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Zoroastre (Version 1749)
Info
Musikrichtung:
Barock Oper
VÖ: 04.11.2022 (Alpha / Note 1 / 3 CD / DDD / 2021 / Best. Nr. Alpha 891) Gesamtspielzeit: 165:00 |
AVANTGARDE DES ROKOKO
Im Fall von Rameaus vierter musikalischen Tragödie „Zoroastre“ war es wohl der neuartige und philosophische, durch freimaurerische Ideen inspirierte Stoff, der bei der Uraufführung 1749 einen eindeutigen Erfolg verhinderte. "Zoroastre" siedelt die Handlung im alten Persien und in der Religionsgeschichte an: Der weise Prophet Zarathustra ficht für die Kräfte des Guten und des Lichtes einen Kampf gegen die Mächte der Finsternis und schwarzen Magie. Die Oper zeichnet das Idealbild des aufgeklärten und gotterwählten Herrschers.
Das dürfte allerdings das damalige Publikum weniger interessiert haben als die obligatorische Lovestory. Gleichwohl bleiben die dafür nötigen Damen, die reizende Königen Amélite und die eifersüchtige Erinice, eher Nebenfiguren. Der Plot ist stattdessen auf die Auseinandersetzung zwischen Zoroastre und seinem Gegner Abramane ausgerichtet, woraus ein gewisses schablonenhaftes „Schwarz gegen Weiß“ resultiert, das zudem recht zäh in Gang kommt.
Erst die Neufassung der Oper 1756, bei der der 2., 3. und 5. Akt weitgehend neu gestaltet wurden, zündete! Das von Rameau und seinem Librettisten Louis de Cahusac nunmehr verfolgte Rezept von „Liebe statt Philosophie, Drama statt Dialog“ gefiel Kritik und Publikum gleichermaßen.
Während es von der Zweitfassung wenigstens drei Einspielungen gibt, wurde die erste Version der Oper bislang noch nie aufgenommen. Und um es gleich zu sagen: Trotz zahlreicher schöner, auch packender Momente bleibt sie rein musikalisch doch etwas hinter den übrigen Tragedies Rameaus zurück.
Gleichwohl ergeht man sich nur allzu gerne in Rameaus Zaubergärten: In der musikalischen Zeichnung der Welt Zoroastres, die eine Art aufgeklärtes Mysterien-Paradies ist, gelingen dem Komponisten in der Urversion betörende Stimmungsbilder vor allem im 2. und im 3. Akt. Ein großzügiger Lyrismus und schimmernde Klangfarben bestimmen diese Abschnitte – dass nur wenig geschieht, vielmehr Gutes und Erhabenes besungen wird, tritt dabei eigentlich in den Hintergrund.
Rameau verzahnt dafür "in Echtzeit" Rezitative, Ariosi, Arien, Chöre und instrumentale Einlagen dichter denn je, größere isolierte Nummern sind dabei die Ausnahme und finden sich vor allem bei den Tänzen und kurzen Arien. Das weist auf spätere Opern von Gluck und Wagner voraus.
Dramatisch am überzeugendsten der 4. Akt, eine Art „schwarze Messe“ der Gegner Zoroastres – man kennt diesen Teil schon aus der 2. Fassung. Im 5. Akt kommt es zur finalen Konfrontation und darin scheint die erste Version doch um einiges konsequenter als die Neufassung, die statt dessen dem Geschick der verschmähten (Erinice) und erwählten (Amélite) Dame mehr Raum einräumt.
Was für die Neueinspielung von Alexis Kossenko, dem Choeur de Chambre de Namur sowie dem großzügig besetzten Orchester "Les Ambassadeurs – La Grande Ecurie" sofort einnimmt, ist die ungemein feine, im Vokalen wie Orchestralen exquisite Interpretation. Delikater kann man die vielen Tänze und Einlage-Sinfonien kaum darbieten, belkantischer die vokalen Manierismen der ariosen Rezitative kaum auskosten.
Sängerisch triumphieren Jodie Devos und Reinoud van Mechelen als Amélite und Zoroastre; Van Mechelen gebietet über einen sehr reinen, strahlenden und zugleich schmelzenden hohen Tenor, der von Rameau sehr oft durch orchesterbegleitete Rezitative in Szene gesetzt wird. Leuchtend und innig fügt sich der koloraturgewandte Sopran von Devos dazu.
Das „böse Paar“ wird durch Veronique Gens und Tassis Christoyannis verkörpert: Gens zeichnet mit dramatischem und kultiviert giftigen Ton ein stimmiges Porträt der Erenice. Christoyannis bleibt als Bösewicht Abramane blasser, seinem Bass fehlt es etwas an Schwärze und Gewicht.
In den kleineren Rollen glänzen unter anderem Mathias Vidal, Gwendoline Blondeel oder David Witczak – hier ist auch sonst keine Rolle „nebensächlich“, sondern durchweg mit führenden Stimmen der französischen Barockopernszene besetzt.
Ein Extra-Lob gebührt dem Choeur de Chambre de Namur für sein vokales Feintuning – noch die kürzesten Einwürfe werden ebenso präzise wie ausdrucksvoll realisiert.
Maître Kossenko hält die vielen Fäden souverän in der Hand und kostet die sinnlichen Reize dieser avantgardistischen Rokoko-Partitur genussvoll aus, verlagert dabei die Spannung der Musik mehr nach innen.
Aufnahmetechnisch stehen die Stimmen im Vordergrund, da wünschte man sich wegen der ausgefeilten Instrumentierung manchmal noch mehr Orchesterpräsenz.
Georg Henkel
Besetzung
Choeur de Chambre de Namur
Les Ambassadeurs - La Grande Ecurie
Alexis Kossenko, Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |