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Reviews

Colordrive

Soulhunter


Info

Musikrichtung: Melodic Alternative Rock

VÖ: 09.07.2021

(Eigenproduktion)

Gesamtspielzeit: 47:21

Internet:

http://www.facebook.com/colordriveband

Soulhunter hieß anno 2003 der Viertling der Markneukirchener Prog-Powermetaller Voice, und Soulhunter heißt nun achtzehn Jahre später auch das Debüt der Dresdner Melodicalternativerocker Colordrive. Stilistisch gemein haben die beiden Alben nicht viel, außer dass sie ins erweiterte Rockfach fallen und dass beide Combos die erfreuliche Neigung zeigen, starke und merkfähige, aber durchaus nicht platt-ausgelutschte Melodien in ihre Songs einzubauen. Und dann wäre da noch der beiden immanente latente Prog-Touch, wenngleich er sich in durchaus unterschiedlichen Formen Bahn bricht und bei den Dresdnern nicht in der selbstgewählten Stilbeschreibung auftaucht, die hier kurzerhand übernommen wird, da sie das in den zwölf Songs zu Hörende durchaus gut umschreibt, wenngleich keineswegs allumfassend. Das soll nicht bedeuten, dass das junge Quartett nun zu der Fraktion zählt, die alle zwei Sekunden die soeben generierte Songidee durch eine andere ersetzt – aber auf die eine oder andere Überraschung sollte man doch gefaßt sein.
Im Opener, der kurioserweise auch noch „Voices“ heißt („Voice“ wäre dann der Querverbindungen doch eine zuviel gewesen, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die Dresdner die Markneukirchener überhaupt kennen, gar nicht so sehr groß ist), bricht sich der Melodic Alternative Rock erstmal fast ungebremst Bahn, das verschleppte Drumming von Florian Simon weist schon in den ersten Sekunden in die Neunziger, aber schon hier stammt der Refrain im Zweifel eher aus den Achtzigern, was seine Grundhaltung angeht. Die Überraschungen beginnen dann mit dem nicht mal dreiminütigen „On Fire“. Eine speedlastige Strophe mit leichtem Punktouch (denke an eine stärker rockige Version von Soundgardens „Rusty Cage“) mündet in einem großen Refrain, den nun wirklich jede Achtziger-AOR-Truppe mit Kußhand in ihr Schaffen übernommen hätte. Ein funkrockiges Hauptsolo eingebaut hätten von ihnen dann aber nur wenige, nämlich die paar, die in den damals noch viel strenger getrennten Szenen irgendwo mit urschwarzen Sounds in Berührung gekommen wären. „To Stone“ wiederum, zu dem es auch ein Video gibt, geriert sich zunächst als Ballade, fährt dann aber zunächst ein trockenes Siebziger-Riff auf, das so karg ist wie die allerkargste Wüste, obwohl es gerade keinerlei Touch in Richtung wüstenkompatiblen Stoner Rocks aufweist, sondern eher an obskure Proto-Doomer erinnert (also die ganz obskuren, die es da neben Pentagram noch gab), und der nervöse heftige Anschlußpart entzieht sich vollends jeder Kategorisierung. Eher progangehaucht geben sich Nummern wie „Separate Worlds“ und „Come Back Home“, aber auch hier jeweils mit einer ungewöhnlichen Zutat, nämlich einem traditionsmetallischen Gitarrensolo im ersteren und mit gospelchorkompatiblen Chorsätzen im zweiteren – und wer den familiären Kontext von Bassistin Rebecca Fröhlich, die auch sonst auf der Scheibe für die Backing Vocals zuständig ist, kennt und weiß, dass da das Voicepoint-Projekt dahintersteckt, der kann sich vorstellen, wie die Idee zustandegekommen ist (ein paar Gourmets erinnern sich möglicherweise auch noch an Sunrise, bei denen Rebeccas Eltern Conny und Michael die musikalischen Köpfe waren). Und gerade solche Einfälle helfen mit, dass Colordrive eben nicht nur eine weitere unter Tausenden alternativ angehauchten Rockbands sind, sondern schon auf ihrem ersten Release Merkmale zeigen, die ihnen bei konsequenter Arbeit zu einem eigenen Gesicht zu verhelfen in der Lage sein könnten. Natürlich erwartet von einem Debütalbum niemand eine hundertprozentige Trefferquote (das haben bisher nur zwei Handvoll Auserwählte geschafft), und so bleibt etwa „Every Light Is On You“ arg unauffällig, während „How Can You Still Deny“ seine Reize erst ganz allmählich offenbart und den Hörer trotz des abermals durchaus merkfähigen Refrains erst im ergreifenden Mittelteil so richtig zu packen in der Lage ist, wo man dann stilistisch bisweilen an Rush und gegen Ende auch an das Schaffen von Neal Morse zu denken geneigt ist. Ähnliches trifft auf „Maybe In Another Universe“ zu, das lange etwas orientierungslos umherwandert und erst mit dem wunderbaren Baßsolo ab Minute 3 zu zünden beginnt, dann aber richtig – großes Solo auch hier inclusive. „Don’t Step Back“ wiederum zählt lange Zeit zu den geradlinigeren Tracks und verdeutlicht, wie Die Ärzte klingen könnten, wenn sie Melodic Rock spielen und in Englisch singen würden, wobei freilich auch hier eine ungewöhnliche Bridge vor dem Refrain die Nummer zu etwas Eigenem macht und den Hörer hoffen läßt, da käme vielleicht noch etwas richtig Großes – und genau das passiert auch: Colordrive schütteln wieder so ein geniales Chorarrangement aus dem Ärmel, diesmal in die Grauzone zwischen Klassik und Heavenly-Voices-Segment vorstoßend und dem Song danach noch die eine oder andere zusätzliche pfiffige Wendung verleihend. Da ist also abermals ein Highlight entstanden, das verdeutlicht, wohin die Reise der Dresdner gehen könnte, wobei die bisher ausschließlich über die Backings und Chöre ausgeschütteten Lobhuldigungen auch nochmal explizit an den Leadgesang von Christopher Schikora gehen müssen, der seine Sache richtig gut macht, selbst wenn auch er vermutlich noch nicht alles zeigt, was er kann. Aber dass er große Melodiebögen gestalten kann, das zeigt er schon oft und gern, und darauf kommt es in diesem Kontext an, wobei er weitestgehend im klaren Bereich bleibt und nur mal anflugsweise in ganz leicht angerauhte Areale wechselt, wobei auffällt, dass er in den Höhen von der Stimmfarbe her manchmal leicht an Chris Isaak erinnert. „Take My Hand“ bleibt indes trotzdem eine der unauffälligeren Nummern, und auch die ab der zweiten Strophe von „The Cave“ mitspielenden Streicher lassen noch Steigerungsmöglichkeiten offen, stehen im Mix etwas zu weit im Hintergrund und können ihren Originalitätsfaktor daher nur bedingt entfalten. Dafür ist dem Quartett mit dem Albumcloser „About Forgiveness“ nochmal ein Highlight gelungen. Mit diesem Sechsminüter, der mit Abstand die längste Nummer des Zwölftrackers bildet, kratzen sie am Postrock, lassen sich erstmal fast zwei Minuten Zeit für die instrumentale Entwicklung, bevor Schikora dann doch zu singen beginnt, und walzen die Elemente äußerst gekonnt in epischer Breite aus, vor überraschenden Tempowechseln und anderen originellen Ideen, wozu gar ein richtiges Metalgitarrenheldensolo von Tobias Schröder zählt, auch hier nicht zurückschreckend. Wenn Colordrive dort oder auch an den diversen anderen guten Ideen ansetzen, könnte ihnen eine farbig leuchtende Zukunft bevorstehen – ein richtig guter Anfang, zudem mit kompetent in Szene gesetztem Soundgewand (die etwas untergebutterten Streicher in „The Cave“ bleiben der einzige diesbezügliche Kritikpunkt), ist jedenfalls gemacht.
Dass das Quartett trotz einiger musikalisch rückwärtsgewandter Elemente allerdings im Hier und Jetzt lebt, macht der Digipack deutlich: Früher schrieb man da wenigstens Homepage-URLs drauf (Postanschriften draufzuschreiben war noch früher), aber die Jugend von heute begnügt sich mit dem Hinweis „Visit us on ...“, und dann kommen die Symbole für Facebook und diverse andere Kanäle. So ändern sich die Zeiten ...



Roland Ludwig

Trackliste

1Voices3:02
2On Fire2:55
3To Stone3:54
4Separate Worlds3:51
5Come Back Home3:02
6Every Light Is On You3:48
7How Can You Still Deny4:33
8Maybe In Another Universe4:44
9Don’t Step Back4:09
10Take My Hand3:34
11The Cave3:28
12About Forgiveness6:14

Besetzung

Christopher Schikora (Voc)
Tobias Schröder (Git)
Rebecca Fröhlich (B)
Florian Simon (Dr)
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So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger