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La captive du Sérail
Info
Musikrichtung:
Oper
VÖ: 04.03.2022 (CVS / Outhere / Note 1 / CD / 2020 / Best. Nr. CVS058) Gesamtspielzeit: 62:07 Internet: Florie Valiquette |
EXOTISCHES KOLORIT
Die sogenannten "Türkenopern" reüssierten zwischen 1760 und 1789 nicht nur im habsburgisch-deutschen Sprachraum, sondern waren zu jener Zeit auch in Frankreich überaus beliebt. Mochten die Feldzüge und der umfangreiche Sklavenhandel, den das osmanische Reich betrieb (und von dem das Booklet der CD überaus interessant zu berichten weiß), auch jede Menge Schrecken über Europa gebracht haben - es blieb zugleich der Reiz des Exotischen, die Idee einer anderen Welt, mit fremden Sitten, anderen Genüssen und anderen Klängen. An diesen hatte man im Original freilich wenig Interesse. In den "Türkenopern" und "Türkenmusiken" operierten die Komponisten nur vermeintlich mit Janitscharen-Klängen; tatsächlich wären diese mit ihrer Mischung aus orientalem und okzidentalem Tonsystem wohl doch zu befremdlich erschienen. So begnügte man sich mit allerlei Schlagwerk-Tschingderassa, rhytmischen Effekten, einfachen Repetitionen und harmonisch angeschärften Terzschritten, um einen Hauch von Exotik auf die Bühne und in den Orchestergraben zu bringen. Egal - beim Publikum fand genau dies großen Anklang, ließen sich dazu doch prima bunte, wie die Musik ganz frei erfundene, pikante Geschichten von Liebeshändeln, Liebeswirren und mehr oder minder großmütigen Herrschern über die Serails erzählen.
Den Durchgang, den die Sopranistin Florie Valiquette und das Orchestre de l´Opéra Royal unter Leitung von Gaétan Jarry durch dieses Repertoire unternehmen, ist programmatisch pfiffig und musikalisch erstaunlich ergiebig. So begegnet uns die Musik André Grétrys in unverminderter Frische und mit viel Drive, Glucks türkische Seitenblicke weisen ihn auch in diesem Segment als willensstarken Dramatiker aus und die Stücke aus der Feder von Philidor, Monsigny und Gibert bieten wahrhaft randständiges, aber hörenswertes Repertoire, das im Laufe der Operngeschichte in Vergessenheit geraten ist. Verdrängt nicht zuletzt durch Mozarts "Die Entführung aus dem Serail". Sie darf hier nicht fehlen. Aber: Konstanzes Arie "Ach, ich liebte" sowie ihr Duett mit Belmonte "Welch ein Geschick" hören wir - stimmig zum übrigen Programm - in französischer Sprache. Das erweist sich nicht als bloße Spielerei, sondern gibt den Stücken eine deutlich andere Färbung, die ihre Nähe zur Opera-comiqué in reizvoller Weise betont.
Florie Valiquette zeigt sich wandlungsfähig und koloratursicher, vermag mal keck, mal charmant, mal sehnsüchtig bei stimmlicher Leichtigkeit zu überzeugen. Das Orchester steht ihr mit Verve, opulenten - bühnentypisch trocken abgebildeten - Klangeffekten und Präzision zu Seite. So durchstreift man nur allzu gerne und bis zuletzt neugierig die vielen verschiedenen Räume dieses musikalischen Serails. Und lernt einmal mehr, dass auch ein Mozart seine Ideen keineswegs aus dem Nichts schöpfte.
Sven Kerkhoff
Trackliste
+Wolfgang Amadeus Mozart: Arien aus Die Entführung aus dem Serail
+Christoph Willibald Gluck: Arien aus Les Pelerins de la Mecque ou la Recontre Imprevue
+Francois-André Danican Philidor: Arien aus La Belle Esclave
+Pierre-Alexandre Monsigny: Aline, Reine de Golconde
+Paul-Cesar Gibert: Soliman II ou les trois Sultanes
Besetzung
Florie Valiquette: Sopran
Nicholas Scott: Tenor
Gaétan Jarry: Ltg.
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |