütet, bis sie ihm von seinem begabtesten Schüler mit List entrissen werden ... Der millionenfach verkaufte Soundtrack (jetzt bei Alia Vox) schaffte es in die Pop-Charts. Da sage einer noch, Gambenmusik sei etwas für Schwermütige und Weltflüchtige von vorgestern!

Hier entdeckt der Gambist Paolo Pandolfo in Saint Colombes Musik einen sehr viel komplexeren Charakter: da äußert sich nicht nur der exzentrische Grübler, sondern auch der humorvolle, elegante und verspielte Virtuose. Gewiss, vor allem die Preludes mit ihrer abgründigen Chromatik sind Meisterstücke eines gänzlich verinnerlichten Musizierens. Auch die gefühlvollen Sarabanden bewegen sich eher zurückhaltend zwischen abgeklärter Melancholie und Noblesse. Einen andern Ton schlagen dagegen die Courenten, Guigen und Chaconnes an. Das ist fantasievolle vitale Spielmusik, kraftvoll und extrovertiert.
Pandolfo bringt all diese Facetten heraus. Gleich mit dem eröffnenden Prelude demonstriert er seine Kunst der Gestaltung: mit einem Ansatz, der jeden einzelnen Ton in Gesang und Sprache verwandelt, der jeder Phrase ihre eigene Farbe und Stimmung verleiht, ohne den großen Bogen aus den Augen zu verlieren. Die herbsüßen, manchmal rustikalen Klänge seines Instrument changieren zwischen dunkler Erdigkeit und schimmernder Bronze.
Der Reichtum an Schattierungen, die Intensität des Spiels und die stilistische Sicherheit sind exemplarisch für die ganze Aufnahme, die über die Länge von rund 70 Minuten die Spannung hält. Die meisten der Stücke sind ursprünglich für Gambe solo komponiert worden; nur zu einigen wenigen existiert ein Generalbass (was dann in der nächsten Generation praktisch zur Regel wurde). Pandolfo und sein Begleiter Thomas Boysen haben zu einigen der basslosen Stücke eine Continuo-Partie hinzuerfunden, und zwar so stimmig und zugleich diskret, dass man keinen Unterschied zu den Originalen bemerkt.

Zwei lesenswerte Essays zeichnen das sorgfältig gestaltete mehrsprachige Booklet aus.



Georg Henkel

Trackliste

01-07 Pièces en ré mineur
08-16 Pièces en sol
17-22 Pièces en ré
23-28 Pièces en do majeur

Besetzung

Paolo Pandolfo - Viola da Gamba
Thomas Boysen - Theorbe und Barockgitarre
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So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger