Reviews
Ghosts Of War
Info
Musikrichtung:
New Wave of British Heavy Metal
VÖ: 27.11.2019 (Pure Steel / Soulfood) Gesamtspielzeit: 43:31 Internet: http://www.puresteel-records.com |
Weapon brachten es während der NWoBHM-Hochphase nur zu einer Maxi namens It’s A Mad Mad World, obwohl sie noch weiteres Material aufnahmen – dieses erblickte dann erst im neuen Jahrtausend auf der Compilation Set The Stage Alight das Licht der Welt, die zu einem Zeitpunkt erschien, als die Band noch nicht an eine Reunion dachte. Selbige nahm erst 2009 feste Formen an, zunächst noch unter dem althergebrachten Bandnamen, bis eine viel jüngere kanadische Extrem-Metal-Band, die gleichfalls als Weapon firmierte, mit rechtlichen Schritten drohte, wenn die Briten sich nicht umbenennen. Ergo sprach man ab 2012 von Weapon UK, und unter diesem Namen erschienen die bisher zwei aktuellen Studioalben der Formation, das 2014er Rising From The Ashes mit seinem programmatischen Titel und nun das aktuelle Werk Ghosts Of War, das mit seinem sehr düsteren Coverartwork (eine Kriegsszene in einer dystopischen Großstadt, wo die titelgebenden Geister des Krieges nur noch aus Helm und Stiefeln bestehen und auf einem abgestorbenen Baum ein Geier hockt, der auf der Rückseite des Booklets und dem Inlay dann nochmal in Großaufnahme prangt, allerdings aus dem Cover extrahiert und gespiegelt) eigentlich deutlich heftigere Musik erwarten läßt als das, was man in den 43 Minuten letztlich zu hören bekommt. Zwar kratzen Weapon UK in „Redman“ ein wenig am Doom klassischer Siebziger-Prägung, aber die blumenkinderartigen Backings sprechen hier durchaus eine andere Sprache, und auch der eröffnende Titeltrack führt ein klein wenig in die Irre, denn der zeitlose Metal, den wir hier hören, läßt sich schwer in eine der klassischen Sparten einsortieren, zumal sich inmitten der harten Passagen ein ausgedehntes Break befindet, das atmosphärisch ein wenig an den Mittelteil in Helloweens „Victim Of Fate“ (die Originalfassung von der selbstbetitelten 85er EP, nicht die spätere Neueinspielung!) erinnert, während die Briten mit den Hamburgern sonst musikalisch praktisch nichts gemein haben außer der grundsätzlichen Einsortierung in die Metalsparte. Aber „Queen Of The Ride“ an zweiter Position macht klar, wo der Hase entlangläuft, nämlich durch klassisches NWoBHM-Territorium, und zwar durch so klassisches, dass die geistige Herkunft der Band, die sie mit vielen anderen Formationen jener Zeit teilt, deutlich wird: So vorwärtsgewandt die jungen Bands auch agierten, ihre Mitglieder waren in den Siebzigern musikalisch geprägt worden, und das konnten/können oder woll(t)en viele auch nicht verleugnen, auch Weapon bzw. Weapon UK nicht. Dass Drummer Bruce Bisland später in den Kosmos von The Sweet fand, hatte zwar auf Weapon UK keine Auswirkungen, da er an der Reunion nicht beteiligt ist, sondern neben den Urmitgliedern Danny Hynes (Gesang) und Jeff Summers (Gitarre) eine neue Rhythmusgruppe auf Ghosts Of War spielt, bestehend aus Bassist Tony Forsythe und Drummer Darren Lee – aber die beiden Neuen (die auch nicht mehr die Allerjüngsten sind) legen im erwähnten „Queen Of The Ride“ einen derartigen locker-flockigen Boogie-Einfluß an den Tag, dass man wissend grinst und auch Summers‘ gelegentliche Blues-Anklänge in der Gitarrenarbeit entsprechend einzuordnen weiß. „Emerald God“ widmet das Quartett sogar direkt Phil und Philomena Lynott – und dabei klingt gerade dieser Song gar nicht so sehr nach Thin Lizzy, während man sich die beiden umstehenden, das mit einem orientalischen Hauptthema ausgestattete „Sea Of Hope“ und das natürlich nichts mit der namensgleichen US-Band gemein habende „Tourniquet“, durchaus eher im Repertoire von Lynott & Co. bzw. seinen heutigen Sachwaltern vorstellen könnte, auch wenn sie durchaus Eigenständigkeit genug besitzen, „Tourniquet“ beispielsweise mit seinem abermaligen atmosphärischen Mittelteil und den ausgefeilten Backingstrukturen, die im Refrain das Gros der Leadelemente übernehmen. Möglicherweise geht der Thin-Lizzy-Einfluß speziell auf Sänger Hynes zurück, denn der ist gebürtiger Ire und könnte somit ähnliche Prägungen erfahren haben wie Lynott, obwohl jener die grüne Insel ja schon relativ früh verlassen hat. „Modernere“ Einflüsse hingegen kann man weitgehend mit der Lupe suchen – zwar besitzen die Akustikelemente in „All I Need“ einen leicht alternativen Anstrich, aber sowas gab’s in den Siebzigern durchaus auch schon und die ziemlich komplexe Schlagzeugarbeit in „Hell On Earth“ auch, die übrigens geschickt mit einem geradlinig vorwärtsmarschierenden Beat im Refrain kombiniert wird. Wes Geistes Kind ein Song namens „'79 Revisited“ ist, sollte im vorliegenden Kontext hingegen keiner näheren Erläuterung bedürfen, und hier finden wir in der Tat auch nochmal eine Art metallisierten Boogie vor, zugleich die schnellste Nummer der Scheibe, wenngleich im Refrain wieder herunterschaltend. Schade nur, dass der Hymnencharakter dieses Refrains irgendwie nicht so richtig rüberkommt – das könnte in einer Konzerthalle, wenn man zusammen mit 1000 Gleichgesinnten diese Zeilen formuliert, vielleicht anders sein, aber so richtig vom Hocker haut einen die Studiofassung nicht, was auch im Gesamturteil auf die ganze, von einer kurzen Reprise des Titeltracks abgeschlossene Scheibe zutrifft: Sie ist gut hörbar, wenn man klassische und eher rückwärts- als vorwärtsdenkende NWoBHM-Klänge mag, und sie ist auch kompetent produziert und mit klassisch-humanistischem Gedankengut ausgestattet, wie man der Danksagungsseite entnehmen kann – ein richtig großer Klassiker, den man regelmäßig wieder einwirft, ist sie indes nicht. Hynes‘ Stimme hätte mehr Expressivität vertragen können, um mitreißender zu wirken, und das größte Kuriosum wartet in Gestalt der erwähnten Reprise am Ende: Die beinhaltet den hinteren Teil des großen Breaks des Openers (mit Gastvocals von Clare Cunningham), und alleine stehend entfaltet der plötzlich einen Extra-Reiz, obwohl der schwingende Rhythmus nicht wesentlich anders gestaltet ist als im „vollen“ Song, und der dortige Spannungsaufbau im großartigen Intro, der eigentlich ein viel spannenderes Album hätte erwarten lassen, hier in der Reprise logischerweise fehlt. So haben wir also einen hervorragenden Rahmen um das Album, aber der Innenteil kann dessen Klasse nicht halten, was NWoBHM-Anhänger indes nicht vom Hineinhören abhalten sollte.
Roland Ludwig
Trackliste
1 | Ghosts Of War | 5:29 |
2 | Queen Of The Ride | 5:21 |
3 | Redman | 4:27 |
4 | Sea Of Hope | 5:29 |
5 | Emerald God | 3:53 |
6 | Tourniquet | 4:41 |
7 | All I Need | 4:14 |
8 | Hell On Earth | 4:26 |
9 | '79 Revisited | 4:10 |
10 | G.O.W. Reprise | 1:20 |
Besetzung
Jeff Summers (Git)
Tony Forsythe (B)
Darren Lee (Dr)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |