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Song of Beasts. Fantastic Creatures in Medieval Song
Info
Musikrichtung:
Mittelalter Vokal
VÖ: 06.11.2020 (Ramée / Outhere / Note 1 / CD / DDD / 2019 / Best. Nr. RAM 1901) Gesamtspielzeit: 52:15 |
SANFTES BESTIARIUM
Panther, Drache, Igel und Basilisk – im Mittelalter finden sich die Beschreibungen dieser zum Teil exotischen und mythologischen Tiere ganz selbstverständlich in den „Bestiarien“, kunstvoll ausgemalten und fantasievoll fabulierten proto-zoologischen Darstellungen. Und auch in der Musik dieser Zeit wurden die natürlichen und übernatürlichen animalischen Lebensformen besungen oder auch emblematisch verwendet, standen zum Beispiel für Tugend und gerechte Herrschaft. Oder man transportierte mit ihnen verrätselte Botschaften, die sich heute kaum noch dechiffrieren lassen. Dabei ist die Musiksprache dieser Zeit eben auch schon ausgesprochen komplex und kunstvoll, so dass sie oft mehr den verschlungenen Ornamenten der alten Handschriften ähnelt.
Eine Auswahl mit „Song of Beasts“, von „Fantastic Creatures in Mediveal Song“, so der Titel des Albums, hat das Ensemble Dragma zu einem Programm zusammengestellt und multimedial aufbereitet: Erstens – natürlich - als CD, die wie immer beim Label Ramée ebenso geschmackvoll wie gediegen ausgestattet erscheint. Und zweitens als Dokumentarfilm, in dem nicht nur über die Musik erzählt, sondern die musikalischen Quellen und Bilder der Entstehungszeit sinnig animiert werden. Den Link dazu gibt es im Booklet der Produktion.
Das Ensemble Dragma besteht aus der Sängerin Agnieszka Budzinska-Bennett sowie den Fiedel- und Lautenspielern Jane Achtman und Marc Lewon. Sie präsentieren die zwei- bis dreistimmigen Stücke überwiegend als vokale Soli mit „Begleitung“ und gelegentlich auch nur instrumental. Das entspricht dem heutigen Verständnis der mittelalterlichen Aufführungspraxis, auch wenn eine mehrstimmige vokale Darbietung denkbar wäre und manch reizvolles Farbspiel ermöglicht.
Budzinska-Bennett hat eine flexible, reich schattierte Stimmfarbe, die trotz des Verzichts auf Vibrato nicht unpersönlich klingt. Demgegenüber treten die instrumentalen Begleitstimmen in den Hintergrund. Insgesamt ist die Wirkung damit eher abstrakt.
Die Interpretation betont so die Intimität dieser ausgefeilten Kunst, die für heutige Ohren oft exotischer klingt als vieles, was später komponiert worden ist. Komponisten wie Johannes Ciconia, Francesco Landini, Jacopo de Bologna oder Guillaume de Machaut pflegten ihre metrisch und polyphon verwickelten Kompositionskünste für ein gebildetes, höfisches Publikum. Die Textausdeutung ist subtil, im Booklet finden sich einige Hinweise dazu. Die „Bestien“ werden nicht in barocker Manier inszeniert, sondern erfüllen oft eine symbolische Funktion im dichterischen Kontext. Wer sich mit den Interpreten in diesen musikalischen Tierpark begibt und sich den seltsamen Kreaturen mit Muße widmet, kann schöne Entdeckungen machen - aber keine Angst: Diese Bestien tönen eher sanft als gefährlich!
Georg Henkel
Besetzung
Agnieszka Budzinska-Bennett: Stimme & Harfe
Jane Achtman: Fiedel
Marc Lewon: Fiedel, Laute & Stimme
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |