Reviews
Officina Romana
Info
Musikrichtung:
Barock
VÖ: 19.03.2021 (ARCANA / Outhere Music / Note 1 / CD / 2020 / Best. Nr. A 485) Gesamtspielzeit: 68:30 Internet: Le Stagioni Carlo Vistoli |
KUNSTSINNIG
Man muss sich Rom um 1700 als einen Ort denken, der wie ein Brennglas aller künstlerischen und musikalischen Entwicklungen seiner Zeit war, ja, an dem Musik aus jeder Kirche, jedem Palazzo drang und sich die hohen Herren zu überbieten suchten, wenn es darum ging, die beste musikalische Abendunterhaltung zu bieten. Insofern ist die hier imaginierte Soirée im Hause eines Kurienkardinals zu Rom am Anfang des 18. Jahrunderts ein geschickt gewähltes Bindeglied, um Werke zu präsentieren, die einerseits durch ihre Bandbreite unterhalten und andererseits zeigen, wie sich die unterschiedlichen Komponisten und Strömungen wechselseitig beeinflussten. Auf diese Weise ist gleichermaßen Platz für Trionsonate, Sonate, Opern- und Oratorienarie sowie Kammerkantate, für große Namen wie Händel, Corelli und Scarlatti, wie für randständiges Repertoire von Cesarini oder Haym.
Das Ensemble Le Stagione unter Leitung des Cembalisten Paolo Zanzu vermag dabei durch ein sehr alertes, pointiertes Spiel nicht nur zu überzeugen, sondern selbst in eigentlich wohl bekannten Stücken zu überraschen, ohne jedoch effekthascherisch ins Extreme zu fallen. Man hört Zanzus Interpretationen an, dass er über viele Jahre mit William Christie und John Eliot Gardiner zusammengearbeitet und dabei das Beste aus beiden Welten mitgenommen hat. Da bleibt keine Farbe unbeleuchtet, keine Phrasierung banal und doch ist alles von einer großen Leichtigkeit durchzogen.
Bemerkenswert ist dabei häufig auch der Effekt der Originalinstrumente, so etwa die so gar nicht fragile, sondern sehr präsente Blockflöte mit ihrem fast schon bauchig-reichen Ton in Händels Triosonate und Scarlattis "Bella dama". Oder auch das Cristofori-Fortepiano, das einen so überaus charmanten Klangreichtum entfaltet, dass man bei Domenico Scarlattis Sonata K 12 sogleich bedauert, dass nur das eine dieser Werke auf der CD Platz gefunden hat. Auch die Barockgitarre im Continuo ist für manch interessanten Farbtupfer gut.
Die Vokalpartie versieht der Countertenor Carlo Vistoli stark deklamatorisch, darauf abzielend, jedem Wort Bedeutung und angemessenen Ausdruck zu geben, wobei er dafür in Kauf nimmt, dass die Stimme gelegentlich eine herbere Färbung abbekommt. Das ist im barocken Repertoirebetrieb unserer Tage, der meist eher auf Wohklang und Virtuosität zielt, gewöhnungsbedürftig, aber spannend und verleiht den Arien dramatisches Gewicht bei fast schon psychologischer Figurenzeichnung. Mal um Mal stellen Sänger und Orchester Effekte und Verzierungen dabei durch minimale Pausen oder Rubati frei, was Raum gibt für etwas mehr Experimentierfreude und Verblüffungseffekte.
Alles in allem also ein wirklich bunter, erfrischen innovativer römischer Abend, bei dem man gerne als Hörer zu Gast ist.
Sven Kerkhoff
Trackliste
2 C.F. Cesarini: Aria "Che far edggio"
3 G.F. Händel: Aria "Crede l´uom ch´egli riposi"
4 G.F. Händel: Sonata
5 G.F. Händel: Aria "Naufragdano va per l´onde"
6 G.F. Händel: Präludium aus Suite HWV 434
7-8 A. Corelli: Sonata op. 5 Nr. 9 A-Dur
9 A. Scarlatti: Aria "Starò nel mio boschetto"
10 G.F. Händel: Sonmata de l´overtura
11-14 N.F. Haym: Sonata Nr. 1 a-moll/e-moll für Cello und Basso Continuo
15 D. Scralatti: Sonata K12
16-17 G.F. Händel: Triosonata op. 2 Nr. 1 c-moll
18-22 A. Scarlatti: "Bella dama die nome Santa" (Canata per Camera)
Besetzung
Paolo Zanzu: Ltg.
Carlo Vistoli: Countertenor
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |