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L’Orfeo
Info
Musikrichtung:
Barock Oper
VÖ: 01.10.2021 (Alpha / Note 1 / 2 CD DDD / 2020 / Best. Nr. Alpha 720) Gesamtspielzeit: 106:20 |
HINREISSEND SINNLICH
Was diese Neueinspielung von Claudio Monteverdis Meisterwerk „L’Orfeo“ charakterisiert, ist neben einem sehr homogenen Solisten- und Chorensemble ein ausgesprochen reicher, zugleich delikater und lichter Instrumentalklang. Das mit Zinken, Posaunen, Flöten, Streich- und Zupfinstrumenten farbig besetzte Renaissance-Orchester Monteverdis erzielt mitunter eine fast schon sinfonische Wirkung, z. B. bei der eröffnenden Toccata, den Ritornellen und Tänzen, die zudem ungemein schwungvoll dargeboten werden. Das Ensemble schwelgt in reich durchglühten Farben, versteht sich aber auch auf sanft schimmernde und duftige Texturen. Der Leiter der „Capella Mediterranea“, Leonardo Garcia Alarcon, hat außerdem die in zwei Drucken überlieferte Musik vermittels zusätzlicher "improvisierter" Einsätze der Blockflöten- und Violinen angereichert, eine im 17. Jahrhundert nicht unübliche Praxis. Die flüssigen Tempi und ein anmutiges Legato tragen das ihre dazu bei, dass hier alles fast schon organisch durchkomponiert wirkt.
Der vokale Grundton dieses "L'Orfeo" korrespondiert diesem Ansatz: Er ist ist eher leidenschaftlich pulsierend als rhetorisch skandierend. Alacrons Ensemble aus jugendlich frischen Stimmen vermeidet alle vordergründig opernhaften Effekte, orientiert sich an der mehr linearen Stimmführung der Renaissancemusik und bleibt dem Stück doch nichts an barockem Eros schuldig.
Valerio Contaldos leicht ansprechender Tenor verleiht dem halbgöttlichen Sänger einen verführerischen Schmelz wie auch berührend schmerzhaften Ausdruck in der überaus anspruchsvollen Bravourarie „Possente Spirito“ (wie oft geraten die komplizierten Tonbrechungen und Verzierungen den anderen Sängern schnell etwas „meckernd“!).
Ebenso wie sein Kolleg:innen überzeugt er als subtiler Gestalter nicht weniger in den vielen Monologen und Dialogen, in denen Monteverdi die Kunst des Sologesangs zu einem ersten Höhepunkt führt. Der dunkle, leicht körnige Bass des Charon von Salvo Vitale und der imperiale Bariton von Alejandro Meerapfel, der den Pluto singt, stehen zu Contaldos hellem Tenor in einem genau balancierten Kontrast. Innig und entrückt zugleich gibt Mariana Flores La Musica sowie die Euridice. Von herberer Schönheit ist die eindringliche Unglücksbotin der Guiseppina Bridelli, ätherisch klingt die Hoffnung bzw. die Proserpina der Ana Quintans. Auch die diversen Nebenrollen sind trefflich besetzt. Zartdramatisch intoniert der prächtige Kammerchor von Namur.
Eine erlesene Produktion, die sicherlich auch durch Alacrons jüngste Auseinandersetzung mit d’India geprägt ist. Wie schon bei diesem Zeitgenossen Monteverdis führt er die Essenz der beiden Epochen, der späten Renaissance und des frühen Barock, zu einer Synthese: natürlich sinnlich und aufblühend expressiv, musikalisch sprechend und subtil singend. Hinreißend!
Georg Henkel
Besetzung
Choeur de Chambre de Namur
Capella Mediterranea
Leonardo Garcia Alarcon, Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |