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Reviews

M-16

Locked And Loaded


Info

Musikrichtung: Melodic Rock / Metal

VÖ: 24.09.2018

(Progaor)

Gesamtspielzeit: 41:48

Internet:

http://www.m16rocks.com/

Hier haben wir einen klassischen Fall eines Schafes im Wolfspelz vor uns. Das M-16 war jahrzehntelang das Standardgewehr der US-Armee, und die unter diesem Namen musizierende Combo aus Schenectady im US-Bundesstaat New York verwendete als „Maskottchen“, das auch auf dem Cover ihres einzigen Albums Locked And Loaded aus dem Jahr 1988 abgebildet ist, einen Sensenmann, der in der einen Hand eine Gitarre und in der anderen anstelle seines eigentlichen „Arbeitsgerätes“ ein Gewehr hält, das optisch an ein M-16 erinnert und vermutlich aus Logikgründen auch eins darstellen soll. Bei so einer Situation vermutet man natürlich eine metallische Ballercombo mindestens aus dem Thrash-Lager oder eine Hardcoreformation, und die Encyclopedia Metallum setzt noch eins drauf, indem sie zum Rezensionszeitpunkt die lyrischen Themen der Band mit „Loss, War, Apocalypse“ benennt und zugleich folgenden Hinweis gibt: „Not to be confused with the hard rock/heavy metal band from Baltimore, Maryland by the same name (who released the Shock Wave demo tape in 1986).“ Der Rezensent kennt die Baltimore-Truppe nicht und kann daher nicht sagen, ob die textlichen Themen auf diese eher zuträfen – die Schenectady-Truppe ist von ihnen jedenfalls so weit entfernt wie der Papst von der Propagation unehelichen Geschlechtsverkehrs. Selbst von der klassischen Trias „Wein, Weib & Gesang“ haben M-16 den ersten und den letzten Terminus entfernt und befassen sich in den Texten der acht Albumsongs ausschließlich mit dem, was man anhand von Songtiteln wie „Dreamgirl“ oder „Tonite (It’s You)“ schon vermuten würde. Dass sie dazu keinen Thrash oder Hardcore spielen, mutet auch logisch an, und so bekommen wir klassischen Melodic Rock an der Grenze zum Melodic Metal (oder meinetwegen auch umgekehrt) serviert, den das Backcover mit dem Hinweis „For fans of Dokken, Shire, Whitefoxx, Havoc and Metalwolf“ versieht. Das mit Dokken stimmt tatsächlich – hier gibt es im instrumentalen Bereich einige Parallelen, obwohl M-16 schon seit ihrer Gründung 1983 immer mit zwei Gitarren arbeiteten und sozusagen im Ausgleich nicht ganz so virtuos musizierten wie George Lynch alleine. Hingegen stellt Lenny Thomas, der im Nebenjob auch noch die gelegentlich eingesetzten Keyboards bedient, Don Dokken gesanglich doch ein gutes Stück in den Schatten und weiß mit seiner variablen hohen Stimme voll und ganz zu überzeugen. In „R.U. Hot Tonite“ oder im Finale von „Shot Down“ („... in love“ geht der Text weiter – also kein Widerspruch zur erwähnten generellen Ausrichtung) gleitet er sogar in sirenenartige Lagen in bester US-Metal-Manier hinauf und gibt auch dort eine prima Figur ab. Seine Vielseitigkeit war auch eine Grundvoraussetzung für den Erfolg von M-16, die aus der Coverbandszene der US-Ostküste kamen, so dass der Vokalist mit sehr unterschiedlichen Vorlagen klarkommen mußte – und das hat er offensichtlich bestens bewältigt. Zudem setzen M-16 in ihren Eigenkompositionen nicht selten auf ausgefeilte Backingchorsätze – die außergewöhnlichste Variante unter den acht Songs von Locked And Loaded bietet „Guilty Of Innocence“, dessen Backingarrangement ganz klar in Richtung von Van Halen schielt. Live hatten, wie alte Fotos beweisen, alle drei Saiteninstrumentalisten ein Mikrofon vor der Nase, was also auch entsprechende Umsetzungen ermöglichte. Glen Oliver und Kevin Egnor an den Gitarren wiederum wählten für das Riffing einen Sound, der dem auf dem Mama’s-Boys-Livealbum Live Tonite ähnelt – allerdings erschien selbiges erst drei Jahre später, so dass da keine Einflußlinie gezogen werden kann. Dass das in umgekehrter Richtung passiert sein könnte, wäre zumindest in der Theorie nicht unmöglich: Locked And Loaded wurde 1988 zwar nur als Eigenproduktion veröffentlicht, aber von den 25.000 (!) verkauften Exemplaren sollen 10.000 außerhalb der USA an den Mann respektive die Frau gebracht worden sein – offenbar war da ein fähiger Vertrieb am Werkeln. Dass es kurioserweise nicht zu einem Plattenvertrag gereicht hat, ist eines der