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Reviews

Schandmaul

Artus (Special Edition)


Info

Musikrichtung: Mittelalterrock

VÖ: 03.05.2019

(Vertigo Berlin / Universal)

Gesamtspielzeit: 75:10

Internet:

http://www.schandmaul.de

Für die Normaledition dieses Albums hatte Kollege Rainer vor geraumer Zeit schon lobende Worte gefunden – dem hier tippenden Rezensenten ist nun unlängst die Special Edition in den Einkaufskorb gehüpft, so dass noch ein paar Zeilen folgen sollen, natürlich nicht nur über das Spezielle, was hier dazukommt, sondern auch noch über das Album an sich, denn es ist im Schandmaul-Kontext ein ziemlich spezielles: das erste ohne Anna Katharina Kränzlein, die – man verzeihe das Wortspiel – ihr Ränzlein geschnürt hat. Live wurde die Geigerin durch Ally The Fiddle, Shir-Ran Yimon oder Tobi Heindl ersetzt, beim Komponieren des neuen Albums Artus aber war offensichtlich noch nicht ganz klar, wie sich die Lage an dieser Front weiter gestalten würde, und so sollte es nicht verwundern, dass der Anteil der Geige an den Instrumentierungen der zwölf neuen Songs ein gutes Stück unter demjenigen auf früheren Werken anzusiedeln ist. Ganz auf diese Klangfarbe verzichten wollten Schandmaul aber offenbar doch nicht, und so war Ally Storch aka Ally The Fiddle als Gast auch im Studio dabei – und dann gab es noch eine weitere Gastmusikerin an diesem Instrument, nämlich Saskia Forkert, die in „Froschkönig“ und „Chevaliers“ zu hören ist. Die Zusammenarbeit mit ihr funktionierte aber offenbar so gut, dass sie zwischen den Aufnahmen und der Albumveröffentlichung zum vollwertigen Bandmitglied befördert wurde, zumal sie offensichtlich auch Drehleier spielen kann, also auch diese Planstelle weiter besetzt gehalten wird. Ob sich die Neue dauerhaft bewährt, wird sich zeigen – die Band ist jedenfalls guter Dinge und kann das angesichts des starken neuen Albums auch sein, nachdem es zwischenzeitlich eher düster ausgesehen und den Liner Notes gemäß sogar eine Auflösung im Raum gestanden hatte. Aber dort steht dann auch folgendes: „Was macht man nun, wenn man mitten in der Krise steckt? Man kapituliert oder fängt an zu kämpfen. Wir haben uns für Letzteres entschieden ...“ So sieht die Formation das Artus-Thema dann auch nicht nur als weiteren Bestandteil ihrer Beschäftigung mit historischen Themen, sondern auch als Sinnbild für das Zusammenrücken zwecks Erreichung eines gemeinsamen Ziels, eben wie die Ritter der Tafelrunde.
Komme nun allerdings niemand und vermute ein komplettes Konzeptalbum hinter Artus! Drei bzw. vier Songs beschäftigen sich mit diesem Thema, die anderen stehen einzeln für sich, wobei das Album mit sieben der Einzelsongs beginnt, die klarmachen, dass sich im positiven Sinne wenig bei Schandmaul verändert hat, auch wenn nicht jeder Song ein Treffer ist. Aber gleich dem Opener „Der Meisterdieb“, der auch im Herbst 2019 auf der Tour zum Album den Konzertopener markierte, dürfte zuzutrauen sein, sich längerfristig in den Setlisten festzukrallen – massiver Midtemporock mit einem kapitalen Refrain, eingängig und anspruchsvoll zugleich. Dieses enorm hohe Niveau können die Folgesongs nicht halten, aber auch hier versteckt sich so manche Perle. „Der Totengräber“ dürfte allen gefallen, die sich wünschen, die Band würde mal wieder etwas punkiger agieren, was hier in klassischer 77er-Manier geschieht. „Der Kapitän“ wiederum atmet titelgemäß Seemannsfeeling, ist aber aus einer Abschiedssituation heraus geschrieben (die Mannschaft denkt an den verstorbenen alten Seebären zurück), und wenn man sich einmal an den überraschend späten Perkussionseinsatz im Refrain gewöhnt hat, gehört auch diese traurige und doch irgendwie beschwingte Nummer zu den Highlights des Albums. „Die Oboe“ hingegen wechselt zwischen feistem Metal und oboendominierten Parts (die Blasinstrumente sind zwar überwiegend die Domäne von Birgit Muggenthaler-Schmack, aber hier läßt sie Gastmusikerin Jutta Simon-Alt den Vortritt, was wohl bedeuten wird, dass es dieser Song nicht in die Konzertsetlisten schafft). Muggenthaler-Schmack zeichnet zudem für den einzigen der zwölf Songs verantwortlich, für den kompositionsseitig ein Einzelmusiker und nicht die komplette Band vermerkt wird: das exzellente Instrumental „Chevaliers“, das auf dem Album vor der „Artus“-Trilogie plaziert ist, aber trotzdem nicht zu dieser gehört (was dann eine Tetralogie ergeben hätte), obwohl es im Booklet (nicht aber auf der Digipackrückseite) auch noch den Untertitel „Die Ritter“ trägt. Keine Ahnung, wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist – aber die Trilogie kommt dann sozusagen ohne Intro aus. Hier breiten sich Schandmaul stilistisch dann über ihr ganzes Territorium aus, agieren vielschichtig und doch nachvollziehbar, wenngleich man für den einen oder anderen Einfall doch etliche Durchläufe benötigt, um die Idee dahinter zu verstehen, etwa der scheinbare erste Refrain von „Die Tafelrunde“, der sich dann als untergeordnete Passage erweist. Hier und da bleibt das Verständnis aber auch nach etlicher Zeit aus, etwa der rhythmisch eher unmotiviert verschleppte und daher eher hilflos als aufrüttelnd klingende Refrain von „Der Gral“, während der Text hier eben Aufbruchstimmung und keine Zweifel verkündet. Den Tonartwechsel in den Refrain von „Die Insel – Ynys Yr Afallon“ erkennt man auch nicht beim ersten Mal als integralen Bestandteil des Arrangements, sondern braucht etwas Zeit für diese Erkenntnis, wobei die Backings auf den hohen Schlußtönen fast einen Deut zu aufdringlich abgemischt sind. Dieser Teil und damit die Trilogie endet übrigens sanft und zurückhaltend – also kein Triumph, wenn das Endziel Avalon nun endlich erreicht ist, sondern friedliches Ausklingen der Geschichte (auch kein Im-Nebel-Verdämmern allerdings). Da das im Sinne der Albumdramaturgie allerdings kein idealer Abschluß der CD wäre, packen Schandmaul noch einen eigenständigen Song dahinter, nämlich wieder einen nautischen: „Der weiße Wal“ erzählt die klassische Geschichte von Moby Dick und Kapitän Ahab, und Schandmaul basteln daraus eine feiste Hymne, die ebenfalls prima ins Liveprogramm passen würde. Das markante viertönige Riff, über das Lindner „Bringt mir den Wal“ singt, stellt die „Signaturstelle“ von Gitarrist Martin Duckstein auf diesem Album dar, und wenngleich auch dieser Song friedlich endet (der Wal schwimmt vergnügt durchs Meer, hat also den Endkampf, der musikalisch nicht dargestellt wird, offensichtlich gewonnen), so markiert er mit seiner Dramatik doch ein passendes Finale für den regulären Teil von Artus und stellt zugleich noch Schandmauls goldenes Händchen für die Gestaltung kleiner, aber feiner Details unter Beweis, wenn man dort die gleichen Sonargeräusche hört, die man etwa aus „Das Boot“ kennt.

Die Special Edition kommt im Digipack mit einer Bonus-CD daher. Auf dieser finden sich die drei Songs der „Artus“-Trilogie als Orchesternummer mit dem Titel „Camelot“, arrangiert vom als Komponist für Videospielsoundtracks arrivierten, aber als langjähriger Bandkopf von Beyond The Void auch im Rockbereich verankerten Dominik Morgenroth. Dabei handelt es sich nicht um eine hergebrachte Band-plus-Orchester-Fassung, sondern um ein quasi neues Orchesterstück aus drei Sätzen, das Motive aus den drei Songs verarbeitet. Gesang gibt es hier keinen, bis auf einige Vokalisen, für die aber nirgendwo vermerkt ist, wer die singt und für die daher zu vermuten steht, dass sie genauso aus der Konserve kommen wie die Orchesterinstrumente. Das wird Authentizitätsfanatiker verdrießen, aber eine komplette echte Orchesteraufnahme wäre vermutlich schlicht und einfach nicht bezahlbar gewesen, und so übel ist auch die vorliegende Fassung nicht ausgefallen – ganz im Gegenteil: Wir bekommen 24 Minuten geschickt arrangierte klassische Musik spätromantischer Prägung, wie sie auch als Soundtrack von Hans Zimmer und Konsorten hätten erdacht werden können. Dramatik gibt es also einige, liebliche Melodien und entrückte Stimmungen ebenso, und Morgenroth baut zugleich einige wenige Versatzstücke aus den originalen Bandaufnahmen ein, bevorzugt Drehleier- oder auch Dudelsackpassagen, aber auch einige Akustikgitarren, die das Ergebnis noch farbiger gestalten. Große Experimente darf man natürlich nicht erwarten, auch Zwölftonreihen, Aleatorik, Cluster und all das andere, was nach der Spätromantik en vogue war, sucht man hier vergebens. Aber Experimente waren sicherlich auch nicht der Zweck, weshalb dieses Stück erstellt wurde, und man könnte es durchaus auch von einem „regulären“ Sinfonieorchester im Konzert spielen lassen, wenn man sich irgendwas mit den Zusatzinstrumenten einfallen läßt (also ein Tip an fähige Jugend- oder Studentenorchester, die auf der Suche nach eher abseitigem Repertoire sind). Auch hier hält sich vor allem im letzten Satz die Dramatik in relativ überschaubaren Grenzen und macht eher der Lieblichkeit von Avalon Platz, aber das ist eben storyimmanente Absicht und damit zu respektieren – und beim genauen Hinhören bemerkt man dann auch, dass Morgenroth eben doch einen Tick mehr Dramatik eingebaut hat als im Album-Gegenstück, damit den Konzerteinsatz noch ein wenig sinnvoller machend (da kommt ja dann nicht noch „Der weiße Wal“ dahinter).
Summiert hätten die beiden Teile zwar nur reichlich über 75 Minuten ergeben und damit auch noch auf eine Einzel-CD gepaßt, aber die Band hat sich anders entschieden, wenngleich der Digipack nun höher ist und damit nicht mehr in ein normales CD-Regal paßt, weshalb man gezwungen ist, das Werk in der Sammlung gesondert aufzustellen. Im Gegensatz zu manch anderer übergroßer Scheibe lohnt sich das aber hier durchaus, wenngleich ein Neukauf von Artus nur wegen der Zusatzscheibe natürlich wohlüberlegt sein will und für den Schandmaul-Normalanhänger auch die reguläre Edition reicht, während der absolute Fanatiker womöglich mit der XXL-Version noch besser beraten ist: Diese limitierte, nicht im Besitz des Rezensenten befindliche Edition kommt mit Artus auf Doppelvinyl plus Schandmaul-Flagge plus 3 Kunstdrucken und einer DVD, auf der sich der knapp dreistündige „Kein Weg zu weit“-Jubiläumsgig zum 20-jährigen Bandbestehen vom 16.11.2018 aus der Kölner Lanxess Arena befindet. So bleibt dann zum Schluß nur noch die Frage offen, warum der von Sänger Thomas Lindner designte Artuskopf auf dem Cover so ein ganz klein wenig (aber nur ein ganz klein wenig) an Karl Marx erinnert ...



Roland Ludwig

Trackliste

1. Der Meisterdieb (04:31)
2. Der Totengräber (03:54)
3. Vagabunden (03:36)
4. Froschkönig (03:12)
5. Auf und davon (04:04)
6. Der Kapitän (04:18)
7. Die Oboe (04:30)
8. Chevaliers (03:42)
9. Die Tafelrunde (04:31)
10. Der Gral (04:43)
11. Die Insel - Ynys Yr Afallon (04:08)
12. Der weiße Wal (05:28)

Bonus-CD:
1. Camelot - Die Tafelrunde (08:03)
2. Camelot - Der Gral (07:28)
3. Camelot - Die Insel - Ynys Yr Afallon (08:51)

Besetzung

Thomas Lindner (Voc)
Saskia Forkert (Violine)
Birgit Muggenthaler-Schmack (Blasinstrumente)
Martin Duckstein (Git)
Matthias Richter (B)
Stefan Brunner (Dr)
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