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Colosseum

Transmissions Live At The BBC

Info Musikrichtung: Rock Fusion VÖ: 11.12.2020 (Repertoire Records) Gesamtspielzeit: 399:37 Internet: https://www.temple-music.com/gallery/colosseum/ https://www.repertoirerecords.com/ https://www.brooke-lynn-promotion.de/ https://tonpool.de/

Da rührt sich etwas bei Repertoire Records in Verbindung mit der britischen Band Colosseum. Erst im Juli letzten Jahres erschienen Veröffentlichungen verschiedener Liveaufnahmen zwischen 1969 und 1971.

Und schon ist nachgelegt worden, mit einer 6-CDs-starken Box, eine erste authorisierte Veröffentlichung von Aufnahmen, die die Band zwischen 1969 und 1971 live für die Rundfunkgesellschaft BBC eingespielt hat. Auf über sechzig Songs, viele davon erstmalig auf CD, mit über sechs Stunden Spielzeit, und erneut soundtechnisch von Eroc betreut, inklusive eines vierundvierzig Seiten starken Booklets mit Liner Notes von Chris Welch und einem Vorwort von Pete Brown, sowie zahlreichen Fotos, wird akribisch dokumentiert, was seinerzeit von der BBC festgehalten wurde.

Während des genannten Aufnahmezeitraumes kam es zu Umbesetzungen der Band, so dass man eine stilistische Vielfalt im Umfeld von Blues, Rock und Jazz zu hören bekommt, zusammengefügt zu einem recht individuellen Sound mit hohem Wiedererkennungswert, sei es allein durch die ganz speziellen und so unterschiedlichen Gesangsparts von James Litherland als auch Chris Farlowe. Aber auch die Gitarristen Litherland und Clemson waren stilistisch unterschiedlich. Wichtiges Merkmal blieben jedoch stets die vielen Improvisationen Einzelner. Waren die Songs der ersten Phase noch etwas kürzer (CDs 1&2), so nahmen sie nachfolgend dann doch vermehrt Fahrt auf oberhalb der Zehn-Minuten-Grenze.

Auf gehts mit der ersten CD, Januar 1969, und mit "The Road She Walked Before" erfahre ich eine Band mit einem Sound, der noch anders klang, stark geprägt von einem R&B, wie man ihn von Ray Charles kennt. Noch nicht einmal drei Minuten lang ist der Song, der folgende "Backwater Blues" kommt dann bereits auf fünf Minuten und zeigt die Formation in einem emotionalen Blues-Modus, mit diesen bestimmten Ecken und Kanten durch die Orgel von Greenslade und die Bläser von Heckstall-Smith, und Hiseman ist mit seinen Drums eh ständig in Bewegung. Ja, und Litherland gefällt mir sowohl als Sänger als auch Gitarrist sehr gut. Soundmäßig ist es vertretbar, kein Hi-Fi, aber auch absolut kein Klangmatsch.

In der Sendung "Symonds On Sunday" vom März 1969 wird die Band noch klar angesagt als Jon Hiseman's Colosseum, und ein kurzes Interview mit Jon ist auch enthalten. Der Sound ist noch ein wenig besser geworden und steigert sich noch ab den Stücken Nummer 8. "Elegy" kommt sehr elegant und hier passt einfach alles, der engagierte individuelle Gesang, die rührigen Drums, der brummelnde Bass, die tupfende Orgel und das jazzige Spiel des Saxofons, klasse! Interessant ist es hierbei, sich die übrigen, nachfolgenden Versionen als Vergleich anzuhören, und man stellt fest, dass jede davon einen eigenen Ausdruck hat. So, mit "The Grass Is Greener" vom Juli 1969 wird es erstmals etwas länger, 7:23. Die einzelnen Musiker werden nun ausgiebiger vorgestellt und das Stück weist einen gewissen Jam-Charakter auf.

Im Übrigen kann man im Booklet zu jedem einzelnen Song die Kommentare von Dave Greenslade lesen. Hierauf verweise ich ausdrücklich, helfen sie doch, sich den Inhalten zu nähern. Mit der CD 2 verweilen wir noch im Jahre 1969 und ab Track 11 gleiten wir langsam in das Jahr 1970 über. Nach einem Interview mit Dick Heckstall-Smith gibt es nun den nächsten Longtrack mit "Lost Angeles", 8:45. Farlowe ist zwar bereits als Mitkomponist aufgeführt, doch singen dürfte hier Clemson, und auch seine Gitarre erklingt hier nun. Mit den Stücken 11-16 hören wir Songs einer "Unknown session late 1969/early 1970", die mit einem sehr kurzen (2:43) "The Machine Demands A Sacrifice" abschliesst.

Die CDs 3 und 4 gehören John Peel, dessen Sendung "John Peel's Sunday Concert" zweimal vorgestellt wird, sowie auf CD 3 noch "Sounds Of The 70's". Mit einer weiteren Version von "Lost Angeles" wird nun die Zehn-Minuten-Marke geknackt, "Downhill And Shadows" setzt mit 15:17 noch einen drauf. Und mit dieser langen Version von "The Machine Demands A Sacrifice" kann Hiseman nun vollends sein Können im Rahmen des Solos vorführen, herrlich wie immer! Die weiteren Peel-Sessions auf CD 4 unterstreichen mit den neueren Versionen bekannter Songs die Wichtigkeit der Band und zeigen ihre Stärke bei Live-Vorführungen. Hier wird "Lost Angeles" nun ausgedehnt auf 20:16! Der Song entwickelt sich und bietet reichlich Platz für Improvisation.

CD 5 - #1-4, hier gibt es eine absolute Besonderheit. Neben dem Bassisten Louis Cennamo (Renaissance) gibt es eine volle Breitseite Orchester, das unter der Leitung von Neil Ardley agierende New Jazz Orchestra. Dabei kommt mit "Shades Of Blue" auch eine Komposition Ardley's zum Einsatz, es klingt nun weniger nach Colosseum und mehr nach einem Arrangement in Richtung Gil Evans. So hat man die Band noch nie kennen gelernt, obwohl man sagen muss, dass die Jungs auch so gar nicht zu Gehör kommen bei dem Song. Bei den übrigen Titeln dieser Session sind sie wieder voll dabei, und auch hier wieder geben das Arrangement und die Beteiligung des Orchesters ein ganz anderes Bild der Band, man muss sich in der Tat etwas daran gewöhnen, und ob das wirklich so passt, dass sei dahin gestellt.
Bei der folgenden Februar-Session für "Sounds Of The 7o's" wiederholen sich dann wieder bekannte Songs, bis auf "The Pirate's Dream" ein Stück aus Heckstall-Smith's Solo-Platte vorstellt.

Und nun zu guter Letzt noch vier Songs einer Session vom September 1971, hier ist Farlowe zur Band gestoßen und prägt mit seinem unverwechselbaren Gesang die Songs wesentlich. Das hinsichtlich des Arrangements sehr komplexe "Jumping Off The Sun" eröffnet den Reigen, und mit "Sleepwalker" und "Upon Tomorrow" gibt es noch zwei nicht so oft gehörte Songs. Die letzten vier Song wurden noch als Boni hinzugefügt und entführen uns wieder zurück nach 1969. War man mittlerweile an den recht guten klaren Sound gewöhnt, kommt eine weitere Version von "Walking In The Park" nun recht dumpf und muffig im Klang. Als weitere Saxofonistin und an der Flöte ist hier erneut noch einmal Jon's Ehefrau, Barbara Thompson, zu hören. Und ich stelle nun vergleichend wiederum fest, dass mir Litherland und überhaupt die erste Besetzung von Colosseum stets besser gefiel.

Insgesamt betrachtet, ist der Sound der Radio-Aufnahmen recht gut geraten, mit Abstrichen bei den ersten Einspielungen aus 1969. Alle, die seinerzeit die BBC-Sendung aus dem Radio mitgeschnitten haben, können sich nun von diesen Aufnahmen trennen, gibt es sie nun endlich in besserer Qualität. Ja, dieses 6-CD-Päckchen ist eine wahre Bereicherung für jeden Fan der Band Colosseum!

Wolfgang Giese