Reviews

David Kollar / Arve Henriksen

Unexpected Isolation

Info Musikrichtung: Ambient/Electronic VÖ: 20.08.2020 (Hevhetia) Gesamtspielzeit: 56:36 Internet: https://www.davidkollar.com/ http://www.arvehenriksen.com/index.php http://www.hevhetia.sk/Hevhetia/

David Kollar , der Gitarrist aus der Slowakei und Arve Henriksen, der norwegische Trompeter, arbeiten auf Unexpected Isolation nicht zum ersten Mal zusammen. Ihre bildreichen Klanglandschaften im Umfeld Ambient und Experimentalmusik verlangen erneut die volle Aufmerksamkeit ihrer Zuhörerschaft.

"Soundscapes", diese Ökologie von Klanglandschaften, teils auch eine Mischung aus künstlich erzeugten Klängen mit Natürgeräuschen, leben davon, in der Fläche zu wirken. Es kommt dabei gar nicht auf besondere kompositorische Strukturen an, wie man sie gemeinhin kennt. Bekannte Kollegen sind sicher Brian Eno und Robert Fripp.

Gitarren, Bass, Trompete, Stimmen, Synthesizer und elektronische Effekte, das zusammen als Einheit gesehen, wird auf dieser Platte zu einem teilweise sehr düsteren und an den Nerven zerrenden Erlebnis der anderen Art. Nicht immer bleiben jedoch die Hauptinstrumente der beiden Protagonisten klar erkennbar, die Gitarre und die Trompete. Doch ist es allenfalls Henriksen, der mitunter klare Beiträge auf dem Horn beiträgt, wie sogleich hauchenderweise beim Eröffnungssong, "Word For Word". Auf anderen Tracks etwa vernimmt man von ihm mehr oder weniger ein Hauchen, vielleicht auch etwas Stöhnen, in Verbindung wohl nur mit dem Mundstück des Instruments, man lausche hierzu "Social Breathing", zu dem Pat Mastelotto die "background sounds" beigesteuert hat.

Achtzehn Songs erwarten uns, allesamt recht kurz, aber sie fließen mehr oder weniger suitenhaft ineinander und bilden letztlich einen gesamtheitlichen Ausdruck. Und dieser wird bestimmt von einer stark geprägten elektronischen Ausprägung. Für diese Musik einen passenden Film zu finden, dürfte schwierig werden, letztlich, als Filmmusik betrachtet, kann sie Kopfkino verursachen. Manchmal kann man sogar so etwas wie eine gruselige Stimmung erwarten, mir geht es so mit dem sehr unheimlich anspringenden "In The Time Of Plague". Ja, "Plague", die Plage, die Pest, aktuell: CORONA! Diese unsichtbare Gefahr kann ich durch die Darstellung der Musik spüren, und wenn dazu aus dem Hintergrund läutende Kirchenglocken auftauchen, dann wird es unheimlich, so unheimlich wie die dramatische Steigerung des Songs zum Ende hin, wirklich - Angst einflössend.

Wenngleich das folgende "Ceasura Transparent" wieder ruhiger wird, bleibt es mystisch, hier riecht es stark nach Mittelalter, und die Pest scheint noch nicht oder gerade überwunden zu sein. Erst das treibende "Bowed Heart", mit diesem pumpenden Rhythmus, führt mich langsam wieder in einen anderen Film, eine andere Situation. Ja, so ist es durchaus möglich für Jede/n, sich individuelle Deutungen aufgrund individueller Empfindungen dieser bedrohlich wirkenden Musik auszumalen. Und schon wieder scheint das Corona-Virus Thema zu sein, wenn es mit Track 13 gegen Bakterien kämpft, ("Bacteria vs Virus") sich aber doch letztlich die Frage aufdrängt, ob sie sich nicht doch vereinen.

Und dann ringen schließlich auch noch Leben und Tod miteinander, "Life vs Death" ist ein weiterer Song, der über den Rücken laufende kalte Schauer veranlassen könnte. Ja, das ist Klangmalerei erster Güte, mitunter einem Soundtrack zum Untergang gleich. Ich warne vorab - hierzu braucht man Nerven. Und selbst wenn Arve Henriksen im soeben genannten Titel seine Trompete dergestalt bläst, als hätte das Leben den Tod besiegt, so strahlt sein Ton doch so viel Traurigkeit, so viel Melancholie aus, dass man sich fragt, ob dieses Leben nicht ein wenig erhellt werden sollte. Doch man hat den Eindruck, dass "In the Near Future" schlussendlich Hoffnung birgt, die beiden Akteure klingen plötzlich relativ befreit, doch noch immer irgendwie nachdenklich und melancholisch. Alles in Allem - es ist meisterlich!

Wolfgang Giese