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Reviews

Stravinsky, I. (Faust, I. – Melnikov, A. – Horwitz, D. u. a.)

Die Geschichte vom Soldaten (L'Histoire du Soldat). Élegie – Duo Concertant


Info

Musikrichtung: Klassische Moderne Ensemble

VÖ: 27.08.2021

(https://www.musikansich.de/review.php?id=22522)

Gesamtspielzeit: 78:25

AUTHENTISCH AUFGERAUT

Der Ton, der Isabelle Faust ihrer darmbesaiteten Stradivari entlockt, mag bei älterem Repertoire auch schon mal etwas trocken wirken – bei Stravinsky passt dieser strenge Klang, frei von Farbverstärker und Weichzeichner, sehr gut. Die beiden kammermusikalischen Zugaben auf dieser Aufnahme, die "Élegie" für Solo-Violine und das "Duo Concertant", bei denen Faust zusammen mit ihrem bewährten Partner Alexander Melnikov agiert, klingen frisch, klar, eindringlich, idiomatisch. Die für den Post-Sacre-Komponisten typischen Anverwandlungen historischer Stile werden mit einem kühl-modernen Licht ausgeleuchtet. Dadurch erscheinen sie weniger als geschickt verarbeitete Zitate denn als zeitlos stimmige und ausdrucksvolle musikalische Formen.

Dies gilt auch für das Hauptwerk dieses Albums, „Die Geschichte vom Soldaten“. Dieses Bühnenmärchen realisierte der Komponist zusammen mit dem Schweizer Schriftsteller Charles Ferdinand Ramuz 1918, gleich nach Ende des 1. Weltkrieges mit sparsamsten Mitteln für sieben Musiker, Sprechstimmen und Tänzerin. Auf der Aufnahme gibt es die deutsche Fassung in der stimmigen Nachdichtung von Hans Reinhart.

Faust lässt die Geige des Soldaten, Sinnbild seiner Seele, unsentimental, gleichwohl energetisch klingen: ein Klang zwischen Volks- und Virtuoseninstrument, zwischen Himmel, Erde – und Hölle. Denn der Teufel hat seine Hand im Spiel, verführt den Soldaten, ihm für ein Zauberbuch Instrument und Spielkünste zu überlassen.
Zusammen mit einem auf historischen Originalinstrumenten pointiert aufspielendem Sextett aus Klarinette, Fagott, Kornett, Posaune, Kontrabass und Schlagzeug setzt Faust als prima inter pares die Partitur Strawinskys konsequent um. Authentisch aufgeraut im besten Sinne, geht der zwischen Straßenmusik, Jazz und Klezmer changierende Sound ins Ohr – musikalische Arte-Povera, die freilich eine gewisse Stilisierung wahrt, immer auch Kunstmusik ist. Und vor allem origineller Stravinsky: die pfeffrigen Rhythmen, die attraktiv angeschrägten Harmonien, die eingängig spröden Melodien und schließlich die originelle Instrumentierung sind nicht umsonst für spätere Komponisten wie Kurt Weill ein Vorbild geworden.

Nicht weniger wichtig als die musikalische Seite ist die Rolle des Erzählers und der handelnden Figuren, die in diesem Fall einem einzigen Sprecher anvertraut sind: dem Schauspieler Dominique Horwitz, der mit dem Werk bestens vertraut ist.
Sein Vortrag siedelt das Stück zwischen greller Jahrmarkts-Farce und Kasperle-Faust an, mischt virtuos Komik mit Tragik, immer ganz nah am Leben. Der Teufel darf schmeicheln, krächzen, lallen und keifen; der Soldat gewinnt als verirrter Jedermann ein durchaus individuelles Profil. Auf der gut ausgehörten Studio-Bühne entsteht so eine packende Synthese aus Worten und Musik, die noch lange nachklingt.



Georg Henkel

Besetzung

Dominique Horwitz (Sprecher), Isabelle Faust (Violine), Alexander Melnikov (Klavier), Lorenzo Coppola (Klarinette), Javier Zafra (Fagott), Reinhold Friedrich (Kornett), Jörgen van Rijen (Posaune), Wies de Boeve (Kontrabass), Raymond Curfs (Schlagzeug).
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