ungelösten Rätsel der Musikgeschichte: Auf Locked And Loaded hätte in der Prä-Grunge-Phase, in der wir uns anno 1988 ja noch befanden, problemlos ein Majorlabel anspringen können und hätte damit qualitativ einen enorm guten Fang gemacht. Vielleicht hat der Band der eingangs geschilderte Namensproblemfall einen Strich durch die Rechnung gemacht – wer eine klassische Melodic-Rock-Band signen will, sucht garantiert nicht unter einem solchen Bandnamen und erst recht keine Combo mit so einem Maskottchen. Jedenfalls spielten M-16 ein Jahr nach dem Albumrelease noch ein Zwei-Track-Demo ein, das aber nicht offiziell veröffentlicht wurde, und lösten sich 1990 nach mehreren Umbesetzungen auf. Erst 2007 fanden sie wieder zueinander und spielen seitdem wieder Konzerte, haben aber bisher kein neues Material veröffentlicht. 2013 erschien auf Heaven And Hell Records ein remasterter Re-Release von Locked And Loaded mit verändertem, allerdings auch durchaus Härteres verheißendem Cover, auf Locked And Reloaded erweitertem Titel und den beiden 1989er Demotracks als Boni, und diese summiert 10 Songs finden sich nun auch auf dem neuen Re-Release, der als Edition zum 30jährigen Veröffentlichungsjubiläum des Albums deklariert ist, wieder das Originalcover besitzt und im Booklet sowohl Liner Notes als auch die Lyrics und so manches historische Foto auffährt. Die beiden Demotracks, auf denen Gary Seeley statt Pete Sivaslian trommelt, haben einen etwas dumpferen Sound, der aber trotzdem erkennen läßt, dass M-16 einerseits ihrem Stil im Grundsatz treu geblieben sind, andererseits aber den Schwerpunkt ein kleines Stück in Richtung Metal verschoben haben und sich etwas ausladendere Arrangements gönnen. Von der Songwritingqualität her können die beiden Nummern problemlos mit den acht Albumtracks mithalten, und Thomas nutzt auch wieder für einige Ausflüge seine Sirenenstimme. Ins Gesamturteil passen sich diese beiden Songs jedenfalls prima ein: Kleine hochinteressante Details wie das furiose Gitarrenintro von „Tonite (It’s You)“ sorgen dafür, dass man die Scheibe nicht nur als klangliche Untermalung des Beischlafs, sondern auch ohne solche Aktivitäten mit großem Genuß hören kann. Der Re-Release von 2013 war auf 500 Exemplare limitiert gewesen, und auch der vorliegende soll limitiert sein, allerdings ist nirgendwo eine Stückzahl aufzufinden.
Bleiben noch eine editorische und eine militärische Bemerkung nachzutragen: Spätestens 1986 wurde eine Frühform des ersten eigenen Songs „Wasted Love“ aufgenommen, da diese bereits in jener Zeit, lange vor Aufnahme des Albums, in mehreren Radiostationen über den Äther ging. Um diskographische Vollständigkeit zu erreichen, wäre es auf alle Fälle interessant gewesen, diese Version noch mit auf den Re-Release zu packen. Die Liner Notes sprechen in diesem Kontext von „a steady flow of requests for the single“, was als Deutungsvariante auch zuließe, dass es schon damals einen eigenständigen Tonträger gab, für den also zumindest noch eine B-Seite zu erwarten gewesen wäre. Genauere Infos sind bisher allerdings nicht aufzutreiben gewesen, und weder Discogs noch die Encyclopedia Metallum führen einen solchen Tonträger auf. Besagte Liner Notes bezeichnen das vom Maskottchen in der Hand gehaltene Schießeisen übrigens als „machine gun“, was – und das ist die militärische Bemerkung – zu hinterfragen wäre, wenn man den Begriff mit „Maschinengewehr“ übersetzt, denn ein solches ist das M-16 von der Klassifizierung her eigentlich nicht, sondern ein Sturmgewehr. Die Klärung dieses Problems muß allerdings Militärhistorikern, die zugleich mit der frühen Bandgeschichte vertraut sind, vorbehalten bleiben, und dem Hörgenuß tut diese offene Frage keinen Abbruch.



Roland Ludwig

Trackliste

1Much Too Young For Me3:51
2Tonite (It’s You)3:21
3Dreamgirl4:14
4R.U. Hot Tonite3:45
5Shot Down3:37
6Guilty Of Innocence4:47
7Wasted Love4:08
8Why3:55
9The Game4:34
10Play It Loud5:34

Besetzung

Lenny Thomas (Voc, Key)
Glen Oliver (Git)
Kevin Egnor (Git)
Steve Vandyke (B)
Pete Sivaslian (Dr)
Gary Seeley (Dr, 9+10)
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So bewerten wir:

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06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger