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Viento Divino
Info
Musikrichtung:
Metal
VÖ: 17.05.2019 (Pure Steel / Soulfood) Gesamtspielzeit: 47:51 Internet: http://www.facebook.com/profile.php?id=100063706443403 |
Nanu, was ist denn bei Zarpa passiert? Das Cover des neuen Albums Viento Divino zeigt diesmal nicht eines der seltsam gezeichneten Monster aus der Feder von Chefdenker Vicente Feijóo, sondern eines, von dem man im Raumanzug nur die schädelartige Gesichtspartie sieht, wobei außerhalb der raumschiffartigen Struktur gerade ein riesiger Atompilz deutlich macht, dass da irgendwelche anderen Wesen, vermutlich die Erdlinge, gerade eher schlechte Karten haben. Vom Zeichenstil her wirkt das für Feijóo-Verhältnisse jedenfalls ungewohnt realistisch und elegant – und die nächste Überraschung lauert, wenn man feststellt, dass der Chef gleich vier der zehn Songs zusammen mit seinem neuen Zweitgitarristen Serafín Mendoza verfaßt hat. Der war auf dem Vorgängeralbum Dispuestos Para Atacar zwar auch schon dabei, aber offenbar erst so kurzfristig eingestiegen, dass er sich kreativ nicht mehr einbringen konnte – nun hat er Feijóo offenbar überzeugt. Das ergibt gleich im Opener „Al Despertar“ freilich ein Problem: Einer der beiden hatte den Einfall, hier neoklassische Leads einzubringen, wie es sie bei Zarpa bisher nur sehr selten zu hören gab, und während die Licks im Hauptteil des Songs durchaus gekonnt eingepaßt sind, schwebt das Hauptsolo wie ein totaler Fremdkörper über dem instrumentalen Unterbau. Zum Glück bleiben solche Fälle eher selten – sie würden auch nicht unbedingt in die generelle Linie des Albums passen: Zarpa haben den grundsätzlichen Kauzigkeitsfaktor weiter reduziert, wenngleich ihr Metal natürlich immer noch nicht massenkompatibel ist und wohl auf ewig ein Undergroundthema bleiben wird. Und das flottere, aber vielschichtige „Corazón De Dragón“ macht klar, dass man auch nach wie vor mit überraschenden Wendungen rechnen muß, wobei die Kombination hier durchaus funktioniert, einen gewissen Dramatikfaktor induziert und zugleich demonstriert, dass Feijóo die aktuellen Limits seiner Stimme bewußt sind: Wenn er die flächigen Midtempolagen verläßt und in höhere Kreischlagen wechselt, gerät er an seine aktuellen Grenzen, und bevor er die überschreitet, mischt er lieber den nächsten Gitarrenpart so dominant ein, dass man seine Grenzüberschreitung nicht mehr offensiv wahrnimmt. Daran erkennt man den alten schlauen Fuchs – und auch daran, dass er die Songs meist so zuschneidet, wie sie seiner aktuellen Tessitur am besten entsprechen. Auch die dominierenden Klargesangspassagen gehen also beispielsweise in „La Bestia“ nicht über eine bestimmte Höhe hinaus, wobei dort das Phänomen auftritt, dass der Vokalist beim Abstieg aus der Höhe bisweilen nicht ganz dort landet, wo er gern hinwill – meistens ist das in ähnlichen Fällen ja andersherum, also bei den Spitzentönen. Das ist so eines der Elemente, die Zarpa nach wie vor etwas kauzig machen und dafür sorgen, dass so mancher Anhänger klassischen Metals die Spanier nicht so richtig ernstnimmt, obwohl es auch auf dem neuen Album wieder so mancherlei Hörenswertes gibt und man beispielsweise in „Centinelas De La Tierra“ und „Yo Contra El Mundo“ überrascht feststellt, dass der grundsätzliche Songaufbau bis zum Einsetzen des Gesangs in ähnlicher Weise durchaus auch von Saxon hätte gestaltet werden können. Auch so manches Detail gewinnt man lieb, etwa das überraschende, aber wirkungsvolle Akustikbreak in „Centinelas De La Tierra“. Und dann kommt „La Bestia“ um die Ecke, der zweite von Mendoza mitgeschriebene Song – und wieder gibt es da diese neoklassischen Leads, diesmal aber durchgehend gekonnt eingepaßt, ohne freilich die ganzen Schweden oder Italiener oder auch Landsleute wie Dark Moor zu kopieren.
Bei der LP-Version hat man jetzt die Scheibe umzudrehen und wird auf der B-Seite mit dem Titeltrack begrüßt, in dem speziell das sehr aggressive Drumming von Bienve Godoy auffällt, aber auch die sehr atonale Anlage des ersten Solos, ein Stilmittel, das man bei Zarpa schon auf vorherigen Alben gelegentlich vorfand, wohingegen das zweite Solo die Erwartungen des Traditionsmetalhörers deutlich stärker erfüllt. „El Día Final“ ist der dritte von Mendoza mitgeschriebene Song und entpuppt sich als völlig ungewöhnlicher, progressiv angehauchter Power Metal, wie man ihn von Zarpa nie zuvor zu hören bekam. Anhand Feijóos Stimme ist die Nummer zwar problemlos dieser Band zuzuordnen, aber auch der Chef singt hier mal kurz eine operettenhafte (!) Linie, und die klassischen Einflüsse ziehen sich latent durch weite Teile der Nummer, unterstützt noch durch eine markante Hammondorgel. Wenn es eines Beweises bedurfte, dass neue kreative Einflüsse hochkarätige Ergebnisse zur Folge haben können, so liegt er mit diesem Song vor – aber „Los Ojos De Ibrahim“ beweist gleich im Anschluß, dass es dieser Konstellation nicht zwingend bedarf und Feijóo auch im Alleingang noch richtig starke Songs zimmern kann, wobei hier der schnellste der Scheibe herausgekommen ist, was bei Zarpa ungefähr das Tempo der schnellsten Deep-Purple-Nummern bedeutet, an die die Nummer wegen der markanten Hammondorgel auch ein wenig erinnert, wobei das Intro nahöstlich geprägte Skalen einführt, die man aus dem Zarpa-Schaffen auch schon kennt und die im geschichtlichen Kontext an die Zeit der Maurenherrschaft über die iberische Halbinsel erinnern. Die sich eher behäbig öffnende Büchse der Pandora und das seinem Titel entsprechende Blitztempo schließen das Album eher auf durchschnittlichem Niveau ab, wobei die großartige Hinleitung zum Refrain des letzteren einer rapiden Ernüchterung weicht, denn hier wirkt der Refrain wieder mit den Instrumenten überhaupt nicht zusammengehörig (und nein, hier hat Mendoza nicht mitgeschrieben, sondern statt dessen an der Büchse der Pandora, die interessanterweise ohne jegliche Klassikeinflüsse auskommt – er ist also nicht auf solche limitiert). So rahmen ausgerechnet die beiden größten Problemfälle ein sonst die gewohnte Zarpa-Qualität erreichendes Album, das man als Freund der Band bedenkenlos seiner Kollektion zuschanzen kann und das zugleich klarmacht, dass die Formation auch nach vielen Alben immer noch für den einen oder anderen neuen Einfall gut ist.
Roland Ludwig
Trackliste
1 | Al Despertar | 5:31 |
2 | Centinelas De La Tierra | 5:43 |
3 | Corazón De Dragón | 3:46 |
4 | Yo Contra El Mundo | 5:22 |
5 | La Bestia | 5:33 |
6 | Viento Divino | 5:04 |
7 | El Día Final | 3:58 |
8 | Los Ojos De Ibrahim | 4:31 |
9 | La Caja De Pandora | 4:34 |
10 | Tiempo De Luchar | 3:44 |
Besetzung
Serafín Mendoza (Git)
Vicente Romero (B)
Bienve Godoy (Dr)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |