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Rush

Permanent Waves (40th Anniversary Edition)

Info Musikrichtung: Progressiver Hard Rock VÖ: 29.05.2020 (1980) (Mercury / Universal) Gesamtspielzeit: 115:24 Internet: http://www.rush.com

Permanent Waves steht nicht nur historisch am Anfang eines neuen Jahrzehnts. Es läutet auch einen neuen musikalischen Ansatz des kanadischen Trios ein. Die exzessiven Longtracks der Vergangenheit sind genau das – Vergangenheit. Und die manchmal rauen Hard Rock Seiten weichen einem stärker polierten, manchmal etwas glatteren Sound. Im Prinzip nehmen Rush damit das vorweg, was bei vielen Bands im kommenden Dezenium Standard werden wird.

Ein völliger Bruch mit der Vergangenheit ist das nicht. Manches davon hat sich auf Hemispheres bereits angedeutet. „Natural Science“, das längste(!) Stück, knüpft dann auch besonders deutlich an den Vorgänger an. Es passt aber besonders zu dem neuen kompakteren Ansatz, dass Permanent Waves mit „Spirit of Radio“ einen von Rushs erfolgreichsten Airplay-Hits enthält.

Mit seinem Refrain und dem schönen Reggae-Einschub hat „Spirit of Radio“ auch eine besondere Pop-Affinität, was nicht heißt, dass er auf tolle Gitarrensoli und ein Klasse Hammerpiano verzichtet.
Klassiker Nummer zwei ist „Freewill“, ebenfalls ein zukünftiger Live-Dauerbrenner. Luftig und leicht vertrackt, ist er mit seinen melodischen Gitarrenleads dennoch eingängig – ein typisches Rush-Beispiel für die Vereinbarkeit von Anspruch und Leichtigkeit.
Mit dem überwiegend ruhigen „Jacob‘s Ladder“ sind die Stars weg. „Entre nous“ und das etwas blasse „Different Strings“ beweisen, dass auch Rush in der Lage sind Filler zu produzieren.

Auch textlich weigern sich Rush Plattitüden abzuliefern. „Spirit of Radio“ ist ein kritischer Blick auf die Vermarktungsstrategien der Musikindustrie. „Freewill“ setzt sich mit der Frage der Willensfreiheit auseinander - mit der Ermahnung, dass man auch denn ein Wahl trifft, wenn man nicht wählt. „Entre nous“ schildert die Menschen als Planeten, die sich unter einander fremd sind. „Natural Science“ stellt sich kritisch zu der Vorstellung, dass der Mensch das Maß aller Dinge ist.

„Jacob‘s Ladder“ gewinnt seine Bedeutung erst durch den Titel. Wer die biblische Geschichte kennt, in der Jakob erkennt, dass es eine Verbindung zwischen Gottes Welt und der Welt der Menschen gibt, der wird bei der Verbindung von dem aufleuchtenden Lichtstrahl mit der sehr ruhigen Musik an eine andere biblische Geschichte denken müssen, in der gesagt wird, dass Gott sich nicht in spektakulären Naturereignissen zeigt, sondern sich dem aufnahmebereiten Menschen möglicherweise in dem sanftesten Windhauch nähert.

Die 40th Anniversary Edition kommt im schicken Digipack mit neuem Artwork und einer Live-CD, die alle Phasen der bisherigen Bandgeschichte abdeckt, wobei das Debüt und leider auch 2112 ausgespart bleiben, während A Farewell to Kings mit drei Stücken am großzügigsten berücksichtigt wird. Die Aufnahmen stammen vor allem aus Manchester und London. Nur „Jacob’s Ladder“ wurde in Missouri mitgeschnitten. Es wird kein Wert auf perfekten Sound gelegt. Das Live Feeling und auch die Publikumsreaktionen sind dadurch erfreulich gut eingefangen.

Das optisch ansprechend gestaltete Booklet enthält alle Texte (des Studio-Albums), aber leider keinerlei Liner Notes. Die Credits sind in einer Schriftgröße abgedruckt, die vor allem Mikrofiche-Beschrifter begeistern dürfte.

Norbert von Fransecky