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Sinfonien Nr. 6 und 3
Info
Musikrichtung:
Romantik
VÖ: 03.06.2022 (hänssler classic / Naxos / CD / 2021 / Art. Nr. HC22016) Gesamtspielzeit: 69:31 Internet: Marc Niemann |
ENTDECKUNGSREISE
Bremerhaven war seit jeher ein guter Ausgangspunkt, um auf Entdeckungsreise zu gehen und neue Welten zu erschließen. Insofern passt es ganz gut, dass Marc Niemann, der ehrgeizige Chefdirigent des Philharmonischen Orchesters Bremerhaven, einen Blick auf die unbekannte und wenig beachtete "Musik im Schatten" geworfen hat, die er gezielt zum Gegenstand der Konzertprogramme macht. In diesem Schatten, nämlich jenem der männlichen Kollegen, standen nicht zuletzt die Komponistinnen des 19. und 20. Jahrhunderts. Unter ihnen ragt, schon wegen des Umfangs ihres Oeuvres und ihrer langjährigen Karriere, die aus dem Mecklenburgischen stammende Emilie Mayer (1812-1883) heraus. Auf ihre Musik richtet sich allerdings seit einigen Jahren immer mal wieder der Lichtkegel der Aufmerksamkeit. So konnten wir hier schon vor geraumer Zeit eine Einspielung ihrer 5. Sinfonie würdigen (vgl. MAS-Review). Nun also die 3. und - erstmals auf Tonträger - die 6. Sinfonie aus den Jahren 1850 bzw. 1853:
Mayers Stil erweist sich in diesen Werken deutlich von ihren Lehrern Carl Loewe und Adolf Bernhard Marx, einem großen Beethoven-Verehrer, geprägt, wobei die 3. Sinfonie (mit allerlei militärmusikalischen Einsprengseln) noch dem wiener´schen Geiste in der Nachfolge Haydns verpflichtet ist, während die 6. Sinfonie in ihrer Tonsprache eher an Beethoven und Schumann gemahnt. Aber: Mayer findet einen durchaus eigenen Sound. Dieser ist vor allem atmosphärisch aufgeladen, weniger auf stringente Struktur und Durchführung ausgerichtet als mehr auf den Effekt. Das bedingt immer mal wieder abrupte Stimmungs- und Themenwechsel. Es gibt der Musik zugleich etwas ouvertürenhaftes: Da wird permanent Schicksalhaftes verheißen, erschöpft sich aber in seinem motorischen Drängen eben oft in diesem raunenden Ton der Verheißung, so dass die dramatische Aufladung sich mit der Zeit abzunutzen droht und etwas Redundantes bekommt. Zugleich finden sich immer wieder sehr schöne, dicht gearbeitete Momente von emotional berührender Tiefe und überraschende instrumentale Farbeffekte.
Das Orchester tut dieser Musik alle Ehre an, legt die Strukturen offen, ohne dabei auf Klangsinnlichkeit zu verzichten und hält damit ein überzeugendes Plädoyer für Mayers kennenswerte Orchesterwerke.
Sven Kerkhoff
Trackliste
Besetzung
Marc Niemann: Ltg.
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |