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Reviews

Necrytis

Countersighns


Info

Musikrichtung: US-Metal

VÖ: 5.7.2019 (22.9.17)

(Pure Steel / Soulfood)

Gesamtspielzeit: 46:16

Internet:

http://www.facebook.com/Necrytis

Der Name Toby Knapp ist in der Shredding-Gitarren-Szene seit Jahrzehnten wohlbekannt, und der Mann hat nicht nur eine Handvoll Soloalben eingespielt, sondern auch zwei Handvoll Bands und Projekte am Start gehabt oder noch am Start, unter denen Onward die hierzulande wohl bekannteste Formation darstellte. 1987 hatte Knapp in der High School mit dem Drummer Shane Wacaster in einer Band gespielt, und ebenjener erlebte 2016/17 einen Kreativitätsschub, den er mit seiner aktuellen Band Sue’s Idol nicht ausleben konnte und somit ein neues Projekt zu planen begann, zunächst allein, dann mit Hilfe des Bassisten Mark Sobus. Mit dem ersten hinzugestoßenen Gitarristen klappte die Zusammenarbeit nicht wie gewünscht, und so erinnerte sich Wacaster an Knapp. Der sagte zunächst ab, da er gerade in Aufnahmen zu drei anderen Alben steckte, hörte sich das Material dann aber doch an, war begeistert und machte sich an die Arbeit, die zehn Songs für das Necrytis-Debütalbum Countersighns zu veredeln. Selbiges Werk erschien 2017 zunächst als Quasi-Eigenproduktion auf einem Label namens Electrikill Records, und die Erzgebirgsbewohner von Pure Steel erhielten den Auftrag, sich um die Promo der Scheibe zu kümmern – sie arbeiten nicht nur als Label, sondern gelegentlich auch als Promoagentur für andere Bands bzw. Labels. Auf diese Weise war aber der Kontakt hergestellt, und das Necrytis-Zweitwerk Dread En Ruin erschien dann 2018 direkt bei Pure Steel Records, bevor 2019 die Entscheidung fiel, auch Countersighns nochmal direkt als Pure-Steel-Labelproduktion zu re-releasen. Dieser Re-Release ist nun das Werk, das hier zur Rezension im Player liegt, und die zehn enthaltenen Songs sind die gleichen wie auf der 2017er Eigenproduktion, so dass keiner von deren Besitzern zum nochmaligen Erwerb gezwungen ist.
Die Frage ist nun allerdings, wer die Scheibe auf dem Schirm haben sollte – und sie läßt sich leicht beantworten, denn Necrytis spielen US-Metal, wie er archetypischer nicht sein kann. Onward tendierten damals in eine grundsätzlich ähnliche Richtung, und wer deren Alben mochte, könnte auch mit Necrytis glücklich werden. Dass das Bandlogo ein wenig an das von Nevermore erinnert, könnte Zufall sein, weist aber auch schon in eine bestimmte Richtung, wenngleich trotz ähnlicher Grundausrichtung die Unterschiede schon deutlich wahrnehmbar sind: Knapp stimmt seine Gitarre nicht herunter, baut deutlich mehr Sologirlanden um die Riffs, und der düstere, gar psychotische Grundton von Nevermore ist bei Necrytis auch komplett abwesend und wird hier durch ein eher futuristisches Ambiente ersetzt, das sich allerdings nur in der optischen Gestaltung und in den Lyrics wiederfindet, nicht jedoch im Klanggewand, denn das Schlagzeug klingt sehr organisch, und eine oftmals mit Futurismus assoziierte Soundkälte findet sich hier auch nicht – die reichliche Dreiviertelstunde kommt mit angenehm warmen Klangfarben daher, wenngleich bedarfsweise natürlich schon unheimliche Stimmungen umgesetzt werden, am deutlichsten vielleicht in der Quasi-Ballade „Dawn’s Aurora“, dem einzigen der zehn Songs, in dem Knapp nicht mitwirkt und statt dessen Mitglieder des Nephilim Baroque Ensemble Klavier- und Celloklänge beisteuern. Hier hört sich alles wie durch einen gewissen Nebelschleier an, und man weiß nicht so richtig, was man davon zu halten hat, ob man also eher den romantischen Aspekt wahrnehmen soll oder den mystischen. Das folgende „Daemon Angelus“ beginnt dann in ähnlicher Manier, aber hier setzt Knapp nach einer halben Minute mit griffigen Riffs einen Kontrapunkt, und der Song bewegt sich in für die Band „normalen“ Bahnen weiter. Der Terminus „normal“ bedarf für Necrytis allerdings durchaus weiterer Präzisierungen. Zum einen rücken sie mit „Praetorian X“ den mit Abstand komplexesten Song gleich an den Beginn des Albums, während etwa das folgende „Palace Of Agony“ fast schon als geradliniger Metal anzusprechen ist. Auch in der Folgezeit macht es großen Spaß, die songwriterischen Einfälle zu verfolgen, etwa wie „Sentry’s Scream“ in klassischer ABA-Form strukturiert ist und der Mittelteil wieder schnellen geradlinigen Metal bietet, wie man ihn in seiner Griffigkeit aus der klassisch geprägten US-Metal-Szene eher nicht so gewohnt ist. „God As Electric“ spielt in seinem Refrain mit moderneren verschleppten Rhythmen, und das erwähnte „Daemon Angelus“ erweist sich unterm Strich als Zusammenfassung des kompletten Albums in einem Song, gekrönt noch durch einen Bombastpart, in dem einer der Barockmusiker auch noch an der Orgel sitzt. Als letztes Element kommt im Intro des abschließenden Titeltracks dann noch ein zirkusartiges Motiv hinzu, das auch ein Tuomas Holopainen als Meister des Einsatzes solcher Stilistik nicht verschmäht hätte, und das Outro führt mit Krähenschreien und einer dunklen schicksalhaften Glocke wieder zum Intro des Albums zurück und schließt damit den Kreis.
Knackpunkt für manchen Hörer dürfte der Gesang sein. Zunächst überrascht, wer hier singt – es ist Wacaster, also der Drummer. Er führt eine halbhohe, allerdings nicht in Sirenengefilde emporklimmende Stimme ins Feld, mit der er auch in einer Epic-Metal-Band anheuern könnte. Dass er gut daran tut, nicht gar zu weit in die Höhe gleiten zu wollen, verdeutlicht beispielsweise „In Ascent“, wo einige der hohen Zeilenenden leicht zu angestrengt wirken. Hauptproblem für manchen Hörer dürfte aber die Positionierung der Gesangslinien gegenüber dem harmonischen Unterbau der Instrumente sein: Da gönnt sich so manche US-Metal-Band ja einiges an scheinbarer Schrägheit, und das tun auch Necrytis zumindest gelegentlich – massiv allerdings gleich im erwähnten Opener „Praetorian X“. Vielleicht steckt also Methode dahinter, so nach dem Motto: Wer den ersten Song übersteht, der kommt auch mit den anderen neun klar. Andererseits erheben Necrytis diese Schrägheit durchaus nicht zum dauerhaften Stilmittel: Sie können harmonisch ganz konventionelle, ja sogar ansatzweise eingängige Refrains schreiben, wenn sie das wollen – nur wollen sie das nicht immer. Aber das müssen sie ja auch nicht, wenn sie es auf andere Weise schaffen, eine richtig gute Genreplatte hinzulegen, und eine solche ist Countersighns zweifellos geworden.



Roland Ludwig

Trackliste

1Praetorian X5:14
2Palace Of Agony3:53
3Nova Meridian3:51
4Sentry’s Scream5:42
5God As Electric4:44
6My Asylum5:01
7Dawn’s Aurora3:27
8Daemon Angelus5:12
9In Ascent4:21
10Countersighns4:44

Besetzung

Toby Knapp (Git)
Mark Sobus (B)
Shane Wacaster (Dr, Voc)
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So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger