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Reviews

Billy F Gibbons

The Big Bad Blues


Info

Musikrichtung: Bluesrock

VÖ: 21.10.2018

(Concord)

Gesamtspielzeit: 40:21

Internet:

http://www.billygibbons.com

Ihre Blues-Wurzeln konnten bzw. wollten ZZ Top selbst während ihrer technisierten Phase während der Achtziger nicht verleugnen, und mit Alben wie Antenna oder XXX kehrten sie im Folgejahrzehnt dann auch wieder verstärkt zu diesen Wurzeln zurück. Seit 2012 ist kein neues ZZ-Top-Studioalbum mehr erschienen, aber zumindest veröffentlicht William Frederick Gibbons nunmehr sein zweites Solowerk, und der Titel The Big Bad Blues läßt eigentlich nur zwei Schlüsse zu: Entweder Gibbons nimmt das wörtlich, wendet sich konsequent von diesem als übel erkannten Stil ab und spielt irgendwas völlig anderes (er könnte sich z.B. an Peter Steiners „‘s is cool, man!“ orientieren – die optische Komponente würde jedenfalls beinahe stimmen), oder aber der Titel ist als Kompliment gemeint, und Gibbons suhlt sich sozusagen noch tiefer im Blues, als er das sonst bei ZZ Top tut.
Es fällt nicht schwer zu erraten, dass die zweitgenannte Option zutrifft, und ein Hineinhören in den Opener „Missin‘ Yo Kissin‘“ genügt auch zur akustischen Verifizierung dieser Theorie, wobei dieser Song durchaus kernigen Bluesrock beinhaltet, der in ähnlicher Form beispielsweise auch aus der Feder von Joe Bonamassa fließt. Das Gros der anderen zehn Songs schraubt den Rockfaktor aber ein wenig zugunsten eines klassischen Bluesfeelings zurück, wenngleich die Elektrische durchaus weiterhin für den Rockaspekt sorgt und auch die beiden beteiligten Drummer keinen Grund haben, sich gar zu sehr zurückzulehnen. Der eine der beiden trägt den zumindest in der Rockwelt bekanntesten Namen der Gibbonsschen Begleitmusiker dieses Albums mit sich herum: Matt Sorum, einstmals bei The Cult aktiv und dann Nachfolger Steven Adlers bei Guns ’n Roses, wo er u.a. die beiden Use Your Illusion-Millionenseller einspielte. Im Booklet von The Big Bad Blues ist allerdings nirgendwo vermerkt, welche Songs er eingetrommelt hat und welche Greg Morrow. Auffällig ist allerdings durchaus, dass derjenige, der in „Standing Around Crying“ spielt, diesen klassischen Slowblues mit einer recht originellen, bisweilen diffus marschartigen Schlagzeugarbeit ausstattet und somit dafür sorgt, dass sich Bluespuristen hier vermutlich verzweifelt abwenden werden, obwohl ihnen die restlichen Komponenten des Songs durchaus zusagen könnten. Das würde freilich voraussetzen, dass sie überhaupt bis hierher (Song 4) vorgedrungen sind und nicht schon beim erwähnten Opener kapituliert haben, denn dort liegt auf Gibbons’ Stimme irgendein technischer Effekt, der ein wenig an die im Achtziger-Pop gerne mal eingesetzten Vokalverzerrer erinnert – vielleicht ist’s aber auch nur ein Autotune-Einsatz, der die hörbar gealterte Stimme Gibbons’ ein wenig stabilisieren soll, obwohl ja gerade für einen Bluessänger eine alte, rauhe, unsichere und zerbrechliche Stimme fast ein Qualitätskriterium bildet. Selbiger Effekt bleibt nicht auf den Opener beschränkt, sondern ist auch noch in anderen Songs in unterschiedlicher Intensität wahrnehmbar (recht deutlich beispielsweise in „That’s What She Said“) und könnte einer der Knackpunkte für so manchen Hörer sein, was die Einschätzung dieser Scheibe angeht.
