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Reviews

Händel, G. F. (Jacobs)

Saul


Info

Musikrichtung: Oratorium

VÖ: 17.09.2005

Harmonia Mundi / Helikon
2 SACD (DDD 2004) / Best. Nr. HMC 801877.78


Gesamtspielzeit: 150:00

BAROCKES HÖR-DRAMA

Das biblische Oratorium Saul gehört zu G. F. Händels originellsten Schöpfungen. Der Komponist hat auf der Suche nach einer neuen Form des musikalischen Theaters das Schema der Barockoper durch ein Kaleidoskop konzentrierter Arien, Kavatinen, orchesterbelgeitete Rezitative, Chöre und Instrumentalsätze ersetzt, die in raschem Tempo aufeinander folgen.
Trotz dieser neuartigen Konzeption und einer luxuriöser Besetzung war es Paul McCreesh vor zwei Jahren nicht gelungen, dem Werk dramatischen Atem einzuhauchen. In seiner „klassizistisch“ beruhigten Lesart wirkte das Werk eher statuarisch und erhaben. Ganz anders Rene Jacobs in seiner Neueinspielung: Bei ihm ist das Stück zu einem echten Musikdrama geworden, das auf einer imaginären Opernbühne spielt.

Wo die Sänger/innen bei McCreesh vor allem durch Wohlklang für sich einzunehmen wussten, hält Jacobs sein Team zu energischer Deklamation an und setzt auf schärfere Dynamik- und Tempokontraste. Damit gewinnt er eine differenzierte Farbpalette für die Charakterisierung der Figuren in ihren unterschiedlichen Affektlagen.
Händel hat sein Werk ausgesprochen reich instrumentiert und Spezialeffekte wie ein Glockenspiel und extragroße Pauken vorgesehen. Während McCreeshs Aufnahme vor allem prächtig klang, profitiert Jacobs Orchester, das famose Concerto Köln, bereits von der luftigeren Akustik, die die einzelnen Register deutlich voneinander absetzt. So bekommt auch jede Sinfonia einen ganz eigenen „theatralischen“ Charakter. Und der abwechslungsreiche Einsatz des Continuos sorgt bei den vokalen Aktionen nicht nur für eine wechselnde Hintergrundbeleuchtung, sondern markiert geradezu die Gestik und Mimik der Akteure. Zwar war McCreesh bei der Szene mit der Hexe von Endor näher am Notentext. Aber bei Jacobs sorgen misstönende Violinen und grummenlnde Bässe für jene unheimliche Atmosphäre, die einer Geisterbeschwörung angemessen ist. Michael Slattery beweist dabei als Hexe Mut zur kalkulierten Hässlichkeit, ohne in plumpe Travestie abzugleiten.

Bei den Solisten, keine Frage, wartete der Brite mit einem erlesenen Ensemble auf. Sein David war Andreas Scholl, dessen balsamischer Altus gewiss noch härtere Herzen als das des depressiven König Saul zum Schmelzen bringen dürfte. Lawrence Zazzos Stimme ist nicht ganz so homogen. Aber sie leuchtet in vielen Farben, nicht nur in den warmen, ätherischen und lyrischen, sondern auch in den herben, dramatischen. Dieser David ist von Fleisch und Blut. Gidon Saks siedelt die Hauptperson mit dunklem, muskulösen und manchmal auch dräuendem Bass zwischen tragischem Herrscher und unberechenbaren Despoten an. Jeremy Ovenden besticht durch seinen feinen, sanglichen Tenor. Dem Hohepriester verleiht Michael Slattery markante Züge ohne falsche Weihe. Rosemary Joshua als Michal hat glockenhelle Töne für die jungverliebte und gedeckte für die im Leid gereifte Frau. Auch Emma Bell gelingt es mit ihrem Mezzo-Timbre, den Wandel von der hochmütigen Prinzessin zur mitfühlenden Gefährtin hörbar zu machen.
Bedauerlicherweise ist der Rias Kammerchor klangtechnisch in ein wenig in den Hintergrund gerückt worden. Das nimmt seinem Engagement leider etwas an Wirkung.



Georg Henkel

Besetzung

Rosemary Joshua, Sopran – Michal
Emma Bell, Sopran – Merab
Lawrence Zazzo, Altus – David
Jeremy Ovenden, Tenor – Jonathan
Michael Slattery, Tenor – Hohepriester, Hexe von Endor
Finnur Bjarnason, Tenor – Amalekiter, Abner
Henry Waddington, Bariton – Doeg, Samuel
Gidon Saks, Bassbariton – Saul

Rias Kammerchor
Concerto Köln

Ltg. und Cembalo René Jacobs
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