Reviews
Zdrajcy Metalu
Info
Musikrichtung:
Metal
VÖ: 13.01.2017 (Eigenproduktion) Gesamtspielzeit: 47:25 Internet: http://www.nocnykochanek.pl |
Eigentlich nur als Nebenprojekt von Night Mistress gegründet, können Nocny Kochanek mittlerweile auf eine ganze Reihe Veröffentlichungen verweisen. Zdrajcy Metalu, das bisher einzige dem Rezensenten bekannte Album der Band, erschien Anfang 2017 und stellte den Zweitling des Quintetts dar, das in den seither vergangenen fünf Jahren aber nicht nur zwei weitere Studioalben, sondern zudem auch gleich noch fünf (!) Liveplatten und einen Stapel Singles herausgebracht hat. Komme also niemand mit dem alten Witz der polnischen Arbeitsmoral als einer der vier Säulen des Kommunismus daher (die anderen drei waren bekanntlich die mongolische Mikroelektronik, die Landwirtschaft der Sowjetunion und die Statistik der DDR) – und das, obwohl sich die Musiker alle Mühe geben, möglichst vielen metallischen Klischees zu entsprechen, was zu ihrem humoristischen Konzept gehört. Von den fünfen raucht einer auf seinem Einzelfoto im Booklet, aber alle fünf sehen das Spielen des Heavy Metal sozusagen als missionarische Aufgabe und sich selbst als Gentlemen dieser Spielart, wie schon der zweite Song „Dzentelmeni Metalu“ eindrucksvoll klarmacht. Dazu tritt die passende optische Gestaltung, die außer aus einem Playmate auch noch aus einem Paar besteht, wo die Frau den Mann offensichtlich von einem metalkompatiblen Lebensstil überzeugen will, aber noch nicht zum Endziel vorgedrungen ist, da auf dem Cover der Mann den Wein immer noch aus dem Glas trinkt, an der Wand über dem Iron-Maiden-Poster eins von Modern Talking hängt, die Jeans noch ganz sind und er ein George-Michael-Shirt trägt, während die Frau mit einem Slayer-Top punktet und gleich die ganze Weinflasche angesetzt hat. Das Ganze ist im Comicstil gezeichnet, aber die Bandfotos sind echt und zudem geschickt angeordnet. Zunächst entdeckt man dasjenige auf der Digipackklappe und lacht sich schon mal schief, denn hier kombiniert das Quintett metallische Accessoires wie Nietengürtel oder Patronengurte mit Shirts von N’Sync, Britney Spears, Modern Talking, Justin Bieber und abermals George Michael, wobei letzteres hier das einzige schwarze Shirt ist, während das George-Michael-Shirt des Comicmetallers auf dem Cover in Weiß prangt, ebenso wie die vier anderen auf dem Bandfoto. In der Mitte des Booklets prangt aber noch ein weiteres Bandfoto, und hier hält man sich endgültig den Bauch vor Lachen, erweitert das Quintett die bisher gezeigten Elemente doch noch um Fackeln, Ketten und Corpsepaint und steht wild posend und schlecht gelaunt in der Dunkelheit herum, damit Einfälle wie „Norwegian Reggaeton“ von Nanowar Of Steel oder das auf Youtube zu findende Mashup von Immortal und den New Kids On The Block vorwegnehmend, ideentechnisch theoretisch einzig auf The Black Satans zurückgreifen könnend. Aber egal ob sie das getan haben oder nicht: Die optische Umsetzung funktioniert erstklassig, und nur das ist an dieser Stelle wichtig.
