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Reviews

Forged In Black

Descent Of The Serpent


Info

Musikrichtung: US-Metal

VÖ: 05.03.2019

(Fighter)

Gesamtspielzeit: 48:08

Internet:

http://www.forgedinblack.com

Die ersten beiden Worte des Openers „Seek No Evil“ lauten „Blind guardian“ – 48 Minuten später ist man freilich ein wenig überrascht, dass Krefeld’s Finest im Sound von Forged In Black praktisch keine Spuren hinterlassen haben. Gerade besagter Opener, mit nicht mal dreieinhalb Minuten der mit Abstand kürzeste Song des Albumzweitlings Descent Of The Serpent, liegt vom komplexen Eurospeed ein gutes Stück entfernt und bietet vielmehr klassischen US Metal, wie er klassischer kaum denkbar ist. Da lugen Bands wie Steel Prophet zu ihren besten Zeiten freundlich um die Ecke, und die alte Umschreibung „Iron Maiden on speed“ bekommt neue Nahrung, wenngleich sich Andy Songhurst und Chris Bone keineswegs darauf beschränken, einfach nur klassische Murray-Smith-Licks durch den Speedwolf zu drehen, denn gerade die doppelläufige Solopassage, in der sie auch in der Studioversion auf eine darunterliegende Rhythmusgitarre verzichten, hat mit Maiden eher wenig am Hut. Allerdings wird auch schon in dieser Nummer deutlich, dass Forged In Black den US Metal durchaus noch ganz auf ihre Weise interpretieren: Sie deuten zwar an, dass sie jemanden in der Band haben, der die typischen Sirenengesänge beherrscht, aber im überwiegenden Teil bewegt sich Chris Storozynski in halbhohen Lagen, mal episch angehaucht, mal shoutend, gelegentlich assistiert auch noch von einigen Gebrülleinwürfen. Wie diese anderweitigen Elemente verteilt sind, muß der Bandkenner beurteilen, der die Formation vielleicht auch schon mal live gesehen hat – außer dem Leadsänger steuern jedenfalls auch Bone und Bassist Kieran Rochester Vocals bei. Der Titeltrack zeigt eine von mehreren möglichen Kombinationen: Storozynski shoutet die Strophen, singt dann den Refrain melodisch, und dann brüllt noch jemand den Albumtitel rein, der dann auch im Mittelteil dramatisch aktiv wird, bevor im Hauptsolo neben mancherlei anderen Elementen abermals solche elegant schwebenden Doppelleads vorkommen, kombiniert allerdings auch mit griffigem, partiell eher schleppendem Riffing. Das wiederum ist schon in Song 2, „One In The Chamber“ aufgefallen: Man wähnt Forged In Black plötzlich in den Doom abgedriftet, bevor der Song irgendwann doch vielschichtiger wird. So richtig traut das Quintett seinen unbestreitbaren Fähigkeiten in diesem Sektor offenbar noch nicht, wenn etwa „One Last Time“ plötzlich Classic Doom in Reinkultur bietet, aber in den Strophen im jeweils hinteren Teil die Schlagzahl doch wieder verdoppelt – das hätte Leif Edling wohl nicht so gemacht, obwohl er den Song ansonsten vermutlich mit Kußhand nehmen und bei Candlemass oder auch bei The Doomsday Kingdom hätte unterbringen können. Nach drei Minuten wird freilich wieder alles anders, tobt Drummer Kev Rochester plötzlich im Ufta-Speed los, wie Candlemass es nur mal in „Into The Unfathomed Tower“ gemacht hatten, und Forged In Black entfachen ein überwiegend vorwärtsdrängendes Sologewitter, das unvermittelt in zartester Gitarrenkammermusik endet, bevor noch einmal der doomige Teil und als Outro abermals die Kammermusik kommt. Mit „Palm Of Silver“ wird es noch verrückter: Doom mit schräger Orgel und sinistrem Gelächter prägt das Intro, bevor nach einer Minute dann doch wieder Speed draus wird. So sehr man sich über den Ideenreichtum der Band freut, so sehr wünscht man sich, dass sie manchmal eine davon etwas konsequenter ausarbeiten würde, wenngleich das nicht bedeuten muß, dass sie etwa ihre Tempowechsel auf einen pro Song reduzieren sollte. Aber gerade dieses Intro von „Palm Of Silver“, das am Anfang des Hauptsolos nochmal kurz aufblitzt, hätte eine erstklassige