Reviews
Die Party ist so ziemlich vorüber
Info
Musikrichtung:
Indie-Folk-Pop
VÖ: 24.04.2020 (Lonely Rabbit) Gesamtspielzeit: 37:17 Internet: https://www.tiebelstiere.de/ https://www.gordeonmusic.de/ |
Welch ein Bandname! Aus Berlin stammen Tim Tiebel & Die Tiere der Einsamkeit. Laut Pressemitteilung handelt es sich um „warme, weiße Beta-Männer mit Folk-Gitarren und rasenden Säugetierherzen“. Und „die Tiere der Einsamkeit spielen den Blues der Privilegierten“.
Letztlich fühle ich mich hinsichtlich der überschäumenden Darstellung der Band als Musiker, die der Beschreibung gemäß absolut skurrile Musik spielen sollen, von Dylan und Springsteen-Pathos, Hans Albers alles drauf haben sollen, recht voreingenommen und habe eigentlich den reinen Wahnsinn erwartet. Doch dem ist eigentlich gar nicht so. Denn die Musik bewegt sich eigentlich ganz normal auf dem Boden der Realität, ist nicht abgehoben, ist nicht übermäßig besonders und individuell und klingt nicht so, als wäre Ähnliches nicht schon einmal dagewesen.
„Da brennt ein Licht“, so startet die Platte, von akustischer Gitarre und Piano begleitet singt Tiebel davon, dass die Nacht kalt, einsam und viel zu lang sei. Ja, der Mann ist allein, aber irgendwo brennt dann doch noch ein Licht. Alles ist gut nach 1:45 Minuten und das klingt ja eigentlich recht verheißungsvoll, ein schöner folkiger Song, der Hoffnung in sich trägt.
Doch dabei bleibt es im Laufe der CD nicht. Zwar bleibt der auf Basis einer akustischen Gitarre aufgebaute Stil weitestgehend bei, doch gesellen sich Rockelemente dazu. „Zu Haus“, das klingt gesanglich doch tatsächlich schon ein wenig wie eine Persiflage auf den Gesang von Hans Albers. Doch ob das tatsächlich so beabsichtigt war? Denn dieser teils leiernde und mitunter gelangweilt wirkende und nuschelnde Gesang bleibt weitestgehend auch auf den anderen Songs. Ich erinnere mich dann in der Tat an den frühen Bob Dylan, der zwar nicht so anteilnahmslos klang, sondern eher schräg sang.
Das ist dann doch ein wenig fordernd, wenn man diesem Gesang durchgehend lauschen muss. Denn die musikalische Umrahmung ist soweit ganz in Ordnung und dem beabsichtigen Ausdruck der Musik sicher angemessen. Dabei habe ich die ganze Zeit versucht, darauf zu kommen, woran mich die Stimmung erinnert, bis mir dann der Wuppertaler Sascha Gutzeit einfiel, der eine ganz ähnlich strukturierte Platte mit „Unten am Depot“ vorlegte, das war im Jahre 2005. Und dann stelle ich fest, dass Gutzeit das seinerzeit aus meiner Sicht besser hat darstellen können, diese gewisse laszive Gelassenheit im Ausdruck, und ich jene Veröffentlichung vorziehen würde.
Abwechslung ist dann angesagt, wenn sich die Violine von Rubén Contra in die Songs einschmiegt, das passt sehr gut. Doch – warum Tim so singen muss, wie er singt? Oder kann er nicht anders? Denn allenfalls erzeugt er damit diese gewisse Prise Humor, die möglicherweise beabsichtigt ist. Besser klappt es immer dann, wenn sich die Stimmung, wie beim Eröffnungssong, reduziert und solche Songs wie „Der 13.Juni“ auftauchen. Hier passen Gesang und Arrangement inklusive der jeweiligen Texte wunderbar zusammen. Das klingt jedenfalls als sehr ernstzunehmend und erfrischend, wie im Grunde genommen alle Texte zum Nachdenken anregen und auch aussagekräftig niedergeschrieben wurden, quasi wie aus dem Leben gegriffen.
Trackliste
2 Zu Haus
3 Stadt der Steine
4 Bring mich von hier fort
5 Tief, tief drin in meinem Herz
6 Der 13. Juni
7 Die Party ist so ziemlich vorüber
8 Eins und Eins
9 So wenig Liebe, so viel Schnaps
10 Schatten von Schatten
Besetzung
Sebastian Lörsch (Bass, Klavier, Begleitgesang)
Dominik Schilling (Schlagzeug, Percussion)
Rubén Contra (Violine)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |