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Reviews

Bach, J. S. (Staier, A.)

Das Wohltemperierte Klavier II


Info

Musikrichtung: Barock Cembalo

VÖ: 19.11.2021

(Harmonia Mundi / Harmonia Mundi / 2 CD DDD / 2020 / Best. Nr. HMM 902682.83)

Gesamtspielzeit: 140:09

LUSTVOLL BAROCK

Nun aber! Andreas Staier hat in den Coronajahren 2020/21 die beiden Bücher des Wohltemperierten Klaviers von Johann Sebastian Bach eingespielt, und zwar hinreißend volltönend, auf dem Nachbau eines Cembalos von 1734, welches auf den Hamburger Meister Hieronymus Albrecht Hass zurückgeht.
Mit seinem zusätzlichen 16-Fuß Register entspricht es wohl einem jener prächtigen Instrumente, die Bach selbst bevorzugte. Der opulente und vielfarbige Klang des Hass-Cembalos ist in den vergangenen Jahren auch so etwas ein Kennzeichen Staiers geworden, der darauf untern anderem die Goldberg-Variationen und die Cembalokonzerte eingespielt hat.

Wohl weil in der letzten Zeit bereits einige neue Cembalo-Versionen vom ersten Teil des Wohltemperierten Klaviers ebenfalls auf bassverstärkten Instrumenten erschienen sind, veröffentlicht Staiers Label Harmonia Mundi die zweite Folge des Präludien-und-Fugen-Kosmos vor der ersten. Und wie man erwarten durfte, spielt sich Staier tief in die Welt von Bachs kontrapunktisch Wunderorganismen hinein und belebt sie durch seine fantasievolle Darbietung.

Frei von aller Schematik und vorgeschalteten Konzepten wird jedes Präludium und jede Fuge wie eine Persönlichkeit behandelt, die für sich stehen kann – eben so, wie es schon der weitverzweigte Entwicklungsprozess dieser Stücke nahelegt. Der Interpret wartet dabei nicht nur mit einer manchmal orgelopulenten Klangfülle und flott konzertanten Würfen auf. Auch ermöglichen verschiedene, mitunter extreme Registrierungen besondere Impressionen. Effekte wie der Lautenzug oder die unheimlich „leere“ Kombination von 16- und 4-Fuß werden von Staier stimmig eingesetzt. Witzig-pointierte gelingt der erste Teil des Cis-Dur-Präludiums mit dem Lautenzug, bevor die Musik zum Abschluss ohne Dämpfer einsetzt. Wie ein phosphoreszierendes gotisches Labyrinth entfaltet sich die Architektur des A-Moll-Präludiums in weiter Klangfarbenspreizung, zumal in der harmonieschärfenden mitteltönigen Stimmung des Instruments. Vor allem viele Fugen entwickeln in voller Registrierung erhabene Wucht; andere dürfen in intimer Abgeschiedenheit zu sich kommen – und mit ihnen die Zuhörenden.
Überzeugend auch Staiers freies Spiel mit Verzierungen, mit sanglichen "Rubati", überhaupt die Freude an der Präsentation von Details, an humorvollen kleinen Gesten im Kontext der großen Bögen.

Kurz: Dieses Wohltemperierte Klavier wird lustvoll barock empfunden und spieltechnisch ausgereift mit intellektueller Klarsicht präsentiert. So gerät eine Gesamteinspielung einmal nicht zu einem erschöpfenden, sondern ohrenkitzelnden schöpferischen Parcours, dem man gerne Beginn bis zum Schluss folgt.



Georg Henkel

Besetzung

Andreas Staier, Cembalo (nach H. A. Hass, Hamburg 1734)
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06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger