Reviews

Neal Morse Band (NMB)

Innocence & Danger

Info Musikrichtung: Prog VÖ: 27.08.2021 (InsideOut) Gesamtspielzeit: 95:00 Internet: http://www.nealmorse.com

Die Neal Morse Band nennt sich nun offiziell NMB. Man wolle damit den Bandcharakter betonen, hat der Bandchef erklärt, der nicht mehr so deutlich im Mittelpunkt stehen will. Gefruchtet hat das bisher wenig. Praktisch alle Pressevertreter sprechen weiter von der Neal Morse Band, oder auch nur von Neal Morses neuem Album. Und der fromme missionarische Ansatz, der auch die Texte dieses Doppel-Albums kennzeichnet, stellt das aktuelle Album in große Kontinuität zu allem, was das Werk Morses seit seiner Trennung von Spock's Beard geprägt hat.

Mittlerweile hat sich Neal Morse in eine Liga mit Motörhead, AC/DC, Dice und anderen Bands begeben, die mit großer Zuverlässigkeit gleichbleibende Qualität abliefern (bzw. abgeliefert haben), bei denen man Innovationen aber mit der Lupe suchen muss – und im Fall von Neal Morse fragt man sich, ob es davon immer gleich Doppelalben sein müssen. Zumal damit zu rechnen ist, dass in wenigen Monaten das gleiche Material – in fast perfekter Studio-Qualität – noch einmal als Doppel(!)-Live-Album vorliegen wird. Aber vielleicht verzichtet der hyperaktive Prediger dieses Mal auf eine Voll-Aufführung des Albums, da Innocence & Danger ausnahmsweise mal kein Konzeptalbum ist. Die Frage nach der Entscheidung für den rechten Weg im Leben zieht sich aber – wie bei Morse immer – als roter Faden durch.

Qualitativ lassen sich deutliche Unterschiede zwischen den beiden CDs des Doppelalbums feststellen, die schon rein äußerlich einen anderen Eindruck machen. Während CD 2 aus lediglich zwei Longtracks besteht, versammelt der erste Silberling eine Reihe deutlich kürzerer Tracks.

Musikalisch bewegt sich Morse in diesem ersten Teil deutlich stärker in Richtung AOR. „Your Place in the Sun“ erinnert stellenweise an die deutschen Lake und das folgende „Another Story to tell“ an Toto. Auch der als Cover ausgewählte Simon & Garfunkel Klassiker „Bridge over troubled Water“ geht in diese Richtung. Er wird allerdings erst einmal so stark verändert, dass man ihn erst nach knapp zweieinhalb Minuten beim einsetzenden Gesang erkennt. Morse inszeniert ihn dann über-dramatisch und über-hymnisch, was ihn aber eher eindimensionaler macht und ihn viel an Gefühl verlieren lässt. Sicher kein Highlight dieses Releases.

Stärker sind das beim Intro an ältere Genesis erinnernde Eröffnungsstück „Do it all again“ und das wirklich starke „Bird on a Wire“, auf dem Neal Morse zu seiner Klasse als Prog-Rocker zurück findet. Das Highlight der ersten CD. Aber auch das stärker auf die akustische Gitarre setzende Doppel „Emergence“ und „Not afraid Pt. 1“ weiß zu überzeugen.

Dafür, dass auch Innocence & Danger wieder deutlich die 14-Punkte-Marke überspringt, sorgt aber erst CD 2, auf der die Neal Morse Band endlich die Prog-Rock-Feuerwerke abbrennt, mit denen sie sich ihren Status erarbeitet hat. Breaks, Neueinsätze, Soli, Chöre, Power-Parts und hymnische Momente, Bombast und sensible Zwischenspiele – alles, alles ist da – und es finden sich in den Mammutstücken mehr Single-Hit-fähige Momente als in den dafür eigentlich eher geeigneten kurzen Songs der ersten CD (die allerdings in der Regel ebenfalls zeitlich das Single-Format sprengen).

Die zweite CD um „Bird on a Wire“ und „Not afraid Pt. 1“ erweitert als Einzel-CD veröffentlicht, wäre für 18 Punkte gut gewesen – bei entsprechendem Booklet und Artwork, was bei InsideOut ja durchaus wahrscheinlich ist, eventuell auch mehr. (Ich habe mal wieder nur Bits und Bytes vorliegen.)

Norbert von Fransecky