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Reviews

Pokolgép

Metál Az Ész


Info

Musikrichtung: Metal

VÖ: 26.04.2019 (1990)

(Skol Records)

Gesamtspielzeit: 59:39

Internet:

http://www.pokolgep.hu

1988 spielten die Ungarn Pokolgép gleich zwei Alben ein, von denen Éjszakai Bevetés 1989 veröffentlicht wurde, während Metál Az Ész erst 1990 das Licht der Welt erblickte – möglicherweise waren schlicht und einfach bei Hungaroton die Kapazitäten knapp, denn das spielte sich ja alles noch zu planwirtschaftlichen Zeiten ab. Wichtig aber war, dass das Material überhaupt herauskam, denn ansonsten wären der Metalwelt zwei richtig starke Alben entgangen. Zu Éjszakai Bevetés kann der Interessent alles Wissenswerte auf www.crossover-netzwerk.de nachlesen, dort anhand eines songseitig dem Original entsprechenden Re-Releases von 2007, während die Grundlage für das hiesige Review ein Re-Release von 2019 ist, der nach den zehn regulären Songs noch vier Bonustracks enthält und vom umtriebigen Bart Gabriel, der auch hinter Skol Records steckt, remastert wurde, ohne freilich das originale Feeling zu zerstören, so dass selbst das bisweilen etwas trockene Klanggewand der Snare erhalten blieb. Selbiges fällt speziell im eröffnenden Titeltrack auf, der nach langer Midtempoeinleitung in Hochgeschwindigkeit umschaltet und mit einem merkfähigen Refrain aufwartet, den auch der Nicht-Ungarisch-Kundige problemlos mitformulieren kann, was natürlich die Identifikation des Hörers mit der Musik enorm erleichtert. Aber die Nummer ist auch so mitreißend genug, um jeden Freund traditionellen Metals fest an die bandnamensgebende Zeitbombe zu ketten, falls er sich dort nicht schon anhand der Vorgängeralben befindet: Metál Az Ész ist in der Pokolgép-Albumzählung bereits Nummer 4, also gab es genügend Gelegenheiten zumindest für das ungarische Publikum, sich dem Schaffen des Quintetts zu widmen. Das geht auf besagtem Viertling mit „Gyülötnek“ erstmal in sehr gemäßigtem Midtempo weiter, bevor „Szabadság Szárnyam“ die Kunst der beiden Gitarristen, geschickt Akustikelemente einzuflechten, offenbart, die der Stammanhänger der Band freilich auch schon mindestens seit dem Albumvorgänger kannte und die dadurch entstehenden interessanten Strukturen zu würdigen wußte. Die frühere A-Seite der LP endet mit zwei geradlinigeren und flotteren Power-Metal-Nummern, wobei „Indulj!“ mit Motorengeräuschen ausstaffiert wurde, also möglicherweise in einem entsprechenden Milieu angesiedelt ist, wobei die einzigen Schlagworte des Textes, die man auch als Nichtangehöriger der finno-ugrischen Sprachgruppe ohne weitere Unterstützung verstehen kann, diese Deutung eher nicht unterstützen. Das allwissende Internet schafft Abhilfe – die Deutung ist in der Tat unrichtig: Das Motorengeräusch stammt von einem Verkehrsmittel, mit dem ein junger Metaller zu seinem ersten Konzert gelangt.
Hatte den Titeltrack der eine Gitarrist, László Nagyfi, verfaßt, ist der andere Gitarrist, Gábor Kukovecz, Songwriter der weiteren vier Nummern der A-Seite. Die B-Seite hebt nun abermals mit einer nach mittleren Tempolagenbedienung in Speed umschaltenden Nummer an – wir erinnern uns: So war auch der Titeltrack strukturiert, und wie diesen hat auch „Engedj!“ Nagyfi geschrieben. Sollte eine Arbeitsteilung zwischen den Gitarristen bestehen, dass der eine die schnellen Songs schreibt und der andere die nicht so schnellen? Auf dem Vorgängeralbum war eine solche Splittung nicht erkennbar gewesen, und auch hier zerstört Song 7, „A Kitaszított“, das schöne Gedankengebäude, denn auch Kukovecz läßt Drummer László Tarcza hier seine Snare in schneller Schlagfolge bedienen, wenngleich die Betonungen hier auf eine andere Zählzeit kommen als in „Engedj!“ und die Nummer dadurch ein ganz anderes Feeling erhält, hier und da fast ein wenig punkig wirkt. Auch in umgekehrter Richtung wird kein Schuh aus der Aufteilungskonstellation, stellt der Hörer anhand von „Ne Bántsò A Fiút“ fest, denn diesen kräftigen Stampfer hat wiederum Nagyfi geschrieben, wobei das Arrangement des Refrains hier fast ein wenig an die großen Kollegen von Ossian erinnert, während das Intro in der Gitarrenharmonisierung latent die noch größeren Kollegen von Iron Maiden reminisziert, freilich nicht in der Deutung, dass hier etwa eine Kopie vorläge – es ist ein vermutlich unbewußter Anklang, nicht mehr und nicht weniger, wobei von der grundsätzlichen stilistischen Ausrichtung her Pokolgép im Zweifel sowieso näher an Judas Priest als an Iron Maiden siedeln, was indes wiederum nicht als bewußte Anbiederung mißverstanden werden soll. Allein die Vokalisten liegen schon so deutlich auseinander, dass niemand auf die Idee kommen würde, hier mehr als gelegentliche Parallelen zu sehen. Auch im Remastering ist József Kalapács allerdings etwas zu weit in den