Von den elf Songs stammen sechs aus Gibbons‘ eigener Feder, fünfmal greift er auf Fremdmaterial zurück, wobei zumindest der genannte Opener sozusagen in der Familie bleibt, denn dessen Schöpferin Gilly Stillwater teilt mit Gibbons Tisch und Bett. Ansonsten stoßen wir zweimal auf McKinley Morganfield, besser bekannt als Muddy Waters („Rollin‘ And Tumblin‘“ und das bereits erwähnte „Standing Around Crying“), bei „Crackin‘ Up“ auf Ellas McDaniel aka Bo Diddley und schließlich bei „Bring It To Jerome“ auf Diddleys Percussionisten Jerome Green. Die Bandkollegen bei ZZ Top bleiben also abwesend (es gastierte auch keiner beim Einspielen), und die zentrale Frage ist natürlich, ob die Anhängerschaft der Stammband des Rauschebarts auch mit dem Soloalbum warmwerden könnte bzw. ob man sich die Scheibe sogar mit dem Bandnamen ZZ Top auf dem Cover vorzustellen in der Lage wäre. Letztere Frage ist mit einem klaren Jein zu beantworten: Mit dem grundsätzlichen Bluesfaktor liegen wir durchaus nicht so weit neben der Stammband, aber auf dem Soloalbum nimmt die Mundharmonika einen viel breiteren Raum ein als bei ZZ Top. Neben Gibbons selbst gibt es noch zwei weitere Verantwortliche für dieses Instrument, und obwohl es auch Songs gibt, die ohne seine Beiträge auskommen, etwa „Hollywood 151“, so prägt ihr Klang doch hauptsächlich die Solosektionen ziemlich stark. Ansonsten darf sich der Hörer in den 40 Minuten Musik auf ein relativ breites Spektrum innerhalb des gewählten Rahmens freuen, wobei „Standing Around Crying“ der einzige richtig langsame Song bleibt und interessanterweise die andere Muddy-Waters-Nummer, also „Rollin‘ And Tumblin‘“, mit sehr zügigem vorwärtspreschendem Beat das andere Tempoende des Werkes markiert. Ein wenig aus dem Rahmen fällt lediglich der Closer „Crackin‘ Up“, also die Bo-Diddley-Nummer, mit Calypso-Anklängen und einer erstaunlich klaren Stimme Gibbons‘ in den Strophen. Nicht überall lauern Treffer, über einige Details ist man auch nach mehrmaligem Hören nicht so ganz glücklich, etwa über die sang- und klanglose Ausblendung von „Missin‘ Yo‘ Kissin‘“ mitten im energischen und dramaturgisch geschickt arrangierten Solo, die an einen Coitus interruptus erinnert. Aber gute Teile des Werkes machen schon Hörspaß, wenn man mit der recht kompakten Arrangierweise zurechtkommt, kein Problem mit den angesprochenen Vokaleffekten hat und zudem einen oft auffällig baßlastigen Sound zu schätzen weiß, der möglicherweise in der Rolle von Bassist Joe Hardy als Co-Produzent der Scheibe begründet liegt (seine Instrumentenbezeichnung im Booklet lautet übrigens „Fender Bass Guitar“). So erweist sich The Big Bad Blues als brauchbare Ersatzdroge bis zu einem noch völlig in den Sternen stehenden neuen Studiowerk von ZZ Top (eher dürfte mit Gibbons‘ drittem Soloalbum zu rechnen sein).



Roland Ludwig

Trackliste

1Missin‘ Yo‘ Kissin‘3:19
2My Baby She Rocks3:49
3Second Line3:40
4Standing Around Crying4:24
5Let The Left Hand Know3:53
6Bring It To Jerome4:34
7That‘s What She Said3:13
8Mo‘ Slower Blues3:57
9Hollywood 1513:21
10Rollin‘ And Tumblin‘2:56
11Crackin‘ Up2:42

Besetzung

Billy F Gibbons (Voc, Git, Harm)
James Harman (Harm)
Elwood Francis (Git, Harm)
Mike Flanigin (Keys)
Joe Hardy (B)
Greg Morrow (Dr)
Matt Sorum (Dr)
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So bewerten wir:

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06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger