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Reviews

Walwyn, K. – Cowell, H. – Joplin, S. u. a. (Swayne, A.)

9/11:20 – Memorials on the twentieth anniversary of September 11th


Info

Musikrichtung: Neue Musik / Postmoderne

VÖ: 03.09.2021

(Coviello / Note 1 / CD DDD / 2021 / Best. Nr. COV92111)

Gesamtspielzeit: 62:41

TRAUERARBEIT

Es ist gewiss nicht ohne Risiko, die Anschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001 musikalisch zu reflektieren. Wie schnell schlägt das Gut-Gemeinte in einen rührseligen Betroffenheits-Kitsch um, der der Ungeheuerlichkeit der Ereignisse nicht gerecht wird.

Der amerikanische Pianist Adam Swayne vermeidet die großen Gesten. Er hat ein Programm mit Klaviermusik des 20. Jahrhunderts zusammengestellt, die zum Teil als Reaktion auf die Attacken komponiert wurden, zum Teil unabhängig davon die amerikanischen musikalischen Traditionen des frühen 20. Jahrhunderts aufscheinen lassen.
Zwei Teile aus dem umfangreichen Zyklus „Reflections on 9/11“ von Karen Walwyn muten recht konventionell an, wie ein Echo auf die Klaviermusik von Maurice Ravel: eine wohlklingende postmoderne Trauermusik, die nicht illustrativ ist, sondern eher Zuflucht in etablierten Formen „nachdenklicher“ oder „melancholischer“ Musik nimmt und nach passenden Resonanzräumen für die Erstarrung und Isolation der Hinterbliebenen sucht. Ähnlich das elegische kurze „Missing Towers“ von David Del Tredici, das das Programm in ebenso neotonaler Manier beschließt.
Dagegen wirken die „Sudden Memorials“ von Kevin Malone, mit rund 30 Minuten Dauer das zentrale Hauptwerk auf dieser Platte, wesentlich aufrührerischer und unruhiger. Inspiriert durch die spontane Gedenkkultur, die sich an den Schauplätzen des Terrors entwickelte, hat er eine zwischen Abstraktion und Konkretion changierende, patchworkartige Musik komponiert, die mit ihren Anspielungen und Zitaten mitunter an Charles Ives erinnert.
Als „Zwischenstücke“ fungieren drei experimentelle Stücke des Avantgarde-Pioniers Henry Cowell. Musikalisch wirken sie mit ihren verfremdenden Spieltechniken und Clusterballungen radikal, zumindest verglichen mit den neueren Stücken. Mit Scott Joplins „Solace“ wird der Meister des Ragtimes mit einer nachgerade delikaten, Nostalgie weckenden Musik gewürdigt.

Adam Swayne widmet sich all diesen Werken gleichsam auf Fingerspitzen, mit einem weich-gerundeten Klavierton, der fast schon zu schön ist. An der Schwelle von Kunst- und Alltagsmusik, von Experiment und Zugänglichkeit gelingt es ihm, Gefühlsräume zu eröffnen, die zumindest nicht von Pathos, falschem „Happy-Ending“-Optimismus und patriotischer Überwältigungs-Rhetorik geflutet sind.
Bleibt die Frage, für wen dieses Programm zusammengestellt wurde: Überlebende? Angehörige? Die „Amerikanische Nation“? Ohne den Zusammenhang, ohne Kenntnis der einzelne Titel bleibt am Ende … Musik. Musik, die sensibel und versiert dargeboten wird, die man mögen oder nicht mögen kann. In jedem Fall: Man bleibt dran, hört ihr zu.



Georg Henkel

Trackliste

Walwyn: Reflections on 9 / 11
Cowell: The Tides of Manaunaun; Fabric; Aeolian Harp
Malone: Sudden Memorials
Joplin: Solace
Tredici: Missing Towers

Besetzung

Adam Swayne, Klavier
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So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger