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Membra Jesu nostri – Da Jesus an dem Kreuze stund u.a.
Info
Musikrichtung:
Barock Kantate
VÖ: 26.03.2021 (Harmonia Mundi / Harmonia Mundi / 2 CD / DDD 2020 / Best. Nr. HMM 902350.51) Gesamtspielzeit: 123:00 |
TROSTMUSIK
Man darf sehr dankbar sein, dass im vergangenen Jahr auch unter Coronabedingungen einige Konzerte stattfinden und Aufnahmen gemacht werden konnten – und dies in herausragender Qualität. Von pandemiebediebedingtem Stress zumindest spürt man nichts bei der jüngsten Aufnahme des Ensemble Correspondances. Das zweistündige Programm kreist um die Passion Jesu und bündelt dazu Kompositionen des 17. Jahrhunderts vor allem von Dietrich Buxtehude und Heinrich Schütz. Nicht zuletzt wegen der gegenwärtigen Umstände gewinnt diese Produktion eine Aktualität über das rein Ästhetisch-Musikalische hinaus. Auch unabhängig vom barock-christlichen Kontext können diese Werke im besten Sinne als spirituelle „Trostmusiken“ gehört werden, vor allem, wenn sie derart verfeinert und ausdruckstief dargeboten werden wie hier.
Die erste CD ist Buxtehudes „Membra Jesu nostri“ gewidmet, einer meditativen Betrachtung des Körpers des Gekreuzigten: die geschundenen Füße, Knie, Hände, die Seite, Brust, das Herz und Antlitz werden in jeweils einer eigenen kurzen Kantate den Zuhörenden vor die inneren Augen gestellt. Der zugrundeliegende Text stammt aus dem 13. Jahrhundert. Buxtehude hat dieses Zeugnis hochmittelalterlicher Passionsfrömmigkeit in seiner lateinischen Form belassen und in ergreifende Musik gesetzt.
Kunstvoll verschlungene, schmerzvoll-schöne Chorsätze und innige Strophenarien wechseln miteinander ab. Ensembleleiter Sébastien Daucé hat aus einem in Uppsala aufbewahrten Manuskript des dortigen Hofkapellmeisters Gustav Düben eine eigene Fassung erstellt, die in dem kleinen Begleitensemble u. a. eine zusätzliche Bratschenstimme vorsieht, was den Instrumentalklang auf stimmige Weise dunkler färbt. Auch werden die fünf Singstimmen in den Chorparts verdoppelt, so dass das vokale Panorama weiter wirkt als bei den solistischen Fassungen. Die Klang- und Farbsensibilität, die das Ensemble in der Befassung mit französischen Komponisten entwickelt hat, frappiert auch bei der herberen deutschen Musiksprache. Die ideale Balance aus Beredtheit und Stimmschönheit katapultiert diese Aufnahme in die Spitzengruppe des in zahlreichen sehr guten Interpretationen vorliegenden Werks.
CD Nr. 2 bietet auf gleichem Niveau eine Reihe kürzerer Werke, darunter eine sehr verinnerlichte Darstellung der sieben letzten Worte Jesu in einer musikalischen Meditation von Heinrich Schütz, „Da Jesus an dem Kreuze stund“. Um einiges strenger als Buxtehudes „Membra“-Vertonung, erinnert Schütz‘ Komposition an eine klingende Passions-Ikone, doch die Intensität der Darbietung ist nicht weniger stark und in jedem Stimmeinsatz oder instrumentalen Zwischenspiel genauestens ausgehört – so wird aus der auch kriegsbedingten Askese Schütz‘ eine „kostbare Einfachheit“.
Unter die Haut geht auch Buxtehudes „Klag-Lied: Muß der Tod den auch entbinden“, das der Komponist auf den Tod des eigenen Vaters schrieb. Die expansive, zwei Oktaven umfassende, sich zum Himmel ausstreckende Solopartie wird von Lucile Richardot mit ihrer charaktervollen Contralto-Stimme und nahezu akzentfreiem Deutsch in einer Haltung unerschütterlicher Ergebung dargeboten.
Von den verbleibenden Werken ist als Repertoire-Exot eine kurzes Lamentum des schwedischen Komponisten Lüdert Dijkman bemerkenswert; dieses Fundstück zeigt, wie reich die protestantische Musikwelt des 17. Jahrhunderts auch jenseits der großen Namen ist.
In der romanischen Abteikirche von Saintes kann die Musik angemessen auf- und nachklingen.
Georg Henkel
Trackliste
Schütz: Da Jesus an dem Kreuze stund SWV 478 (Die sieben Worte unsers lieben Erlösers); Erbarm dich mein, o Herre Gott SWV 447
Dijkman: Lamentum eller En Sorge-Music
Besetzung
Sébastien Daucé, Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |