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Berg, A. – Mahler, G. (Hannigan, B. – Steffani, R. – Verbeek, R.)

Sehnsucht

Info Musikrichtung: Spätromantik / Klasssische Moderne Lied VÖ: 04.11.2022 (Alpha / Note 1 / CD / DDD / 2022 / Best. Nr. Alpha 872) Gesamtspielzeit: 80:44

Ein schillernder Jugendstil-Klang, feinziseliert und bei aller Sinnlichkeit etwas jenseitig: Es ist schwer, ihm zu widerstehen bei den frühen Liedern Alban Bergs, die hier in einer kammermusikalischen Bearbeitung durch die Camerata RCO unter der Leitung von Rolf Verbeek dargeboten werden. Reinbert de Leeuw und Henk de Vlieger haben Bergs Orchestrierung mit viel Raffinement auf ein fünfzehnköpfiges Ensemble übertragen.
Dabei lehnen sie sich an die Arrangements an, die in Arnold Schönbergs „Verein für musikalische Privataufführungen“ in Wien Anfang des vergangenen Jahrhunderts erklangen, um anders nicht aufführbare moderne Werke zumindest einem Kreis von Interessierten zu Gehör zu bringen. Mit Barbara Hannigan und Raoul Steffani stehen zwei erstklassige Solist:innen zur Verfügung: Hannigans wandlungsfähiger und facettenreicher Sopran bringt das Irisierende und Trunken-Glutvolle in der Musik gleichermaßen überzeugend zur Geltung; somnabul bis lyrisch-expressiv dagegen agiert Bartion Steffani bei den nicht minder einnehmenden Interpretationen von Bergs Liedern op. 2.

Im zweiten Teil steht Mahlers 4. Sinfonie auf dem Programm, ebenfalls in einer reduzierten Version, die von Erwin Stein stammt. Zwar kam das Werk in einer ähnlich verkleinerten Fassung schon unter Schönberg zu Aufführung (die originale Transkription ist verloren). Doch überzeugt die Einrichtung in diesem Fall weniger – die Musik klingt natürlich auch hier sehr schön, auch bietet sich die 4. in ihrer transparenten klassizistischen Anlage eher als andere Sinfonien Mahlers für eine solche Präsentation an.
Allerdings wirkt der Streicherpart in seiner spinnwebfeinen Darbietung unterernährt und es fehlt der Raum, in dem die Musik weit ausschwingen und auch aufgipfeln kann. Am ehesten bekommt die Reduktion noch dem langsamen dritten Satz. Im Finale beschwört Hannigan die himmlischen Freuden, dies aber – angepasst an die Situation – mit gleichsam gebremster Stimme. Man spürt, das Mahler hier eine andere Balance vorschwebte.

Georg Henkel