Reviews
Crime On The Bunny / 10 Poems for Ronroco
Info
Musikrichtung:
Ambient/Electronic/Avantgarde
VÖ: 03.09.2020 (Hevhetia) Gesamtspielzeit: 92:04 Internet: http://www.davidkollar.com/ http://www.hevhetia.sk/Hevhetia/ |
Mit "Unexpected Isolation" hatte ich den slowenischen Experimental-Gitarristen David Kollar, hier in Zusammenarbeit mit dem norwegischen Trompeter Arve Henriksen, erst kürzlich vorgestellt. Die mir hier vorliegende Doppel-CD enthält zwei weitere Werke, einmal Crime On The Bunny, auch wieder mit Henriksen, aber ergänzt um den Schlagzeuger Pat Mastelotto. Dieser bringt nun eine Menge Druck und Rock-Power in die abermals stark experimentell ausgelegten Soundscapes.
Wie beim Titelsong kann es dann schon mal hart metallisch rocken, oder es knistert nervend, als würde der Gitarrenverstärker jeden Augenblick durchbrennen oder explodieren, und darüber schweben Klangfetzen, die aus dem Nichts kommen und wieder im Äther (oder im All?) verschwinden. Abermals bestimmt Unruhe das Geschehen. Abermals muss man gewillt sein, das "auszuhalten".
Kollar drückt der Musik seine extrem individuelle persönliche Vorstellung auf, kompromisslos, "friss oder stirb", so könnte es lauten, egal - ob es gefällt, ob es nervt - na und? Dabei wirkt gar nichts in Richtung Scharlatanerei, alles wirkt ernst und glaubhaft in seiner wilden Umsetzung. Der Mann benutzt seine Gitarre wie einen Farbpinsel und schafft damit äußerst expressive Gemälde. Die Farben spritzen auf die Leinwand, Farbbeutel scheinen zu explodieren, eine Menge Wirrwarr anrichtend. Und dann könnten dann Rezensenten kommen, die versuchen, eine Aussage des Werkes zu definieren. Den Teufel werde ich tun. Ich lasse das auf mich einwirken, befinde mich in einem Kosmos, der angereichert ist mit Musik von Robert Fripp und seinen Frippertronics, schwebe gemeinsam mit Derek Bailey durch einen Meteoritenschauer und lasse mich verzaubern von diesen ständigen Wechseln.
Wie es zu den Aufnahmen kam? Nun, der Protagonist erklärt dieses in den Liner Notes so: "These compositions were created during the Isolation of Covid 19, On the way to the forest, I saw a discarded plush Bunny in the screams. I was very sorry for him. He seemed to be raped and thrown away. Maybe he stayed at the scene. I took a picture of him. He was smiling, maybe he liked it. I decided to set this incident to music."
Der Knüller ist auf Crime On The Bunny das über zweiundfünfzig Minuten lange "The Sound Behind The House". Geräusche eines Waldes, mit Vogelgezwitscher, sie scheinen es einzuleiten, aber der Begriff Einleitung ist allerdings eher fehl am Platze, denn es stellt sich heraus, dass die ganze Zeit über dieses Naturereignis zu belauschen ist, man kann es dann auch nachlesen auf der CD: "Recorded in Fintice at 5:07 am 3 meters from my parents house"! Netter Gag, ganz entspannend, aber was soll man davon halten????
Nach dem Karnickelverbrechen also nun zu den 10 Poems For Ronroco. Das ist nun völlig anders geraten. Eine akustische Bariton-Gitarre, ein Ronroco, ein Saiteninstrument aus den Anden und Sampling bestimmen den Sound der zehn Songs, auf dem letzten unterstützt vom Trompeter Erik Truffaz. Die Stimmung mit den Saiteninstrumenten erinnert mitunter an das Spiel einer Harfe, entsprechend meditativ wirkt das Ganze, ein Hauch von Andreas Vollenweider durchströmt die Atmosphäre dann. Ein wenig Barockes in der Musik stellt sich hin und wieder ebenfalls ein, dem Klang eines Cellos ähnliche Passagen gibt es zu hören und somit wirkt die Musik dieser CD sehr entspannend, spontan fällt mir auch noch ein John Dowland der Neuzeit ein, mit solchen alten Elementen, aber auch unter Zuhilfenahme anderer Strömungen inklusive einiger elektronischer Bearbeitungen auf einen neuen Stand gebracht.
Die 10 Poems stammen von Valerij Kupka und sind in einem Booklet abgedruckt, auch in englischer Sprache, so dass man dazu die Musik als Soundtrack gut laufen lasssen kann. ("The names in the songs are the sentences in the poems of Valerij Kupka") Der Gegensatz der beiden CDs wirkt schon fast provozierend, der Lärm der ersten plus der langen Naturgeräusche ergänzt um die Ruhe und Schönheit der zweiten. Diese Schönheit bekommt noch einen Mehrwert durch den letzten Song, auf dem Truffaz mit einer lyrisch anmutenden Trompete à la Miles Davis seinen Teil dazu beisteuert. Den Trompeter hätte ich gern noch öfter gehört.
Trackliste
1 Crime on The Bunny (10:15)
2 Coronomorphia 1. (2:24)
3 Coronomorphia 1.1 (2:48)
4 The Sound Behind the House (52:36)
CD2:
1 To Stand on the Shore Waiting For the Tide (2:38)
2 Tears are Running Down a Tree (2:34)
3 A Morning Was Being Born of the Night (2:32)
4 Somewhere in the Moonlit Night (3:02)
5 They Are Hopelessly Disappering into the Morning (1:38)
6 Falling Stars (0:44)
7 And the Tears Stiffened (2:03)
8 Somewhere Out There (2:34)
9 The Sky Painted All Over with Yellow Colours (1:22)
10 A Divine Beam Descended on the Earth (4:38)
Besetzung
David Kollar (guitars)
Pat Mastelotto (drums)
Arve Henriksen (trumpet efx.)
CD2:
David Kollar (ronroco, baritone acoustic guitar, sampling
Erik Truffaz (trumpet - #10)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |