Reviews
Conspiracy
Info
Musikrichtung:
Big Band Jazz
VÖ: 09.09.2022 (Mons Records) Gesamtspielzeit: 72:53 Internet: https://tobiashoffmannmusic.com/ https://monsrecords.de/ |
Retrospective , so hiess 2019 die Platte, vorgelegt vom Tobias Hoffmann Nonet. Nun, drei Jahre später, stellt das Tobias Hoffmann Jazz Orchestra eine weitere Veröffentlichung vor - Conspiracy, eine Verschwörung? War der Vorgänger hinsichtlich der Besetzung und Musik schon fast in Richtung Big Band unterwegs, so kann man nun aufgrund der Erweiterung davon ausgehen, Big Band-Sound zu erwarten. Im Innenteil des Booklets sind dann auch die zahlreichen Musiker abgebildet.
Und gleich mit dem Titelsong werde ich dann auch kraftvoll "weggeblasen"! Alle Kompositionen stammen im Übrigen wiederum von Tobias Hoffmann. Und bereits beim Eröffnungssong kann ich wiederum das feststellen, was ich vor drei Jahren bereits bemerkte: Doch nicht allein die Kompositionen sind es, die glänzen, auch die Arrangements sind von beispielhafter Eleganz und leidenschaftlichem Feuer, und ebenso ist der Freiraum für die jeweiligen Solisten besonders hervorzuheben, den diese enthusiastisch nutzen. . Ja, zwar mag das Gerüst um die Solisten nun erweitert worden sein, so bleibt ihnen nach wie vor Raum zur Entfaltung, Robert Unterköfler stellt das mit seinem Tenor-Saxofon-Solo gleich unter Beweis und liefert im ersten Song ein beherztes Solo ab, und danach wird sofort mit dem wuchtigen Arrangement die Klasse dieser Produktion unterstrichen.
Im Booklet werden die jeweiligen Solisten zu den einzelnen Songs aufgeführt, nur "Elegy" bleibt ein dichtes Gemeinschaftswerk, ganz allein von der Horn Section bestritten, und so beabsichtigte der Komponist, einen choral-mäßigen Sound zu schaffen, ohne Rhythmusgruppe. Bei den übrigen Kompositionen sind es in der Regel die Blech- und Holzbläser mit Soloeinlagen, lediglich auf "Imposter Syndrome" gibt es ein Piano-Solo und auf "Who Knows" ein Gitarrensolo.
So liegt insgesamt der Schwerpunkt auf dem imposanten und mächtigen Sound der Bläser, die im Zusammenspiel eine druckvolle und gleichzeitig geschmeidige Leichtigkeit vortragen, die Musik ist sehr elastisch und voller Swing, dabei oft mit einem kleinen Hauch von bluesig-emotionalem Feeling unterlegt. Dieser Big Band-Sound ist einerseits modern gestaltet, läßt aber gleichzeitig vergangene Zeiten aufblitzen, als man öfter solche Musik zu Gehör bekam. So wandern meine Gedanken beim Durchlauf immer wieder zu anderen Big Bands. Gelegentlich erinnern mich Passagen an Musik von Peter Herbolzheimer, dann bin ich bei Gil Evans oder Maynard Ferguson. Weniger werden bei mir die Klassiker wie Basie oder Ellington "angestoßen", dieser Sound ist viel moderner und die Kompositionen erscheinen oft noch viel raffinierter und verschachtelter. Lediglich bei "Trailblazers" empfinde ich es anders, hier s(ch)wingt für mich eine dicke Prise des Duke mit. Ach - und da lese ich es auch im Begleittext: This composition is dedicated to the legends of jazz compositions and arranging, who keep inspiring me to write music. Ja - diese Widmung ist gelungen!
Angesichts der moderneren Ausrichtung ist dennoch ist keine typische kühle Kopfmusik entstanden, denn das Wort Emotion behält seinen Stellenwert. "Awakening" ist in diesem Zusammenhang einer meiner persönlichen Höhepunkte der Platte. Das Bläserarrangement strahlt gleichzeitig eine großartige Schönheit, aber auch eine tiefe Traurigkeit aus, einige Stellen erinnern mich sogar an jene Bands, die einst von britischen Bergarbeitern zusammengestellten Colliery Bands, ganz besonders denke ich hierbei an die berühmte Grimethorpe Colliery Band. Ein kleines "Schmankerl" inklusive einer Überraschung steht uns noch mit dem letzten Song ins Haus. Nanu - bin ich in einer anderen Platte gelandet? "Who Knows" rockt satt und kraftvoll, aber das Element Rock ist nicht typischerweise so eingesetzt, wie man es aus der Fusion-Bewegung der Siebziger kennt, nämlich die Verquickung von Jazz und Rock mit einem Akzent auf Groove und Funk, sondern hier schlägt der Drummer stur seinen Rock-Rhythmus durch, und Vikka Wahl legt mit der Gitarre ein druckvolles Gitarrensolo vor. Um diesen Rock herum schart sich jedoch dann die jazzige Geschmeidigkeit der Bläser. Ja, das klingt ungewöhnlich und stellt eine ganz andere Sichtweise der Verquickung von Jazz und Rock dar.
Im Übrigen erleben wir Tobias Hoffmann auf Conspiracy nicht als Saxofonisten, sondern neben seiner Rolle als Komponist hat er hier wohl als Dirigent alle Hände voll zu tun. Und erneut ist ein großartiges und (mich) begeisterndes Big-Band-Projekt gelungen, etwas, das die Musik des Vorgängers noch topt, wiederum voller Druck, Kraft und emotionaler Intensität!
Worauf mag sich aber der Albumtitel beziehen? War die Absicht, dieses Album einzuspielen, davon beseelt, dieses geheim zu halten? Nun, dann bin ich froh, dass mit der Veröffentlichung dieses Geheimnis gelüftet, und diese "Verschwörung" aufgedeckt wurde! Denn diese Musik muss unbedingt an die Öffentlichkeit, sie verdient es!
Trackliste
2 Elegy (2:11)
3 December Song (7:36)
4 Awakening (9:39)
5 Relentless (8:39)
6 Trailblazers (7:54)
7 Renegade (8:21)
8 Impostor Syndrome (9:52)
9 Who Knows Intro (4:30)
10 Who Knows (6:51)
Besetzung
Patrick Dunst (Alto Saxophone, Soprano Saxophone & Flute)
Andy Schofield (Alto Saxophone, Flute & Clarinet)
Robert Unterköfler (Tenor Saxophone, Soprano Saxophone & Clarinet)
Martin Harms (Tenor Saxophone & Clarinet)
Jonas Brinckmann (Baritone Saxophone & Bass Clarinet)
Dominic Pessl, Bernhard Nolf, Felix Meyer, Simon Plötzeneder, Jakob Helling (trumpets and flugelhorns)
Kasperi Sarikoski (Trombone)
Robert Bachner (Trombone & Euphonium)
Daniel Holzleitner (Trombone)
Johannes Oppel (Bass Trombone & Tuba)
Vilkka Wahl (Guitar)
Philipp Nykrin (Piano & Synthesizer)
Ivar Roban Krizic (Double Bass & Electric Bass)
Reinhold Schmölzer (Drums & Electronics)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |