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Reviews

Tomasz Dabrowski & The Individual Beings

Same


Info

Musikrichtung: Avantgarde/Jazz

VÖ: 11.02.2022

(April Records)

Gesamtspielzeit: 41:49

Internet:

http://www.tomdabrowski.com/
https://aprilrecords.bandcamp.com/merch
https://arlettehovinga.com/

Jazz aus Polen stand schon immer bei mir hoch im Kurs, seitdem ich ab der siebziger Jahre Musiker*innen wie Andrzej Kurylewicz mit Wanda Warska, Tomasz Stanko, Zbigniew Namyslowski, Michal Urbaniak und andere live habe erleben und bewundern können.

Doch wer ist nun Tomasz Dabrowski? Der 1984 in Ilawa Geborene ist ein polnischer Jazztrompeter. Sein Spiel ist von freiem Jazz, von Avantgarde und osteuropäischer Folklore beeinflusst, und ich denke, auch von Tomasz Stanko. Der Musiker arbeitete über Jahre mit Künstlern der dänischen Jazz-Szene als auch mit internationalem Kollegen*innen.

Sein Debüt unter eigenem Namen erschien im Jahre 2012. ("Tom Trio")Der heute in Kopenhagen lebende Trompeter legte weitere Platten vor und nun aktuell stellt er sich mit der gleichnamigen Veröffentlichung als Tomasz Dabrowski & The Individual Beings dem Publikum. Die Individual Beings bestehen aus weiteren polnischen Musikern, einem Dänen und einem Norweger. Diese Band hatte sich formiert anlässlich eines Kommissionsauftrags für die "International Summer Jazz Academy". Ja, und als Individuen stellen sich die einzelnen Musiker dann auch wirklich heraus, nicht jedoch sich auch dem Gruppensound unterzuordnen.

Dem Text auf der Innenseite der Papp-Verpackung ist zu entnehmen, dass Dabrowski mit dieser Platte die Kunst von Tomasz Stanko feiern möchte. So schreibt er über seine Zusammenarbeit mit ihm und was er von ihm hat lernen können.

"JR" trägt Züge jener Zeit, als sich beim Münchener Label ECM Records noch freiere Klänge breit machten, ein wenig Edward Vesala, Paul Motian, Enrico Rava. Aber schnell wird deutlich, dass der Ton von Tomasz Stanko, als dieser noch in Polen Platten veröffentlichte, getroffen wird. Das "Andere" besteht nun bei dieser Platte, dass sich plötzlich von hinten elektronische Sounds anschleichen, die über dem Ganzen schweben, vor Allem sehr beeindruckend, wie diese über der unruhig rasselndem Perkussion und dem Piano dahin schweben. So wirkt es recht unwirklich und in der Tat mit reichlich avantgardistischem Ausdruck versehen.

Mitunter wirkt die Musik auch recht minimalistisch, oder erinnert mich an jene Übergangsphase, die einst Miles Davis, damals noch mit Wayne Shorter zusammen, vor dem Album "Bitches Brew" gestaltet wurde. So entstand eine oft sehr verträumt und verklärt wirkende Stimmung, die mit starkem persönlichen Ausdruck der Akteure behaftet ist. Dabrowski nutzt dabei eine grosse Bandbreite der Gestaltung mit der Trompete, von sanften Klängen bis zu frechen Passagen, die druckvoll vorwärts preschen.

Auffällig ist die grosse Freiheit, mit der alle Musiker zusammen gestalten und relativ strukturlos Songs aufbauen, Stück für Stück, um gelegentlich zusammen zu explodieren in einem Gebräu individueller Gestaltung und bisweilen voller Dramatik, Passagen, die sich dann nach und nach wieder zusammenfügen zu einer gemeinsamen Sprache. Die Kombination verschiedener stilistischer als auch gespielter Elemente im Umfeld akustischer und elektronischer Prägung birgt stets Überraschungen und zeugt von der Experimentierfreudigkeit der Musiker. "In Transit" mag hier als gutes Beispiel gelten, und obwohl der Song der kürzeste des Albums ist, werden gerade in der Kürze diese Zutaten, mit Überraschungen angereichert, gemischt. Bei etwa 0:51 taucht, als käme das Geräusch aus dem All, ein fauchendes Etwas auf, gespenstisch! Ja, diese Musik ist fordernd, strotzt vor gehaltvollen Inhalten und verdient es, aufmerksam gehört zu werden.
Ich denke, Stanko wäre stolz darauf gewesen, in welcher Form er hier gefeiert wird!



Wolfgang Giese

Trackliste

1 JR (6:18)
2 Old Habits (5:09)
3 In Transit (3:35)
4 Sandy (6:06)
5 Troll (6:41)
6 Queen Of Mondays (4:19)
7 Short Gesture (5:07)
8 Spurs Of Luck (4:26)

Besetzung

Tomasz Dabrowski (trumpet and electronics)
Fredrik Lundin (tenor saxophone)
Irek Wojtczak (tenor and soprano saxophone plus electronics)
Grzegorz Tarwid (Grand piano and keyboards)
Max Mucha (double bass)
Knut Finsrud (acoustic drums)
Jan Emil Mlynarski (electric and acoustic drums)
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So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger