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Sinfonie Nr. 6-8 „Die Tageszeiten“ – Serenade Nr. 6 KV 239 (Haydn 2032 | Vol. 10)
Info
Musikrichtung:
Klassik Orchester
VÖ: 02.07.2021 (Alpha / Note 1 / CD / 2019 / Best. Nr. Alpha 686) Gesamtspielzeit: 78:36 |
ANSTECKENDE KLANGLUST
In den 1990er Jahren „rockte“ Giovanni Antonini mit „Il Giardino Armonico“ Antonio Vivaldis Konzerte. Nicht allen gefiel die effektvolle Zuspitzung und neue Wildheit in der Alten Musik. Mancher Einfall verbrauchte sich mit der Zeit, anderes machte Schule. Jedenfalls haben Antonini & Co. die lange Zeit doch eher traditionelle Barockmusikwelt Italiens aus dem vibratoseligen Legato-Sostenuto-Schlummer geweckt.
Mit den aus der Beschäftigung mit Vivaldi & Co. gewonnenen Möglichkeiten erschließt sich die Formation seit einiger Zeit schon den Sinfonien-Kosmos Franz Joseph Haydns. Bis 2032, Haydns 300. Geburtstag, sollen sämtliche seiner 107 Sinfonien in neuen, „spektakulären“ (O-Ton der Projektseite) Einspielungen vorliegen, wobei sich unter Antoninis Stabführung sein „Harmonischer Garten“ mit dem Kammerorchester Basel abwechselt. Denn: Auf jeder Folge werden Haydns Sinfonien mit weiteren Stücken, auch von anderen Komponisten späterer Epochen, kombiniert – kommentierend, ergänzend, um Haydns Modernität und Genie zu unterstreichen. Von wegen „Papa Haydn“!
Inzwischen ist man bei Folge 10 angekommen und präsentiert einen Hit aus Haydns früher, sozusagen noch nachbarocker Schaffensphase: Die sinfonische Trilogie „Die Tageszeiten“ mit ihren programmatisch-illustrativen Elementen sind bei Antonini und seiner Truppe gut aufgehoben. Die Musik, bei der Haydn ein Füllhorn von Einfällen ausbreitet, gehört nicht umsonst zu seinen bekanntesten Kreationen.
Antonini rückt der Musik durchaus mit dem „Vergrößerungsglas“ (nicht aber mit dem „Vergröberungsglas“) auf die Noten. Dabei verliert er aber nie den Blick fürs Ganze. Was es da alles zu entdecken gibt! Schon der Beginn der „Morgen-Sinfonie“ Nr. 6 klingt ungewöhnlich genug: Die kurze Heraufkunft der Dämmerung und Morgenröte wird mit seinen fahl pulsierenden Klängen wie eine Vorahnung Neuer Musik inszeniert. In dieser Manier geht es weiter, bis zum hochenergetischen nächtlichen Sturmgebrause im Finalsatz der „Abend-Sinfonie“: Mit Freude an der plastischen Ausformulierung von Gesten, Bewegungen, Rhythmen, dynamischen und orchestralen Kontrasten. Da steckt doch noch einiges von Vivaldi im Haydn! Sinfonische Konzerte sind das. Ein Laboratorium, das den Ideenreichtum des Komponisten mit großer Klanglust, Temperament, Witz und Humor vor Ohren führt. Instrumentale Arien, Rezitative, Tänze, virtuose Solonummern - man kommt aus dem Staunen nicht heraus, was alles an Musik in 13 Sätzen Platz findet!
Einige dynamische und artikulatorische Spitzen mögen vielleicht wie einst bei Vivaldi etwas zu gewollt, eher spektakulös als spektakulär klingen, vor allem bei der Mozart-Zugabe lässt man ordentlich die paukenverstärkten Streichermuskeln spielen. Man kann Antonini und seiner Truppe aber nicht vorwerfen, dass sie inkonsequent wären, wenn es darum geht, das sattsam Bekannte neu und frisch klingen zu lassen. Aus dem Moment heraus hat das immer eine große Stimmigkeit, die nicht ertüftelt, sondern eher der Spontaneität eines inspirierten Livekonzerts abgelauscht wirkt. Tontechnisch ist man bei diesem Konzert ganz vorne mit dabei. Diese Klanglust ist durchaus ansteckend!
Georg Henkel
Trackliste
14-16 Mozart: Serenade Nr. 6
Besetzung
Giovanni Antonini, Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |