Reviews
Reflex
Info
Musikrichtung:
Jazz Fusion
VÖ: 29.01.2021 (Challenge Records) Gesamtspielzeit: 41:11 Internet: https://www.phillipdornbusch.com/phillip https://www.challengerecords.com/home https://www.martinaweinmar.de/ |
Die von der Zeitschrift JazzThing initierte Serie "JazzThing Next Generation" schreitet unermüdlich voran mit der Präsentation weiterer Talente. Vol. 86 ist dem aus Stadthagen bei Hannover stammenden 26-jährigen Tenorsaxofonisten Phillip Dornbusch gewidmet, und der Platte Reflex, die er unter dem Bandnamen Phillip Dornbuschs Projektor aktuell veröffentlicht hat.
Nicht nur der Auftakt, das Saxofon im Gegenspiel mit der Gitarre, wirkt ein wenig sperrig. Die Musik bleibt sehr individuell, mitunter wenig zugänglich auf den ersten Höreindruck. So könnte rasch eine Barriere aufgebaut werden. Doch wird man dadurch, sofern man sich dieser "Herausforderung" stellt, auch gezwungen, tiefer zu blicken. Es wird kein typischer Jazz geboten, sofern man überhaupt von typisch sprechen kann, was ist das schon - typisch? Nun, vielleicht meine ich damit, was sich seit der Entwicklung des Bebop getan hat, der nachfolgende Hard Bop und die sich damals in den Fünfzigern und Sechzigern entwickelnden Stile. Free Jazz lasse ich einmal außen vor.
Doch mag es sicher Hörer/innen geben, die die Musik auf Reflex dorthin verorten würden, vielleicht, weil sich recht viele freiere Elemente den Weg bahnen, spontane Wendungen die Musik ein wenig aufreissen, weil das Gefühl von Experiment entsteht, weil ganze Passagen eher dahintreiben als sich kompositorisch einengen zu lassen.
So vernehme ich Passagen, die die Gelassenheit des Cool Jazz ausstrahlen, gleichzeitig solche Elemente, die mich stark an die Musik erinnern, die britische Jazzmusiker Anfang der Siebziger einschlugen, als sie sich verstärkt Fusion-Elemente in ihren Sound holten. Avantgardistisch wiederum wirken so manche Themen, die innerhalb einiger Titel zwischendurch aufgenommen werden, sie wirken schräg, wenig elastisch und mehr stolpernd. So ist dieser Höreindruck allgegenwärtig vom ersten Song an, auch in ruhig betonten Stücken, wobei sich zum Beispiel bei "Unhinged Wolf" zwei durch die Musiker gestalteten Ebenen aufeinander zu bewegen zu scheinen, wieder zusammenfließen und sich erneut lösen. Diese Spannung durchzieht jeden einzelnen Song, ständige Bewegung lassen kaum Ruhe zu, und das kann natürlich die Aufmerksamkeit enorm fesseln.
Auch "typische" Soli der einzelnen Solisten gibt es kaum, zwar wird aus der Geschichte des Jazz geschöpft, doch auf jeweils ganz eigene Weise interpretiert und gestaltet. Das mag mitunter recht befremdlich wirken, erzeugt jedoch rege Abwechslung. Dieser Jazz ist kein Jazz für die Cocktail Bar, kein Jazz zum Nebenbeihören, er swingt auch nicht wirklich, und trotz des gelegentlichen Eindrucks, es könnte akademisch oder verkopft werden, wird dieser Ansatz eines Eindrucks rasch über Bord geworfen, denn vielmehr strahlen fast schon mystisch anmutende Stimmungen durch die Szenerie, und das mit einer besonderen Art emotionaler Ausprägung. Vieles der Musik besitzt die Ausstrahlung von Filmmusik, und so mag Jede/r imaginäre Soundtracks ablaufen lassen, Platz läßt die Musik jedenfalls dazu.
Ach ja - falls Fragen aufkommen, die beiden Dornbuschs sind nicht miteinander verwandt, letztlich trennt sie namentlich ja auch ein Buchstabe, das "l" im Vornamen.
Trackliste
2 Unhinged Wolf (6:12)
3 Mourning (4:04)
4 Hipster Frankie (7:41)
5 Arlo (4:29)
6 Projektor (7:35)
7 Lotus (7:04)
Besetzung
Johanna Summer (piano)
Johannes Mann (guitar)
Roger Kintopf (bass)
Philip Dornbusch (drums)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |