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Marbin

Russian Dolls / Ten Years In The Sun

Info Musikrichtung: Jazz/Fusion VÖ: Nov. '20/Mai '20 (Eigenlabel) Gesamtspielzeit: 71:36 Internet: https://marbinmusic.bandcamp.com/album/russian-dolls https://marbinmusic.bandcamp.com/album/ten-years-in-the-sun-solo-guitar-sheet-music-tab https://www.marbinmusic.com/index.html

Bei Marbin handelt es sich um eine seit etwa 2007 existierende Prog-Jazz-Rock-Band aus Chicago. Die Triobesetzung umfasst das ungewöhnliche Format mit Saxofon/Gitarre und Schlagzeug. Seit etwa 2011 ist die Band live intensiv unterwegs. Acht Alben sind daneben seit 2009 entstanden. Russian Dolls ist also das neunte Album. Die mir vorliegende Doppel-CD beinhaltet darüber hinaus noch die Platte Ten Years In The Sun, und das ist ein Solo-Album des Gitarristen Dani Rabin.

Der Name Marbin setzt sich zusammen aus den Namen der Kern-Mitglieder Danny Markovitch (Mar) und Dani Rabin (bin). Dazu kamen verschiedene Schlagzeuger als Ergänzung, bei Russian Dolls ist es Antonio Sanchez.

Gleich der Eröffnungssong, "When There Becomes Here" schunkelt munter dahin im Stile der Musik eines Kurt Weill oder ein wenig wie Einiges von Willem Breuker. Dazu passt stimmungsmäßig auch die Musik von "Escalator Over The Hill" (Carla Bley, Michael Mantler). Schnell wird deutlich, woher diese Ausrichtung wohl stammt, haben sowohl Markovitch als auch Rabin israelische Wurzeln. Denn genau die Elemente jener Musiktradition finden sich wieder in fast jedem Song, sei es im kompositorischen Ansatz oder in den Improvisationen. Neben diesen Quellen israelischer Volksmusik gibt es Spuren von Tango, und das alles auf dem Boden von Jazz oder Jazz Rock.

So mag Markovitch zwar aus Quellen wie Sidney Bechet oder Cannonball Adderley schöpfen, doch ist sein Klang oft eher am Klezmer orientiert. Das passt insofern ohnehin gut beim Gebrauch des Sopransaxofons. Im Grunde genommen ist es Markovitch, der den Sound wesentlich prägt mit seinem Spiel. "Years That Ask Questions" ist nun der erste Song, der wesentlich vorrangig vom Jazz geprägt ist und elegant swingt. Dem Gitarristen Rabin wird als Solist nicht sehr viel Spielraum gelassen, vielmehr wirkt er sehr klangbestimmend durch seine ausfüllende Spielweise, die ihn letztlich sehr präsent erscheinen lässt. Darüber hinaus hat er die Rolle des Bassisten übernommen.

Im Großen und Ganzen ist die Musik eher ruhig, verhalten und oft ein wenig verträumt, so auch im Abschieds-Song "Things Of Dry Hours", ein feiner Song mit fernöstlichem Ausdruck und einer romantischen Stimmung.

Sprach ich soeben noch davon, dass dem Gitarristen Rabin nicht viel Spielraum eingeräumt wird, so nimmt er diesen nun ganz allein für sich in Anspruch beim weiteren Album, Ten Years In The Sun, "Solo Guitar" im Untertitel. Rabin erklärt zum Entstehen der Platte in etwa, dass als die Band Marbin unterwegs auf Tour war, diese aufgrund der Covid-19-Pandemie unterbrochen werden mußte. Alle Shows wurden abgesagt, und man fuhr 3000 Meilen zurück nach Chicago. Als er wieder zuhause war, fiel ihm ein altes Notizbuch in die Hände, ein Büchlein, in dem er Ideen und Songfragmente eingetragen hatte. Das waren unter anderesm Songs, auf die die Band bisher nie zurück gegriffen hatte und die er, Rabin, nun weiter entwickelte. Hierzu stützte er sich allein auf die Interpretation mit der Akustikgitarre. Er wollte die harmonische Stimmung dieser Gitarre nutzen, um die Hörer/innen in eine Art intime Stimmung mitzunehmen. So konzentrierte sich der Gitarrist allein auf den harmonischen und melodischen Ausdruck der Essenz der Kompositionen.

Und so ist es Rabin gelungen, eine durchgehend harmonische Stimmung zu erzeugen, die durch sein virtuoses Gitarrenspiel bestimmt wird, mit Ausprägungen hin zur klassischen Musik, und im "Polish Winter" vernehme ich Folklore, gar ein wenig hin zu Anleihen am Flamenco oder zum Gypsy Jazz. So steht jedes einzelne Stück für sich hinsichtlich eines individuellen Ausdrucks, trotz der oberflächlich wirkenden durchgehend relativ einheitlich wirkenden Stimmung. Ja, ohne die Pandemie wären wir wohl nicht in den Genuss dieser vierzehn fein geschliffenen Diamanten gekommen.

Wolfgang Giese