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Vivaldi, A. (Agnew)

Venezianische Messe (Rekonstruktion) - Gloria RV 589 u.a.

Info Musikrichtung: Barock VÖ: 24.06.2022 (harmonia mundi / hm / CD / 2020 / Best. Nr. HAF 8905358) Gesamtspielzeit: 68:09 Internet: Les Arts Florissants

Ein wenig „mit Silikon beiarbeiten“ muss man schon, wenn dem erstaunlichen Umstand abeholfen werden soll, dass von Antonio Vivaldi trotz seiner vielen Jahrzehnte im kirchlichen Dienst und geistlichen Stand keine vollständige Messkomposition überliefert ist. Und so darf man diese Einspielung auch nicht unbedingt als „Rekonstruktion“ im engeren Sinne betrachten, sondern sie vielleicht besser als den Versuch würdigen, gerade das bekannte, aber eigentlich nur noch im Konzertsaal anzutreffende Gloria RV 589 in den liturgischen Zusammenhang zu rücken, in den es wohl eigentlich gehören dürfte.

Das gelingt dem Dirigenten Paul Agnew mit seinem Ensemble Les Arts Florissants dann auch einigermaßen überzeugend. Genutzt werden hierfür zur Ergänzung zunächst zwei weitere Einzelsätze, nämlich das Kyrie RV 587 und das Credo RV 591. Sanctus und Benedictus wurden nach dem – auch im Barock ja weit verbreiteten – Parodieverfahren aus zwei Vesper-Sätzen gewonnen, denen ein anderer Text unterlegt wurde. Das Agnus Die wiederum greift in üblicher Manier das Material des Kyrie auf und reichert dieses um Passagen aus der Magnificat-Vertonung RV 610 an. Das geht musikalisch recht bruchlos auf. Dass das Kyrie in Form und Ausdruck nicht unbedingt perfekt zum Gloria passt, wird geschickt dadurch kaschiert, dass die Motette „Ostro picta“ zwischengeschoben wurde als "Introduzione al Gloria".

Ob aus all dieser Bastelarbeit ein Mehrwert und Erkenntnisgewinn erwächst, darf bezweifelt werden, ist aber vielleicht auch nicht so wichtig, wenn die Interpretation auf derart hohem Niveau wie hier erfolgt, wozu auch der strahlend-jubilierende Sopranton von Sophie Karthäuser wesentlich beiträgt. Damit verbreitet die Aufnahme in größter Souveränität und künstlerischer Perfektion festliche venezianische Pracht ganz unabhängig von allen musikhistorischen Betrachtungen.

Sven Kerkhoff