Hintergrund gemischt, und so kann man nicht jede Gesangsmelodie angemessen würdigen, muß im Umkehrschluß aber auch nicht die gelegentlichen Momente, wo der Sänger in nicht bis zu Ende gedachtes Shouting wechselt, übermäßig beachten. Generell fällt allerdings auf, dass die B-Seite des Albums im Schnitt deutlich flotter angelegt ist als die A-Seite: Auch „Késö Hösnek Lenni“ kommt im Speedtempo zum Ziel, und der originale Albumcloser „A Dal Érted Él“ wechselt zwischen treibendem Midtempo und Speedpassagen. Der Energietransport des Quintetts klappt also abermals tadellos, die Spielfreude ist unüberhörbar, und nur wer auf dem Vorgänger die Filigranität der Wechsel zwischen akustischen und härteren Passagen besonders geschätzt hatte, wird auf Metál Az Ész nicht so häufig fündig, wenngleich er wie beschrieben nicht völlig leer ausgeht, was auch verwunderlich gewesen wäre, lautet der Albumtitel wörtlich übersetzt doch „Metal ist Hirn“ (übrigens eine Anspielung auf einen in die ungarische Alltagssprache übergegangenen Ausspruch des Dichters Attila József, hat ein ungarischer Bekannter dem Rezensenten berichtet – selbiger Spruch lautet eigentlich „Megáll as ész“, heißt wörtlich übersetzt „Das Hirn hört auf“, bedeutet also soviel wie „Die Kinnlade klappt herunter“), und das wäre nicht gegeben, wenn Pokolgép einfach sinnbefreit draufloslärmen würden.
Ebendies tun sie auch in den vier Bonustracks, die bereits 1990 auf der CD-Version von Hungaroton und auch auf dem 2012er Re-Release von Hammer Records enthalten waren, nicht. Das Booklet des Re-Releases, das alle Texte des Originalwerkes sowie einige historische Fotos, u.a. eins, wo die Musiker mit Schnee auf den Köpfen auf dem Cover einer ungarischen Metal-Hammer-Ausgabe posieren, enthält, schweigt sich über die konkrete Herkunft der Boni, die das Werk summiert auf eine knappe Stunde Spielzeit bringen, aus, wobei lediglich klar ist, dass sie spätestens 1990 entstanden sein müssen, also vermutlich noch in der Stammbesetzung eingespielt wurden. Die ersten drei Songs sind dabei als Neueinspielungen gekennzeichnet, und die Positionierung der Originale im Schaffen der Band bereitet keine Probleme: Die beiden Speedies „Valtomás“ und „Újra Megszületnék“ stammen original vom Zweitling Pokoli Szinjátek, der Stampfer „Bon Scott Emlékére“ hingegen, der in der neuen Fassung keinerlei AC/DC-Anklänge enthält, vom Debüt Totális Metál – nur über den konkreten Grund für die Neueinspielung ist rein anhand der CD nichts herauszufinden, ebensowenig über Herkunft und Anlaß des abschließenden Instrumentals „1990“, das als reines Gitarrensolowerk anhebt, sich dann aber zu einer schönen entspannten Midtemponummer in voller Instrumentierung aufschwingt, der in einigen Passagen auch noch Keyboards zur zusätzlichen Atmosphäreerzeugung beigegeben wurden und die trotz überschaubarem Einsatz der musikalischen Mittel über ihre ganze Spielzeit von mehr als sieben Minuten hinweg zu keinem Zeitpunkt langweilt. So hat dieser Re-Release einen nicht wegzudiskutierenden Mehrwert gegenüber dem sowieso schon starken Original, das zugleich das letzte Studiowerk Pokolgéps in ihrer klassischen Besetzung bilden sollte, da sich Sänger Kalapács und Gitarrist Nagyfi nach dem gleichfalls 1990 erschienenen Livealbum Koncertlemez abseilten und (nachdem Nagyfi mit Kukovecz noch die Songs für das erste Album des Metal-Lady-Projektes um die Sängerin Ilona Biró geschrieben und eingespielt hatte) eine eigene Formation namens Omen gründeten, die wie auch Pokolgép selbst heute noch existiert, wenngleich nicht mehr mit Kalapács in ihren Reihen, der wiederum unter eigenem Namen eine Band führt. So beweist sich die Zeitlosigkeit der Musik auch in der Kontinuität des Schaffens, und wer als Ungarn-Metal-Liebhaber Metál Az Ész noch nicht in der Kollektion stehen haben sollte, bekommt mit dem vorliegenden Re-Release einen starken Anreiz, diesem Zustand ein Ende zu bereiten. Wer das Werk lieber als Vinyl erwerben, aber zu diesem Zweck nicht auf die Suche nach einem Exemplar der 1990er Pressung von Favorit, einem Sublabel von Hungaroton, gehen möchte, hat dazu mit einem 2020er Re-Release von High Roller Records (in drei Farben) gleichfalls Gelegenheit, muß allerdings auf die vier Bonustracks verzichten.



Roland Ludwig

Trackliste

1Metál Az Ész4:43
2Gy?lölnek4:20
3Szabadság Szárnyain5:06
4Egy Az Isten: Rock’n’Roll3:22
5Indulj!4:17
6Engedj!3:41
7A Kitaszított4:02
8Ne Bántsd A Fiút4:14
9Késö Hösnek Lenni3:35
10A Dal Érted Él4:39
11Vallomás2:53
12Újra Megszületnék3:29
13Bon Scott Emlékére3:21
1419907:40

Besetzung

József Kalapács (Voc)
László Nagyfi (Git)
Gábor Kukovecz (Git)
György Pazdera (B)
László Tarcza (Dr)
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So bewerten wir:

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19 bis 20 Überflieger