····· Wolvespirit verkaufen Bullshit ····· Rock of Ages - Zusatzshows in 2025 ····· Ally Venable veröffentlicht Video zur neuen Single „Do you cry“ ····· Das zweite Album von Wizrd kommt zum Nikolaus ····· 40 Jahre Helloween - Das muss gefeiert werden ·····  >>> Weitere News <<<  ····· 

Reviews

Ross The Boss

By Blood Sworn


Info

Musikrichtung: Power Metal

VÖ: 20.04.2018

(AFM)

Gesamtspielzeit: 62:02

Internet:

http://www.ross-the-boss.com

Die ersten beiden Studioalben seiner kurzerhand nach ihm benannten Band hatte Ross Friedman aka Ross Funichello aka Ross The Boss mit Musikern aus dem Südwesten Deutschlands eingespielt, die ihrerseits zuvor bereits einen intensiven Zugang zum Manowar-Material besaßen, weil sie bei einer Manowar-Coverband namens Men Of War spielten (zusätzlich zu ihren eigenständigen Betätigungsfeldern wie Ivory Night). Dann gerieten die Bandaktivitäten aber ins Stocken, und der Gitarrist baute in den USA eine neue Besetzung auf, die sich auf dem Weg zum dritten Studioalbum By Blood Sworn aber auch noch mehrfach änderte – unter anderen gehörte eine Zeitlang auch der Schlagzeuger Kenny Edwards zur Band, der allerdings bei Manowar nie mit Friedman zusammen aktiv war – als er im Vorfeld von The Triumph Of Steel unter dem Pseudonym Rhino zur Band stieß (ob auf dem Album wirklich er zu hören ist oder ein Drumcomputer, wurde kontrovers diskutiert), war der Gitarrist schon etliche Jahre von Bord. Auf By Blood Sworn trommelt nun Lance Barnewold, der mit Bassist Mike LePond u.a. auch in dessen Soloprojekt werkelt – aber den -Drumhocker hat er nach den Aufnahmen schon wieder geräumt und für einen Menschen mit dem schönen Namen Steve Bolognese Platz gemacht. Offenbar hält die internationalstämmige Musikerszene in New York ganz besonders zusammen, was man ja schon bei einem Blick hinter die Manowar-Kulissen sehen konnte, da ja auch Louis Marullo (aka Eric Adams) und Joey deMaio (wie auch immer er bürgerlich heißt) dieser Welt entstammen, während Funichello nur ein Künstlername von Friedman ist, man also aus diesem nicht auf italienische Vorfahren schließen kann (statt dessen könnten es deutsche sein).
Nun gut, zwingende Voraussetzung für die Erzeugung gutklassigen Metals sind die Vorfahren natürlich nicht, wie man an den ersten beiden Alben gesehen hat – und wenn die Nachnamen auf die richtige Spur führen, hat Bassist Mike LePond irgendwo Franzosen und Sänger Marc Lopes irgendwo Spanier unter seinen Ahnen. Damit sind nunmehr alle Musiker genannt, die auf By Blood Sworn mitwirken, und der Boss scheint großes Vertrauen in ihre Fähigkeiten gehabt zu haben: Lopes schrieb alle Texte, und von den zehn neuen Songs sind gleich drei komplett ohne die Mitwirkung Friedmans erdacht worden – „Devil’s Day“ und „Fistful Of Hate“ von LePond, „We Are The Night“ gar von einem völlig Außenstehenden namens Jon Morency, der dem Umfeld von Lopes angehört und mit diesem bei Let Us Prey spielt (dort als Gitarrist, in anderen Bands aber auch als Bassist oder Drummer, also ein Multitalent). Aber natürlich hatte auch der Boss so manche Idee, die in richtig gute Songs mündete. Das geht schon beim eröffnenden Titeltrack los, der einen starken Refrain mit interessantem Atmosphärefaktor aufweist, zugleich aber auch die ersten kleinen Probleme offenbart: Lopes landet mit seinen Gesangslinien, auffällig etwa beim letzten Sprung nach oben, nicht immer ganz da, wo er eigentlich hinwill bzw. gemäß der klassischen Harmonielehre auch hingehören würde, und generell hinterläßt sein Shouting nicht immer den sichersten Eindruck, obwohl er durchaus andeutet, dass er mehr kann – und vor allem dass er anderes kann: Die Strophen von „We Are The Night“ hat Morency offenbar direkter auf die Tessitur des Sängers zugeschnitten, der dort richtig melodisch singen darf und da beträchtliche Fähigkeiten offenbart, die besonders im Direktvergleich mit den hier im Refrain eingebauten Shouts ins Gewicht fallen und einen entscheidenden Unterschied in der Sicherheit der eingesetzten Mittel offenbaren. Auch in der Ballade „Faith Of The Fallen“ zeigt der Sänger, was er im etwas ruhigeren Fach kann, wenngleich er in den Strophen hier etwas zum Overacting neigt und dann erstaunlicherweise ein wenig an Axl Rose erinnert. So entsteht das gewisse Paradoxon, dass Lopes irgendwie anmutet, als sei er entweder in einer deutlich melodischeren Truppe besser aufgehoben oder aber in einer Thrashband, wo sein Shouting genügen würde – vielleicht aber wußten die Songwriter nur noch nicht so richtig, wie sie seine Fähigkeiten am banddienlichsten einsetzen, ohne nun gleich vom typischen Power Metal abzuweichen, und befinden sich sozusagen noch in einem Lernprozeß.
Was die Songwriter jedenfalls richtig gut können, ist, traditionellen Power Metal zu erschaffen, dem mit ein paar Keyboards an den richtigen Stellen viel an Atmosphäre hinzugefügt wird. Das zieht sich vom erwähnten Opener über „Among The Bones“ zu „This Is Vengeance“ mit seinem äußerst geschickten Wechsel zwischen verschleppter erster Hälfte des Refrains und galoppierender zweiter Hälfte. „Devil’s Day“ nimmt Anleihen im traditionellen Hardrock, übersetzt diesen aber gekonnt in den Power Metal, läßt den Chef gleich zu Beginn mal solieren (keine Ausnahmeerscheinung auf der CD) und kommt in gerade mal drei Minuten zum Ziel, obwohl hinten noch zwei große Solospots drin sind – und man hat nirgendwo das Gefühl, die Grundidee sei hier etwa noch nicht ausreichend gewürdigt worden. Wer ausladendere Arrangements liebt, kommt dann gleich beim folgenden Siebenminüter „Lilith“ auf seine Kosten, an dem Drummer Barnewold mitgeschrieben hat und zusammen mit dem Chef dramatischen Epic Metal erschuf, in dem wieder mal auffällt, wie Lopes sichere und unsichere Passagen unmittelbar aneinanderreiht, hier in der tieferen und unbeholfener wirkenden ersten Strophenhälfte, der eine deutlich treffsicherere zweite Hälfte eine Oktave weiter oben folgt. Den schleppenden Außenteilen steht ein galoppierender Mittelteil gegenüber, der den Sänger abermals in der Höhe shouten läßt – und siehe, es funktioniert abermals. Die vorletzte Refrainzeile lautet übrigens „Prey among the Godz“, während der nächste Song auf den Titel „Play Among The Godz“ hört. Zufall oder Konzept? Ein letzteres ist zumindest nicht auf den ersten Blick erkennbar, auch musikalische Zitate lassen sich nicht vordergründig ausmachen. „Circle Of Damnation“ überzeugt besonders mit dem Dramatikeffekt an der Überleitung ins Hauptsolo, und „Fistful Of Hate“ gerät zu einer stilistisch etwas vom Rest abweichenden Nummer: LePond hat hier nach dem geschickt Spannung aufbauenden Intro reinrassigen Speed Metal geschrieben, der zugleich mit einer Eleganz durch die Kurven flitzt, wie man sie auf dem ganzen Album noch nicht zu Gehör bekommen hat. Mit einem „richtigen“ Sänger ausgestattet, hätte diese Nummer auch auf ein Riot-Album gepaßt und dort keine schlechte Figur gemacht.
„Fistful Of Hate“ schließt den regulären Albumteil ab – und es könnte eine weise Entscheidung sein, das Hören hier zu beenden oder gleich die Basisversion des Albums zu erwerben, die ohne die drei Bonustracks auskommt. Dabei handelt es sich um Neueinspielungen dreier alter Manowar-Tracks, die Friedman damals gemeinschaftlich mit deMaio verfaßt hat. Dass Manowar zu dem am schwierigsten zu covernden Bands überhaupt zählen, dürfte keine Neuigkeit darstellen, ebenso wie der Fakt, dass sie selbst mit den Versuchen, die Alben Battle Hymns und Kings Of Metal neu einzuspielen, fürchterlich auf dem Hosenboden gelandet sind und es außer Joey deMaio, einigen jüngeren Anhängern sowie einigen Personen mit zweifelhaftem Geschmack wohl niemanden geben dürfte, der die Neuversionen den Originalen vorzieht. Instrumental gibt es bei Ross The Boss weniger auszusetzen als bei Manowar – der Gitarrist hat der Versuchung, die Neuversionen wirklich auf neu zu trimmen, wenigstens in „Hail And Kill“ widerstanden, wenngleich er selbst dort die Kombination aus epischer Entrücktheit und Kampfeslust nicht reproduzieren kann, die das Original so einzigartig machte. „The Oath“ scheitert am Versuch, die Speedeleganz von „Fistful Of Hate“ wenigstens ansatzweise in die Coverversion zu transferieren, bietet aber wenigstens eine solide Speedkante, während „Each Dawn I Die“ außerhalb der solide vor sich hin donnernden Strophen eher verkrampft wirkt. Dann wäre da aber noch der ganz große Knackpunkt: Jede Manowar-Coverversion steht und fällt mit dem Sänger. Das wurde schon an den eigenen Neueinspielungen überdeutlich, in denen man Adams die seit dem Original ins Land gezogenen Jahrzehnte sehr klar anhörte, was die neuen Produktionsmöglichkeiten beileibe nicht wettmachen konnten. Und nun ist da Lopes angetreten – wer bisher mitgelesen und mitgedacht hat, für den wird keine Überraschung darstellen, dass er gegen einen Eric Adams in Hochform (und das war der auf Hail To England, Sign Of The Hammer und Kings Of Metal, von denen die Originale stammen) nicht den Hauch einer Chance hat. Ganz kurz blitzen mal zwei Momente auf, wo Lopes das Adams-Original fast exakt zu reproduzieren in der Lage ist (die Schreie am Ende des Refrain von „The Oath“, die erste Phrase der letzten Strophe des gleichen Songs), aber in der Gesamtbetrachtung liegen die Originale meilenweit von seinen in den Eigenkompositionen deutlich gewordenen Stärken entfernt, und damit verliert der Sänger und auch die Band den Vergleich haushoch. Man höre mal genau auf die letzte Gesangspassage von „The Oath“: Lopes geht nochmal hoch, verfehlt das angestrebte Original aber und kippt nach hinten sang- und klanglos weg, wo Adams den Eindruck erweckt hatte, er könne die Höhe auch noch eine halbe Minute länger halten, wenn nötig. Und das Vibrato, das Lopes im Intro von „Hail And Kill“ in der Zeile „together we ride“ auf das letzte Wort legt, berührt den Hörer irgendwie negativ. So machen diese drei Songs irgendwie eher Lust, die Manowar-Originalalben mal wieder einzulegen (meinetwegen für Masochisten auch die Kings Of Metal-Neueinspielung, deren „Hail And Kill“ ein realistischerer Gegner für Lopes, Friedman & Co. ist), und das dürfte eigentlich nicht Sinn und Zweck der Aktion gewesen sein. Begnügt man sich aber mit den Eigenkompositionen, offenbart sich ein durchaus ansprechendes Album, das aber wie beschrieben unter gewissen Inkonsistenzen leidet. Ob diese mit zunehmendem Zusammenwachsen auf dem aktuellen Studioalbum Born Of Fire behoben sind, kann der Rezensent mangels dessen Besitzes noch nicht beurteilen.

PS: Nach Fertigstellung der Rohfassung dieses Textes las der Rezensent, dass die Band Anfang 2020 in den USA und Kanada auf Tour gewesen sei und dort das Hail To England-Album komplett gecovert habe. Hat sich Lopes innerhalb von zwei Jahren so sehr gesteigert, oder war das ein Fall von klassischer Selbstüberschätzung?



Roland Ludwig

Trackliste

1By Blood Sworn4:49
2Among The Bones4:52
3This Is Vengeance4:27
4We Are The Night4:04
5Faith Of The Fallen5:28
6Devil’s Day3:06
7Lilith7:23
8Play Among The Godz3:39
9Circle Of Damnation4:27
10Fistful Of Hate4:19
11Each Dawn I Die4:34
12The Oath4:12
13Hail And Kill6:39

Besetzung

Marc Lopes (Voc, Keys)
Ross The Boss (Git, Keys)
Mike LePond (B)
Lance Barnewold (Dr)
Zurück zum Review-Archiv
 


So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger