Reviews
Titon et l'Aurore
Info
Musikrichtung:
Barock Oper
VÖ: 03.12.2021 (Naxos / Naxos / DVD / 2021 / Best. Nr. Naxos 2.110693) Gesamtspielzeit: 127:00 |
MUPPETS GO ROKOKO
Hört man die Musik von Jean-Joseph Cassanea de Mondonville (1711-1772), dann sieht man die Bilder der Rokokomaler François Boucher und Jean-Honoré Fragonard vor sich: leuchtende Farben, feine Nuancen, üppig inszenierte mythische, bukolische, galante oder frivole Sujets – und das alles in einer atemberaubend perfekten Technik. Es ist sicher auch kein Zufall, dass Boucher für Aufführungen von Mondonvilles Bühnenwerken die Kulissen gestaltete. Hier ergänzten sich zwei Meister ihres Fachs ideal.
Ein wenig von dieser einstigen Verschwisterung der Künste findet sich in dieser modernen Neuproduktion von Mondonvilles heroischer Pastorale „Titon et l'Aurore“ wieder, die 2021 in der Pariser Opera Comique in Szene ging – coronabedingt ohne Publikum.
Für die Uraufführungszeit, das Jahr 1753, ist dieses Werk geradezu ikonisch: Edelhirte Titon und die Göttin der Morgenröte, Auroa, sind einander herzlich zugetan. Auf die Probe gestellt wird ihre Romanze durch egozentrische Gottheiten: Aeolus, der über die Winde gebietet, sowie Pales, die Göttin der Hirten und Herden. Der Windgott stellt Aurora nach, Pales versucht Titon mit allerlei Schäferspiel zu bezirzen. Da die Liebenden standhaft bleiben, rächen sich die Verschmähten furchtbar: Titon wird verflucht, unter Auroras Augen als hinfälliger Greis dahinzusiechen. Doch die Liebe der beiden ist so groß, dass sie am Ende obsiegt: Amor höchstpersönlich erscheint und versetzt die beiden gemeinsam in den unsterblichen Götterhimmel.
Mondonville hat diese komplikationslose Geschichte in eine Bonboniere charmanter und manchmal auch nicht allzu ernster Musik verpackt. Dabei bedient er stilsicher die französische Opernmusikmaschine, mischt Rezitative, Chöre, kleine Ensembles und Tanznummern, wobei alle Teile hervorragend miteinander harmonieren. Mondonvilles Ton ist leicht erkennbar, seine Kennzeichen sind eingängige Melodien, verbindliche Harmonisierungen und eine prickelnde Virtuosität, die hörbar von Italien inspiriert ist. Anders als Rameau möchte er sein Publikum vor allem betören und unterhalten, nicht so sehr überraschen oder erschüttern.
Regisseur Basil Twist, der zugleich Puppenspieler ist, vertraut ganz auf den Märchencharakter des Stücks und Mondonvilles zugängliche Musik. Mit Puppenspiel und vielen zauberhaft einfachen Tricks hat Twist eine augenzwinkernd verspielte Inszenierungslösung für das Werk gefunden. Verschwenderische Kostüme und skurrile Einlagen mit tanzenden Schafen wie aus der Muppet-Show oder Laterna-Magica-Lichtspiele erinnern an heutige Varieté- und Musical-Shows.
Dazu kommt die exquisite Umsetzung durch „Les Arts Florissants“, die sich unter der Leitung von William Christie ganz den Rokoko-Träumen der Partitur überlassen und Mondonville mit elegant dosierter Dramatik mehr als gerecht werden. Der sensible und höhenschöne Titon des Reinoud van Mechelen und die kokette Aurora von Gwendoline Blondeel ergeben ein ideales Liebespaar. Emmanuelle de Negri und Marc Mauillon sorgen als reizbare Gottheiten mit Emphase für das nötige Vokaldrama. Als sopranesker Prince Charming setzt Julie Rosets Amor dem Ganzen nicht nur mit ihrem Kostüm die Glitzerkrone auf.
Georg Henkel
Besetzung
Les Arts Florissants
William Christie, Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |