Reviews

Dufay, G. – Ockeghem, J. u. a. (Gothic Voices)

The Splendour of Florence (with a Burgundian Resonance)

Info Musikrichtung: Renaissance Vokal VÖ: 04.11.2022 (Linn / Note 1 / CD / DDD / 2021 / Best. Nr. CKD 700) Gesamtspielzeit: 75:29

Das renommierte Ensemble Gothic Voice tritt seit einigen Jahren in gänzlich neuer Besetzung auf, pflegt aber die Tugenden des Originals aus den 1980er und 1990er Jahren: eine klare, luzide und kammermusikalische Stimmführung, darin very British.

Das neue Album bringt vor allem weltliche Chansons und Motetten der alten frankoflämischen Meister zu Gehör, die in italienischen Quellen, hauptsächlich zwei Florentiner Handschriften, überliefert sind und den regen kulturellen Austausch zwischen den burgundischen Landen und dem Süden dokumentieren. Da finden sich illustre Namen wie Guillaume Duffay, Johannes Ockeghem, Gilles Busnois und andere, die in der Kunst der kontrapunktischen Stimmführung die frühen und später auch höchsten Gipfel erklommen haben. Ein leicht archisch-melancholischer Ton färbt diese oft sehr abstrakten, aber zugleich sinnlichen Vokalkunst-Konstruktionen.

Bei Bedarf wird die vierstimmige Kernbesetzung um weiter Sänger:innen ergänzt, wobei das Prinzip, alle Partien mit nur einer Stimme zu besetzen, stets gewahrt bleibt. Gelegentlich tritt noch eine Renaissance-Harfe dazu; die verschiedenen Modelle werden von Andrew Lawrence-King gespielt, der schon der ursprünglichen Formation verbunden war. Mit ihrem gaumig-schnarrenden Ton, der manchmal an eine Maultrommel erinnert und insgesamt recht trocken rüberkommt, sticht diese instrumentale Begleitung hervor. Allerdings fügt sie sich durchaus zur eher strengen Auffassung der übrigen Interpret:innen. In den hohen Registern wirkt der Ensembleklang häufig etwas spröde und auch säuerlich und kontrastiert mit den weicher timbrierten Tenor- und Basslagen.

Trotz der unbestreitbaren Schönheit der Musik bleibt der Gesamteindruck distanziert, der Glanz von Florence will sicht nicht recht einstellen.

Georg Henkel