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George Dandin – La Grotte de Versailles
Info
Musikrichtung:
Barock Ensemble
VÖ: 02.10.2020 (CVS / Note 1 / CD / DDD 2020 / Best. Nr. CVS027) Gesamtspielzeit: 78:43 |
TRAUMSPIELE IM GARTEN VON VERSAILLES
Bevor Jean-Baptiste Lully 1673 die französische Barockoper kreierte, war er für die musikalische Ausstattung der höfischen Ballette, Gartenfeste, Gottesdienste und Theaterstücke zuständig. Gaétan Jarry und das Ensemble „Maguerite Louise“ haben nun zwei Beispiele für diese Seite von Lullys Schaffens aufgenommen: Die Schauspielmusik zu Molières Komödie „George Dandin“ sowie den „Soundtrack“ für ein Fest in der (heute nicht mehr erhaltenen) maritimen Grotte im Garten von Versailles, für das der renommierte Dichter Jean-Philippe Quinault das Libretto verfasst hat. Beide Werke wurde 1668 in den Gärten des Schlosses uraufgeführt.
In der Bauernkomödie „George Dandin“ kommentiert die Musik das Geschehen zwischen den Akten mit einem amourösen Schäferspiel und gipfelt in einem wogenden bacchantischen Finale, bei dem seinerzeit über 100 Musiker beteiligt waren, die das Publikum, so die Zeitzeugen, einen harmonischen Rauschzustand versetzten: Lully, der Klangmagier. Mythisch-bukolisch ist auch das Libretto zur Grotten-Musik, die das fantastische Ambiente aus Muscheldekor, Skulpturen und Vogelstimmen-Orgel in der künstlichen Grotte um eine weitere sinnliche Komponente zum Gesamtkunstwerk ergänzte. Damals tanzte der König mit seinem Gefolge noch selbst und zelebrierte die aufgehende Sonne seiner Herrschaft. Um das Bild rund zu machen, haben Jarry und seine Musiker noch einen Paukenmarsch für die königliche Garde und schmissige Fanfaren aus dem Ballet „Psyché“ als Rahmen ergänzt.
Den einfallsreichen Melodiker Lully lernt man am besten in diesen kleiner dimensionierten Werken kennen, in den weitläufigen Ensembles, Chören und üppig ausstaffierten Airs, die vom Melos getragen und durch köstliche Verzierungen veredelt werden. Da gibt es echte Trouvaillen wie "Dans ces déserts paisibles" und „D’une rigueur extrême“ (La Grotte de Versailles) oder auch das sehr ergreifende „Ah! mortelles douleurs“ (George Dandin), die das kurzweilige Programm (45 Trackts in rund 80 Minuten!) für vorzugsweise episch-melancholische Momente unterbrechen. Die zahlreichen Solisten stammen sämtlich aus dem Ensemble-Chor und flößen den amourösen Traumbildern, die Molière und Quinault geschaffen haben, mit viel Ausdruchskunst Leben ein. Luxuriös!
Die instrumentalen Parts bestechen durch Abwechslungsreichtum und eine fantasievolle Ausstaffierung im Continuo, bei dem häufig das Cembalo diskret brilliert. Herrlich, wie sich das von Lully komponierte majestätische Pathos z. B. in den Ouvertüren mit Eleganz und Spiel verbindet, was neben einer beachtlichen Präzision auch ein Gefühl für Leichtigkeit und tänzerische Pose erfordert. Selbst wenn das Ensemble nicht jene Heerscharen an Mitwirkenden aufbietet wie seinerzeit im Jahr 1668, vermittelt es doch einen Eindruck von der suggestiven Qualität und Schönheit der beiden Musiken, die auch ohne Schauspiel und Dekor auch heute verzaubern können. Dafür dokumentiert Booklet mit reichlich Quellen- und Bildmaterial, das u. a. die einstige Gartengrotte zeigt.
Georg Henkel
Besetzung
Gaétan Jarry, Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |