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Reviews

Veronica Swift

This Bitter Earth


Info

Musikrichtung: Vocal Jazz - Fusion

VÖ: 19.03.2021

(Mack Avenue)

Gesamtspielzeit: 61:13

Internet:

https://www.veronicaswift.com/home
https://www.mackavenue.com/
https://www.martinaweinmar.de/

In Verbindung mit der 1994 geborenen US-amerikanischen Jazzsängerin Veronica Swift habe ich bereits vielerorts viel Positives, mitunter sich vor Begeisterung Überschlagendes gelesen. Die aus einer Musikerfamilie stammende Musikerin spielte bereits im Alter von neun Jahren ein erstes Album ein! Und das zweite erschien nur vier Jahre später.

This Bitter Earth ist nun die Nummer Sieben. Ein Blick auf die Trackliste lässt erkennen, dass sich nicht eine Eigenkomposition auf der Platte befindet. Vielmehr wurde auf einige bekannte Songs des Great American Songbooks zurückgegriffen, wie von Rodgers/Hammerstein II, von George & Ira Gershwin, von Van Heusen/Cahn und auch auf die Singer/Songwriterin Carole King. Die Auswahl dieser und weiterer Titel ließe die Vermutung zu, dass sich die Ausrichtung der Musik auf Jazz, Musical, Rhythm & Blues und Pop/Pop-Rock sowie das Genre Singer/Songwriter erstrecken könnte.

Die Platte startet mit dem Titelsong, einem Song von Clyde Otis, ein Song, der für mich stets in Verbindung steht mit der 1960er Interpretation von Dinah Washington. War diese Version stark mit Streichern unterlegt und ein zu Herzen gehender sehr emotionaler Song, so ist die Version von Veronica Swift sehr reduziert im Ausdruck, nur Piano und Streicher als Arrangement. Nun, die wuchtige Ausdruckskraft von Dinah wird eh nicht erreicht, so dass dem Song hier eine sehr eigene Note verpasst wurde, mit einem dicken Hauch Dramatik. So klingt es eher, als wäre es in die Schublade Singer/Songwriter zu stecken. Die von einer Jazz-Sängerin erwartete Musik stellt sich dann erst mit dem zweiten Titel ein.

Allerdings ist "How Lovely To Be A Woman" auch kein klassischer Jazz-Song, er stammt aus einem Musical, "Bye Bye Birdie". Emmet Cohen am Piano trägt mit seinem Solo dann rasch, unterstützt von den swingenden Begleitern, dazu bei, dass wir schließlich im Jazz angekommen sind. Und Veronica - was macht sie? Sie spielt mit ihrer Stimme, lässt sie geschmeidig melodiöse Bögen schlagen, wirft kurze Scat-Passagen ein und - erinnert mich ganz gewaltig sofort an Ella Fitzgerald!

Und genau das lässt mich im Verlauf der ganzen Platte auch nicht los. Und so war die Protagonistin auch bereits auf Tournee mit James Tormé, das ist der Sohn von Mel Tormé, und zusammen trugen sie Songs von Ella und von Mel vor. So wurde Veronica auch bereits als zweite Ella gefeiert. Doch - hier sollte man vorsichtig sein! Denn Ella ist Ella, Ella kann man nicht ersetzen oder fortführen. Und diese Gefahr sehe ich ein wenig bei Veronica Swift.

Die Sängerin verfügt über eine exakte Phrasierung, über ein gutes Stimmvolumen, über einen großen Umfang in den Tonlagen und auch viel Gefühl beim Singen. So sehe ich sie nicht allein als reine Jazz-Sängerin in ihrem Ausdruck. Sie könnte durchaus eine Grauzone beackern, nämlich jene im Niemandsland zwischen Jazz und dem Genre Singer/Songwriter. Darüber hinaus meine ich, dass sie unbedingt ihre eigene Stimme, ihren eigenen Ausdruck finden sollte. Ich erinnere an Madeleine Peyroux, bei der anfänglich auffiel, wie sehr sie doch wie Billie Holiday klang. Sie hat sich davon befreien können und einen eigenen Stil entwickelt, auch innerhalb des großen Raumes von Jazz.

Ich verweise auch auf den Song von Robert and Richard Sherman, "Trust In Me", aus dem "Dschungelbuch", das ist die Schlange Kaa, die hier um Vertrauen wirbt. Die hier vorliegende Version ist ein gutes Beispiel dafür, wie man im Jazz-Idiom als Jazz-Sängerin einen Nicht-Jazz-Song perfekt vorstellen kann. Zwar mag Ella immer noch ein wenig durchklingen, doch sehe ich bei solchen Songs die Möglichkeit der Entwicklung eines eigenständigen Profils. Ähnliches gilt für den Titel von Gerry Goffin und Carole King, "He Hit Me(And It Felt Like A Kiss)". Und zum Schluss dann der vielleicht ungewöhnlichste Fremdsong der Platte, "Sing" von The Dresden Dolls aus Boston, Massachusetts, einer unter anderem durch ihre Art von Indie- oder Alternative Rock bekannt gewordenen Band.

"Sing" ist für mich ein weiteres und sehr gutes Beispiel dafür, wie man sich eine Fremdkomposition aus einem ganz anderen Genre als Jazz vornehmen und ihn zu etwas ganz Neuem umgestalten kann. Und genau hier sehe ich die Stärke der Protagonistin, und natürlich in Verbindung mit allen hochklassigen Musikern dieser Produktion, ein absolut eigenes Profil zu entwickeln und sich nicht dauerhaft als Ella Fitzgerald-Epigonin zu verdingen.



Wolfgang Giese

Trackliste

1 This Bitter Earth (4:26)
2 How Lovley To Be A Woman (4:09)
3 You’ve Got To Be Carefully Taught (5:14)
4 Getting To Know You (6:18)
5 The Man I Love (4:48)
6 You’re The Dangerous Type (4:23)
7 Trust In Me (5:18)
8 He Hit Me [And It Felt Like A Kiss] (2:08)
9 As Long As he Needs Me (4:55)
10 Everybody Has The Right To Be Wrong (2:50)
11 Prisoner Of Love (4:45)
12 The Sports Page (6:19)
12 Sing (5:44)

Besetzung

Veronica Swift (vocals)
Emmet Cohen (piano – #1-7,9-13, celste – #4)
Armand Hirsch (acoustic guitar – #8, electric guitar – #13)
Yasushi Nakamura (acoustic bass – #2-7,9-13)
Bryan Carter (drums – #2-7,9-13)
Lavinia Pavlish (violin – #1,3,4,13)
Meitar Forkosh (violin – #1,3,4,13)
Andrew Griffin (viola – #1,3,4,13)
Susan D. Mandel (cello – #1,3,4,13)
Aaron Johnson (alto saxophone – #6, bass flute – #7, flute – #7)
Steven Feifke (background vocals – #13)
Ryan Paternite (background vocals – #13)
Will Wakefield (background vocals – #13)
Stone Robinson Elementary School Choir (background vocals – #13)
Walton Middle School Girls Choir (background vocals – #13)
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