eigenständige Songidee abgegeben und wirkt in der derzeitigen Form ein wenig verschwendet, zumal im Outro hier der Doom ohne die verrückten Elemente wiederkehrt und etwas einfallslos ausgeblendet wird. Dabei mangelt es Forged In Black durchaus nicht am Willen oder an den Fähigkeiten, die Songs eingängiger zu gestalten: Mit „Aphelion Tormentor“ haben sie eine Art AOR-Nummer im US-Metal-Gewand erschaffen, die einen nahezu unverschämt eingängigen und doch alles andere als platten Refrain auffährt. Aber damit auch garantiert niemand auf die Idee kommt, hier „Kommerzielle Anbiederung!“ zu schreien, gibt es einen rhythmisch gar nicht so einfach zu durchdringenden Songmittelteil, den instrumental auch Helstar zu ihren besten Zeiten nicht anders gestaltet hätten und der jedem AOR-Anhänger erstmal einen Knoten in die Ohren bastelt – vom Akustikbreak vor der Refrainwiederkehr ganz zu schweigen. Forged In Black könnten also „Hits“ schreiben, wenn sie wollen, aber sie wollen nicht. Müssen sie auch nicht, und auf einer eher kleinen spanischen Plattenfirma hätten sie sowieso wenig Chancen auf einen etwaigen Überraschungserfolg. Also machen sie lieber weiter das, was sie offensichtlich lieben, und gönnen sich dabei durchaus die Freiheit, ihre eigene Nische abzustecken: Zumindest der Rezensent kennt keine andere Band, die in einen vom klassischen US Metal geprägten Sound derart viele doomige Elemente einbaut. Offensichtlich ist der Stil auch über einige Zeit gereift: Vier Fünftel der Formation spielten schon im Bandvorgänger Merciless Fail zusammen, der dann 2013 zu Forged In Black wurde, was nicht nur den Bandnamen, sondern auch den Debütalbentitel hergab, welchselbiges dem Rezensenten bisher allerdings noch nicht zu Ohren gekommen ist und die drei danach erschienenen EPs auch noch nicht. Vielleicht klang das dortige Material auch noch anders, denn die Stilbeschreibung in der Encyclopedia Metallum lautet auf „Heavy/Thrash Metal“, und von Thrash ist zumindest hier auf dem Zweitling nur spurenweise etwas zu bemerken – wenn, dann können damit nur Combos wie Dyoxen oder Arcane gemeint sein. Aber auch die hätten nie eine Nummer wie den hochklassigen Closer „When Hell Is Done“ gemacht, der mal feisten, mal luftigeren Metal mit abermals so einem AOR-kompatiblen, mit instrumentaler Kammermusik bereits vorbereiteten Refrain koppelt, dass es nur so eine Freude ist. Descent Of The Serpent braucht auch beim Genrefreund wohl den einen oder anderen Durchlauf, um zu zünden, und wie beschrieben erschließt sich durchaus nicht der Sinn jedes einzelnen Wechsels, aber wer eine originelle Mixtur sucht, ohne gleich alle metallischen Tugenden über Bord werfen zu müssen, im speziellen also US-Metal-Anhänger auf der Suche nach Horizonterweiterung, oder wer wissen möchte, wie das klingen könnte, wenn Leif Edling eine US-Metal-Band aufmachen würde, für den sollte sich eine Beschäftigung mit dieser Scheibe lohnen. Ach ja, und apropos Horizonterweiterung: Das, was die Musikgeschichtsschreibung mit US Metal bezeichnet, war einst tatsächlich auch räumlich geprägt, ist es aber heute durchaus nicht mehr, und so steht der Proberaum von Forged In Black denn auch nicht in der Neuen Welt, sondern – Überraschung – in England, also einem Land, aus dem man solche Sounds selbst heute eher nicht gewohnt ist, schon gar nicht aus der Provinz wie Southend-on-Sea in Essex. (Oder vielleicht doch gerade von dort und nicht aus dem hippen London – wer weiß?)



Roland Ludwig

Trackliste

1Seek No Evil3:20
2One In The Chamber6:09
3Shadowcasters4:33
4Descent Of The Serpent6:02
5One Last Sign5:30
6Palm Of Silver4:49
7Aphelion Tormentor5:21
8Vendetta6:05
9When Hell Is Done6:19

Besetzung

Chris Storozynski (Voc)
Andy Songhurst (Git)
Chris Bone (Git)
Kieran Rochester (B)
Kev Rochester (Dr)
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