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Conspiracy Of Fools
Info
Musikrichtung:
Progrock
VÖ: 21.05.2018 (Progressive Promotion) Gesamtspielzeit: 69:56 Internet: http://www.apogee.versus-x.de |
Sechs Songs und doch keine EP: Die Verschwörung der Dummköpfe dauert als Album summiert knapp 70 Minuten. Fünf Longtracks zwischen knapp 12 und reichlich 14 Minuten werden vom nur knapp fünfminütigen „Losing Gentle Control“ ergänzt, das an Trackposition 4 steht und mit seinem Gestus als Akustikballade den gleichen Zweck erfüllt wie der Titeltrack von Transatlantics Bridge Across Forever, also einen Ruhepol zwischen den umstehenden Giganten mit ihren progrockigen Abfahrten zu bilden. Transatlantic können dabei auch als passender stilistischer Anknüpfungspunkt dienen, wobei sich das allerdings am stärksten auf Neal Morses Einfluß zurückführen lassen dürfte, denn dessen Soloschaffen schimmert im Apogee-Material vielleicht sogar noch etwas deutlicher durch, und so manchen harmonischen Fortgang hätte der kreative Amerikaner sicherlich ähnlich gestaltet wie Arne Schäfer, der Apogee-Mastermind, der Conspiracy Of Fools beinahe im Alleingang eingespielt hat. Einzig des Schlagzeugspiels ist er nicht mächtig, und so bildet sein Schwager Eberhard „Ebi“ Graef die andere Hälfte des hier zu hörenden Duos und kümmert sich um ebenjenen Teil der Rhythmusgruppe, wobei er gleichermaßen in fiesen Taktarten vom Leder ziehen als auch songdienlich geradeaus spielen kann und sich bestens in Schäfers Ideenkosmos einfügt. Der Chefdenker hatte zwischen 2015 und 2017 offensichtlich etwas Zeit, als es nicht gelang, seine eigentliche Hauptband Versus X wieder zum Laufen zu bringen, und die nutzte er, um ein neues Apogee-Album, das insgesamt bereits zehnte, zusammenzubasteln. Sein kreatives Füllhorn wies dabei offensichtlich einen guten Pegelstand auf, denn Conspiracy Of Fools versammelt zahlreiche gute Einfälle und läßt sich etliche Male mit großem Interesse und stetiger Entdeckerfreude durchhören, wenngleich, das muß man zugeben, die ganz großen Songs, die man auf eine Stufe mit „Duel With The Devil“ zu stellen geneigt wäre, fehlen. Schäfer zieht, von der Ballade abgesehen, die stilistischen Außengrenzen etwas enger als Transatlantic, deckelt also den Dramatikaspekt ebenso wie den Schwelgefaktor, und das wird zwar manchem, dem Transatlantic etwas zu extrovertiert agieren, vielleicht sogar besser gefallen, aber manch anderer hat eher das Gefühl, auf dem gutklassigen Material würde hier und da noch das eine oder andere kleine Glanzlicht fehlen. Einige davon gibt es durchaus, wozu so manches phantasievolle Gitarrensolo Schäfers zählt, und auch die hier und da eingestreuten Flötenklänge (vermutlich synthetischen Ursprungs, was aber nicht stört) verleihen so mancher Passage eine Extraportion Pfiff im wahrsten Sinne des Wortes. Und obwohl sich auch das Tempospektrum des Materials als relativ begrenzt zeigt, weiß Schäfer doch, wie er eine gewisse Variationsbreite sicherstellen kann, wobei der eröffnende Titeltrack diesbezüglich besonders interessant strukturiert ist, da er nach einigen Minuten eher schleppendem Beginn vom Grundgestus her in ein treibendes Midtempo verfällt, das den Rest des dreizehnminütigen Songs dominiert und ihm einen vorwärtsstrebenden Charakter verleiht. Die Schilderung muß natürlich immer im progrockigen Maßstab gesehen werden – Schäfer bringt die Elektrische durchaus oft zum Einsatz, sowohl im Solobereich als auch für knackigeres Riffing, aber es sollte natürlich niemand erwarten, hier irgendwelche neuen Härterekorde vorgesetzt zu bekommen, selbst für Progrockverhältnisse nicht. Der Fast-Dreizehnminüter „Override Our Instincts“ wiederum arbeitet in der ersten Hälfte markant mit der Akustischen, die Elektrische nur gelegentliche Akzente setzen lassend und im Zentrum eine große Orchesterpassage mit schicksalhaft klingenden Pauken auffahrend, die gekonnt in simple Klavierakkorde zusammenbricht. Der hintere Teil des „Refrains“ ab „Danger“ ist so einer der Teile, wo man mehr oder weniger unwillkürlich denkt, dass das auch Neal Morse hätte einfallen können. Das ist als Kompliment für Schäfer gedacht und auch keineswegs als Vorwurf der Abkupferei – Schäfer ist schließlich schon jahrzehntelang als Musiker aktiv und hat schon zu Zeiten Alben eingespielt, als man in Europa den Terminus Spock’s Beard noch für ein simples Oxymoron hielt: Das Apogee-Debüt The Border Of Awareness erschien zwar erst 1995 und damit nach The Light, aber das 2001 veröffentlichte Apogee-Drittwerk Out Of The Darkness beinhaltete die frühesten, bis dato unveröffentlicht gebliebenen Aufnahmen des Projektes, und die datieren aus den Jahren 1986 bis 1988; zudem gibt es unter den zehn Apogee-Alben noch zwei weitere mit Ausgrabungen von ganz frühem, teilweise auch in Deutsch vokalisierem Material.
Was zumindest anhand der hier vorliegenden Informationen nicht einschätzbar ist, ist der Fakt, ob es sich bei Conspiracy Of Fools um ein Konzeptalbum handelt. Der Aspekt, dass das fünftplazierte „Colors And Shades“ hier und da musikalische Motive aus dem eröffnenden Titeltrack in sehr ähnlicher Weise aufnimmt und verarbeitet, könnte dafür sprechen, und auch die Lyrics behandeln verschiedene Aspekte rund um Wahrnehmung, Meinungsbildung und ähnliche Themenkreise und geben zwar scheinbar kein geschlossenes Konzept, aber doch ein zusammenhängendes Ideenkonstrukt ab, das dann auch mit dem Raumfahrer auf dem Cover korrespondiert, der aufgrund des Lochs in seinem Visier in einer lebensfeindlichen Umgebung schon in der allernächsten Zukunft ziemlich schlechte Karten hätte. Interessanterweise pendeln die Keyboardsounds dann auch zwischen Hammondorgeln und teils leicht spacigen Einflüssen, die man in den Siebzigern mit dem Gedanken des Fortschritts in Beziehung brachte. Andererseits schreckt Schäfer nicht vor althergebrachten Cembalosounds zurück und läßt diese im langen Intro von „The Whispering From Outside“ direkt auf die Hammond und die spaceangehauchten Klänge prallen. Erlaubt ist bei Apogee also, was ihm gefällt und von ihm für nützlich gehalten wird, wenn es um die Songentwicklung geht. Um die nachzuvollziehen, muß man sich naturgemäß viel Zeit nehmen, zumal viele der Melodien eher wenig eingängig ausfallen – ein markanter Unterschied zu Morse, in dessen Material der „Mitsingfaktor“ oft deutlich höher liegt. Dafür gönnt sich Schäfer nicht selten lange zweistimmige Passagen, in „Override Our Instincts“ auch mal in beeindruckende Tiefen sinkend. Wie er das live umsetzen will, darüber braucht er sich ja keine Gedanken zu machen – zumindest in der derzeitigen Form sind Apogee ja sowieso nicht bühnenfähig. Überhaupt stellt die Stimme aber ein Phänomen auf Conspiracy Of Fools dar: Schäfer singt normal im besten Sinne des Wortes, und während man sich während des Openers hier und da noch Gedanken macht, wie das Material mit einem richtig „großen“ expressiven Sänger geklungen hätte, so verschwinden solche Gedanken in den Folgesongs mehr und mehr, und man beginnt die Stimme in diesem Kontext mehr und mehr zu schätzen. Das ist übrigens kein vergehender Gewöhnungseffekt, sondern trat zumindest beim Rezensenten bei jedem neuen Hördurchlauf wieder auf. Da er keines der bisherigen Apogee-Alben akustisch kennt und auch die von Versus X nicht, kann er auch nicht einschätzen, ob die Lage dort ähnlich aussieht. Aber wie auch immer: Wer sich musikalisch im Umfeld von Neal Morse wohlfühlt, ist definitiv kein Dummkopf, wenn er Conspiracy Of Fools ein bis zwei Ohren leiht.
Roland Ludwig
Trackliste
1 | Conspiracy Of Fools | 13:08 |
2 | Incomprehensible Intention | 14:15 |
3 | Override Our Instincts | 12:56 |
4 | Losing Gentle Control | 4:58 |
5 | Colors And Shades | 11:46 |
6 | The Whispering From Outside | 12:52 |
Besetzung
Arne Schäfer (alles andere)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |