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Reviews

Durón, S. (Dumestre, V.)

Coronis (Zarzuela)


Info

Musikrichtung: Barock Oper Zarazuela

VÖ: 04.02.2022

(Alpha / Note 1 / 2 CD / DDD / 2021 / Best. Nr. Alpha 788)

Gesamtspielzeit: 99:00

SPANISCH-ITALIENISCHES OPERNKARUSSELL

Zufall oder Ironie? Der neuste Opernstreich von Vincent Dumestre und Le Poème Harmonique, der auf dem Höhepunkt der aktuellen Corona-Welle erscheint, trägt ausgerechnet den Titel „Coronis“ und ist ein tragisch-komisches Barockspektakel aus Spanien, das mutmaßlich von Sebastián Durón (1660-1716) komponiert wurde.
Aufgeführt wurde die Oper am 19. Dezember 1705 in Madrid zum Geburtstag von Philipp V. „Coronis“ ist barocker Fusion-Style: Durón mischt die spanische Zarazuela, die im 17. Jahrhundert entstand und ursprünglich ein Mix aus Sprechtheater und musikalischen Einlagen war, mit der „durchkomponierten“ italienischen Oper, doch man kann auch die französische Operntradition heraushören.

Wo vorher gesprochene Dialoge mit Arien, Schlagern, Tänzen und auch Chören abwechselten, singt und spielt es jetzt ohne Unterbrechungen. Das erfreut heute ob seines Reichtums an Formen und Klängen die Ohren, zumal das anonyme Libretto noch dem Genremix des 17. Jahrhundert treu bleibt und hohe, mittlere sowie niedere Charaktere in barocker Welttheater-Manier mischt: Götter, Heroen und edle Damen, Monstermummenschanz und komische Dienerfiguren agieren auf mehreren miteinander verschränkten Zeit-, Ort- und Handlungsebenen.
Im Zentrum steht eine von Dianas keuschen Nymphen, die liebliche Coronis, die von einem liebestollen und leider auch sonst recht temperamentvollen Meeresungeheuer verfolgt wird. Coronis Hilferuf an Apollo löst einen Krieg im Götterhimmel auf, durch den am Ende Thrakien verwüstet wird. Heute wäre das Stoff für einen Superhelden-Blockbuster.

Durón geizt nicht mit immer neuen Einfällen, nutzte die gesamte Palette an Formen und Stilen der Epoche nach Monteverdi und vor Händel; formal weist sein Werk geradezu ins 19. Jahrhundert voraus. Lebhafte ariose Rezitative treiben die Handlung voran, kommentiert von instrumentalen Einlagen, schwungvollen Chören und vielen kleinen Ensembles. Gelegentliche längere Arien sorgen für Ruhepunkte, während Hits von der Straße und spanische Tänze, pikant abgeschmeckt mit den archetypischen Kastagnetten und anderer Percussion, für das lokale Finish sorgen. Der Klang ist direkt, wenngleich etwas erdig.
Da die Zarazuela ein Konzert der hohen Frauenstimmen ist und es abgesehen von einem Tenor keine Bariton- oder Basspartien gibt, bewegt sich die Musik stimmlich über weite Strecken in verwandten Registern. Ein gewisser deklamatorischer Hochdruck mag sowohl der Vorlage wie auch den Eigenarten der spanischen Sprache geschuldet sein. Wobei: Es geht ja auch um die großen Themen: Liebe, Leben und Tod …

Dumestre und seine temperamentvolle Truppe wissen, wie man ein solches Opernkarussell auf Affekten und Effekten in Bewegung hält, atmosphärische Klangkulissen einbaut und der Musik durch virtuose Streicher, diverse Bassinstrumente, schalmeiende Oboen und vokalen Pfeffer zusätzliche Farben verleiht.
Caramba, muchachos, wenn das kein Erfolg wird!



Georg Henkel

Besetzung

Ana Quintans, Isabelle Druet, Cyril Auvity, Anthea Pichanick, Victoire Bunel u. a.

Le Poème Harmonique

Vincent Dumestre, Leitung
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