Mit Black Metal haben Nocny Kochanek musikalisch allerdings überhaupt nichts zu tun und mit offenkundig parodistischen Klängen auch nicht, wie die zwölf Songs von Zdrajcy Metalu schnell klarmachen. Vielmehr hören wir hier klassischen Metal, wie er klassischer nicht ausfallen könnte, und die reichliche Dreiviertelstunde bleibt garantiert frei von jeglichen Einflüssen vor 1980 oder nach 1990. Zwar findet sich unter dem Digipack-Bandfoto auch noch der Schriftzug „Hewi Metal Panx“, aber mit Punkrock haben die fünf Polen auch nur die Frisuren zweier der Mitglieder sowie den oft und gern gepflegten geradlinigen Ufta-Ufta-Rhythmus gemeinsam – eine Nummer wie die vielschichtige sechsminütige Halbballade „Dziewczyna Z Kebabem“ hätte keine Punkband je geschrieben, und generell ist auch die Gitarrenarbeit ganz klar im Metal anzusiedeln, wobei Arkadiusz Majstrak und Robert Kazanowski sich als äußerst fähige Bediener ihrer Instrumente erweisen, denen weder simpel-wirkungsvolles Riffing noch melodische Eleganz fremd ist, wie sie etwa im speedigen „Smoki I Gole Baby“ eindrucksvoll unter Beweis stellen. Schon der Opener „Poniedzialek“ macht nach kurzem Geräuschkulissenintro allerdings unmißverständlich klar, wo der Hase hier läuft, und diese traditionsmetallische Linie behalten die Polen dann auch bei, wobei sie freilich auch vor eigentümlicher Rhythmik wie in „De Pajrat Bej“ nicht zurückschrecken und in etlichen Songs durchaus so viele Tempowechsel einbauen, wie es die Achtziger-Bands eher selten taten, wobei alles freilich stets im gewählten stilistischen Rahmen bleibt. Der grenzt instrumental an Accept, an HammerFall, an Iron Maiden (gelegentlich in der Harmonik), aber auch an weniger bekannte Bands europäischer Herkunft wie die Spanier Zarpa, und mit Krzysztof Sokolowski haben Nocny Kochanek auch einen fähigen Mann am Mikrofon stehen, der eine im besten Sinne normale Stimme ins Feld führt und dort, wo es zur Steigerung des Ausdrucks notwendig erscheint, auch mal leicht kreischend nach oben geht, aber zumeist im klaren Spektrum bleibt. Zusammen mit Gitarrist Arkadiusz zeichnet er auch für die Texte verantwortlich, die sich gleichfalls überwiegend im humoristischen Bereich bewegen, was schon in einzelnen Songtiteln deutlich wird, sich in voller Schönheit aber nur dem Kenner der polnischen Sprache erschließt. Strukturell aus dem Rahmen fallen neben der erwähnten Halbballade die zweiminütige Abschlußballade „Gdzie Jestes?“, das nur anderthalbminütige, allerdings eher fragmentarisch wirkende „Piosenka U Niczym“ und „Pierwszego Nie Przepijam“, das als einziger Song eher in die US-amerikanischen Spätachtziger weist (Skid Row!), aber auch auf Accepts Eat The Heat-Album (das bekanntlich ja auch eher amerikanisiert klang) gepaßt hätte. Die „Abweichler“ konzentrieren sich also eher im hinteren Teil des Albums, während der vordere Teil dem Grundschema stärker entspricht und mit dem erwähnten „Dzentelmeni Metalu“ auch den Hit der Platte enthält. Die Schilderung soll allerdings keinen qualitativen Abfall nach hinten assoziieren, denn bis auf den fragmentierten Song halten die fünf Polen durchgängig ein mindestens achtbares Niveau, das sie gelegentlich auch deutlich weiter nach oben schrauben. So ist Zdrajcy Metalu (ja, der Titeltrack schreibt sich wirklich geringfügig anders) einfach nur eine gute Metalplatte geworden, die auch ohne Verständnis der Texte die Laune beim Traditionsmetaller um mindestens 20 Prozent zu heben in der Lage ist und damit hält, was der „warnende“ gezeichnete Coversticker „Uwaga – Niedozyzwoity Humor“ verheißt. Ich will Spaß!
Roland Ludwig
Trackliste
1 | Poniedzialek | 4:32 |
2 | Dzentelmeni Metalu | 4:18 |
3 | Pigulka Samogwaltu | 4:33 |
4 | Dziabniety | 3:53 |
5 | Latwa Nie Byla | 3:55 |
6 | Dziewczyna Z Kebabem | 6:14 |
7 | Smoki I Gole Baby | 3:28 |
8 | De Pajrat Bej | 4:24 |
9 | Piosenka O Niczym | 1:25 |
10 | Zdrajca Metalu | 4:33 |
11 | Pierwszego Nie Przepijam | 4:00 |
12 | Gdzie Jestes? | 2:02 |
Besetzung
Arkadiusz Majstrak (Git)
Robert Kazanowski (Git)
Artur Pochwala (B)
Tomasz Nachyla (Dr)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |