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Angel Witch

Angel of Light


Info

Musikrichtung: NWoBHM

VÖ: 01.11.2019

(Metal Blade)

Gesamtspielzeit: 47:42

Internet:

http://www.angelwitchcoven.com

Von Angel Witch steht im durchgehörten Teil der hiesigen Tonträgersammlung bisher nur das Resurrection-Album, das keine reguläre Veröffentlichung im Sinne eines neuen Studiowerks war, sondern drei Demoaufnahmen von 1987, 1990 und 1998 bündelte, also überwiegend aus Zeiten, als Bandkopf Kevin Heybourne mit US-amerikanischen Musikern arbeitete, u.a. mit Laaz-Rockit-Bassist Jon Torres und Exodus-Schlagzeuger Tom Hunting. Diverse Klassiker aus der Frühzeit, allen voran die Bandhymne „Angel Witch“ vom selbstbetitelten Debüt, haben sich natürlich aus anderen Quellen im Hirn festgesetzt – aber mit Angel Of Light liegt jetzt erstmals ein reguläres Studioalbum hier im CD-Player, in der Gesamtzählung dieser Kategorie erst Nummer 5, was für eine seit den Spätsiebzigern aktive Band nicht gerade viel anmutet, aber damit auch ein Schlaglicht auf die wenigen Höhen und vielen Tiefen der Bandkarriere wirft. Stehaufmännchen Heybourne hat die weißnichtwievielte Bandbesetzung zusammen, diesmal wieder ein Quartett, und für Angel Of Light acht Songs eingespielt, davon sechs Neulinge und mit „The Night Is Calling“ und „Don’t Turn Your Back“ zwei Neufassungen alter, bisher zwar schon live gespielter, aber nicht studiokonservierter Achtziger-Tracks, die sich aber stilistisch problemlos ins große Bild einfügen. Und dieses stimmt, wenn man denn die prinzipielle Herangehensweise der Band mag, fast uneingeschränkt positiv und läßt erhoffen, dass Heybourne es vielleicht auf seine alten Tage doch noch schafft, mit dieser Besetzung auch weitere starke Werke herauszubringen.
Angel Witch hatten innerhalb des NWoBHM-Feldes einen eigentümlichen Stil, und den pflegen sie auch in der reichlichen Dreiviertelstunde des neuen Albums. Zum einen hört man noch eine latente Verwurzelung in den Siebzigern, maßgeblich befördert durch das intensive Beckengeschepper von Fredrik Jansson-Punkka. Zum zweiten übersetzt Heybourne die abnehmende Düsternis der Spätsiebziger-Black Sabbath in den Rahmen der NWoBHM (also nicht den Ur-Doom, den in der NWoBHM-Periode Witchfinder General oder Witchfynde weiterentwickelten), tut dies aber auf markant andere Weise als Sabbath selbst in der ersten Dio-Phase. Zum dritten aber ist er eben klar auch im zeitgeistigen Metal des Jahres 1980 verhaftet, und zum vierten kennt er auch sonstige progressive und psychedelische Welten, aus denen gelegentliche Anleihen in den Bandsound herüberwandern. Das ergab dann den eigenen Stil der Band, aus dem sie in den Achtzigern nach dem Debüt ausbrach, um wie viele andere Kollegen „kommerzieller“ zu werden, bevor Heybourne merkte, dass das nicht der richtige Weg sein konnte, aber auf dem Weg der Rückbesinnung auch nur mit Minischritten vorwärtskam, wie die genannten Demos zeigen.
Angel Of Light nun hat jedenfalls den Pfad der Tugend wiedergefunden, ohne sklavisch an Früherem zu kleben. Schon die A-Seite darf jedenfalls als prototypisch für den aktuellen Bandsound herangezogen werden. Der knackige Opener „Don’t Turn Your Back“ geht als einziger der acht Songs vor der Fünfminutenmarke durchs Ziel und stellt mit seinem treibenden Midtempo auch gleich die Höchstgeschwindigkeitsmarke für die A-Seite an den Straßenrand. „Death From Andromeda“, eine Nummer, die gleichnishaft die Covid-Pandemie vorwegnimmt (am Veröffentlichungstag des Albums, dem 1.11.2019, war das nur ein kaum präsenter dunkler Streif am chinesischen Horizont, also muß das Gleichnis Zufall sein), spielt bereits mit Akustikgitarrenelementen und einigen wenigen atmosphärischen, von Rhythmusgitarrist Jimmy Martin im Zweitjob beigesteuerten Keyboarduntermalungen, was das große siebenminütige Epos „The Night Is Calling“ am Ende der A-Seite dann in Steigerungsstufe exerziert, jedenfalls was die Akustikgitarren angeht, die hier im Hauptteil äußerst gekonnte Symbiosen mit den Elektrischen eingehen, bevor der Finalteil wieder im gehobenen Midtempo heranpoltert und alles wegschiebt, was ihm im Wege stehen könnte. Dazwischen ist aber noch „We Are Damned“ plaziert, sowas wie der heimliche Hit der Scheibe, den eingängigsten Refrain auffahrend, der zudem unter die Refraingesangsmelodie noch eine unterstützende Gitarrenmelodie legt, dadurch einen interessanten Zusammenklang erschaffend – ein Stilmittel, das Heybourne so gut gefallen hat, dass er es im B-Seiten-Opener „Condemned“ gleich nochmal einsetzt. Beide Songs münden außerdem in längere doomige Passagen, die mit verändertem Sound auch zu Candlemass gepaßt hätten, wobei „Condemned“ den Drummer aber im Solo temporär in schnelle Stakkati verfallen läßt, was wiederum die Höchstgeschwindigkeitsmarke für die B-Seite aufstellt, die, so stellt man am Ende fest, im Durchschnitt etwas schneller als die A-Seite ausgefallen ist. „Window Of Despair“ könnte rein vom Titel her eine doomige Nummer sein, plaziert sich freilich in Wirklichkeit durch seine galoppierenden Rhythmusstrukturen am anderen Ende der Skala und ist nicht zufällig mit 5:19 zweitkürzester Song der Scheibe, im Finalsolo nochmal die Geschwindigkeit markant nach oben schraubend. Die kurzen zweistimmigen Passagen im Solo weisen nicht in Richtung Iron Maiden, sondern eher weiter zurück gen Thin Lizzy, während die Riffharmonien am Beginn von „I Am Infamy“ wiederum aus der klassischen Black-Sabbath-Schule stammen, als Tony Iommi sich gelegentlich selbst entsprechend harmonisierte. Man staunt zudem, wie gut Heybourne noch bei Stimme ist – er könnte vermutlich problemlos auch in jeder jüngeren Epic-Metal-Band anheuern, wenngleich sein verlangter Stimmumfang hier gar nicht so groß ist und es nicht wesentlich weiter hinaufgehen sollte als im Refrain von „I Am Infamy“. Aber das muß es auch nicht, und zum Stil der Band paßt sein Gesang noch heute wie die vielzitierte Faust aufs Auge. Gleiches gilt für den Sound – hier wurde offensichtlich bewußt keine superklare moderne Produktion gefahren, sondern ein zurückgenommenes, ganz leicht dumpfes, vor allem die scheppernden Becken klanglich in die Breite ziehendes Soundgewand erzeugt, in dem das Gesamtbild über die Einzelelemente dominieren soll und das auch tut. Das ist sozusagen Retrosound im besten Sinne, ohne aber billig oder gar erzwungen zu klingen. Leider wurde das Prinzip der Dominanz des Gesamtbildes auch beim Druck des Booklets angewendet, was dazu führt, dass man die Seite mit den Credits nur mit großer Mühe und unter einem speziellen Lichteinfallswinkel lesen kann. Schade drum, denn ansonsten macht die Verpackung mit ihrer Kombination aus angerauhtem Recyclingpapier für Digipack und Booklet mit der Goldfolienprägung von Bandname und Albumtitel auf dem Digipack durchaus was her. Der Titeltrack, der die reichliche Dreiviertelstunde abschließt, fährt mit leicht orientalisch angehauchten Skalen noch ein bisher ungehörtes Stilmittel auf, baut auch hier geschickt ein paar Akustikgitarren sowie von Produzent James Atkinson gespielte Hammondorgeln ein und schließt das Werk somit auf hohem Niveau ab. Wenn die Tugend der Refraingestaltung von „We Are Damned“ vielleicht noch etwas ausgebaut werden kann, sollten Folgewerke noch etwas höher zu punkten wissen, aber auch Angel Of Light paßt sich bestens in eine metallische Retrobewegung ein, ohne verstaubter zu klingen als unbedingt nötig.



Roland Ludwig

Trackliste

1Don’t Turn Your Back4:55
2Death From Andromeda6:24
3We Are Damned5:59
4The Night Is Calling7:21
5Condemned5:30
6Window Of Despair5:19
7I Am Infamy5:34
8Angel Of Light6:41

Besetzung

Kevin Heybourne (Voc, Git)
Jimmy Martin (Git)
Will Palmer (B)
Fredrik Jansson-Punkka (Dr)
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So bewerten wir:

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