····· Wolvespirit verkaufen Bullshit ····· Rock of Ages - Zusatzshows in 2025 ····· Ally Venable veröffentlicht Video zur neuen Single „Do you cry“ ····· Das zweite Album von Wizrd kommt zum Nikolaus ····· 40 Jahre Helloween - Das muss gefeiert werden ·····  >>> Weitere News <<<  ····· 

Reviews

Britten, B. (Glassberg, B.)

The Turn of the Screw op.54


Info

Musikrichtung: Moderne

VÖ: 03.06.2022

(Alpha / Note 1 / 2 CD / DDD / 2020 / Best. Nr. Alpha 833)

Gesamtspielzeit: 105:00

GESPENSTERREIGEN

Henry James Novelle „The Turn of the Screw“ ist Spukgeschichte und freudianischer Psychothriller in einem. Die Geister, die eine Gouvernante und zwei Kinder in einem Landhaus – möglicherweise – heimsuchen, bleiben bei ihm stumme Erscheinungen, die eigentlich nur von der Protagonistin wahrgenommen werden.

In Benjamin Brittens gleichnamiger Oper haben die Geister eine Stimme; im Fall des verstorbenen Dieners Quint ist diese ausgesprochen verführerisch, verheißt ein ewiges Abenteuer im Neverland der Kindheit. Welche Beziehung aber bestand zwischen Quint und dem Jungen Miles? Britten spielt hier wie bei dem nicht minder irritierenden Verhältnis zwischen der toten Miss Jessel und dem Mädchen Flora, mit Andeutungen, die auch eine übergriffige Intimität suggerieren. Wurden die Kinder "verdorben"?
Brittens „The Turn of the Screw“ ist ein düsteres, vieldeutiges Kammerspiel, das im steten Wechsel von instrumentalen Zwischenmusiken und dramatischen Szenen die Geschichte unerbittlich vorantreibt, bis es auf der Höhepunkt der Spannung zu einer tragischen Implosion kommt, die lediglich neue Fragen aufwirft.

Um eine vollstimmige orchestrale Farben- und Ausdruckspalette zu erzeugen, genügen Britten kaum mehr als ein Dutzend Instrumente. Der Klang ist überraschend körperlich und dicht.
Und auch die Stimmen sind groß; nicht selten wird von den erwachsenen Figuren ein eruptiv expressionistisches Singen gefordert; hier flüstern weder der Heimgesuchten noch die Geister. Die Ensemblemusik befindet sich in steter Bewegung und Verwandlung, verfolgt, enthüllt und kommentiert mit seismographischer Genauigkeit alle seelischen Windungen und Wechselbäder.
Unter der eloquenten Leitung von Ben Glassberg spielt in dieser Aufführung das „La Monnaie Chamber Orchestra“ in herausragender Qualität zum Gespensterreigen auf. Die Biegsamkeit der Gestaltung sorgt für ein perfektes Timing. Der tontechnische plastisch eingefangene Klang ist reich und schillernd, atmosphärisch und auch dionysisch wild.

Dem entspricht ein charaktervolles Solist:innen-Ensemble mit Sally Matthews als getriebener Gouvernante und Carole Wilson als Haushälterin Miss Grose – Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs. Julian Hubbard als pan-artiger Verführer Quint bringt tenoraler Kraft und unheimliche Autorität für seine Rolle mit; Giselle Allen als Miss Jessel überzeugt als vom Leben besessene, aber verlorene Seele. Die wichtigen Kinder-Rollen sind ebenfalls ausgezeichnet besetzt, mit dem ebenso präsenten wie tonschönen Thomas Heinen als Miles und der nicht minder einnehmenden Flora von Katharina Bierweiler. Beide sind langjährige Mitglieder des Karlsruher Kinder- und Jugendchors Cantus Juvenum.

Auch ohne die surrealen Bilder der Brüsseler La-Monnaie-Inszenierung, die der Aufnahme zugrundeliegt, großes Ohren-Kino!



Georg Henkel

Besetzung

Katharina Bierweiler, Sally Matthews, Julian Hubbard, Carole Wilson, Giselle Allen, Thomas Heinen, Katharina Bierweiler

La Monnaie Chamber Orchestra

Ben Glassberg, Leitung
Zurück zum Review-Archiv
 


So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger