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Les Plaisirs du Louvre. Airs pour la Chambre de Louis XIII.
Info
Musikrichtung:
Barock Kammermusik
VÖ: 27.03.2020 (Harmonia Mundi / PIAS / CD / DDD / 2019 / Best. Nr. HMM 905320) Gesamtspielzeit: 81:21 Internet: JPC |
SCHATZKAMMER
Auf dem Cover der jüngsten CD von Sébastian Daucé und dem Ensemble Correspondances sind allerlei Preziosen zu einem Stilleben arrangiert: Muscheln, Korallen, Blumen, Schmuckstücke - Schätze aus einer fürstlichen Schatz- oder Wunderkammer. Das passt bestens zum Programm der Aufnahme, die im wahrsten Sinne randvoll ist mit exquisiten musikalischen Miniaturen: Airs de Cour vom Beginn des 17. Jahrhunderts, eine Gattung, die unter Ludwig XIII. zum Aushängeschild einer verfeinerten höfischen Kultur wurde, dabei aber als Schnittstelle zur Volksmusik durchlässig blieb für unterschiedlichste Inspirationen.
Airs de Cour bildeten seit dem 16. Jahrhundert ein Herzstück der französischen Musik, deren Ästhetik die großen Hofballette und auch die spätere Oper prägte. Wobei die Übersetzung "Höfisches Lied" etwas irreführend ist, wenn man dabei an einstimmige Lieder denkt, die gegebenenfalls von einem Instrument begleitet werden. Vielmehr handelt es sich um eine komplexe, vielgestaltige Kunstform, die - vor allem seit der Einführung des Generalbasses - zwar immer öfter als Sologesang mit Instrumentalbegleitung dargeboten werden konnte, ihren Ursprung aber in der Mehrstimmigkeit der Renaissance hatte. Beides existierte im 17. Jahrhundert auch weiterhin nebeneinander.
Entsprechend schufen Komponisten wie der auf dieser Einspielung hauptsächlich vertretene Antoine Boesset (1587-1643) oder auch seine Kollegen Pierre Guédron (ca. 1565-1620) oder Étienne Moulinié (1599-1676) ein Repertoire, das beide Traditionen elegant verband. Ein Air de Cour konnte in ganz verschiedenen Besetzungen aufgeführt werden, ein- oder mehrstimmig oder als Kombination von Solo- und Ensemblegesang, auch das Instrumentarium war flexibel, umfasste Streich-, Blas- und Zupfinstrumente in unterschiedlichen Kombinationen.
Diese Werke entstanden etwas zur gleichen Zeit wie Monteverdis Madrigale, sind aber weniger chromatisch angeschärft, sie wirken weniger avantgardistisch. Die von späteren Musikästheten vielbeschworene natürliche Klarheit und Einfachheit der französischen Musik wird vom Air de Cour aufs Schönste repräsentiert. Das schließt Vielfalt, Delikatesse und Raffinement ebenso wenig aus wie Ausdruckskraft - insbesondere Boesset stand mit seiner Kunst nicht umsonst in höchsten höfischen Diensten und Ehren und hatte als Surintendant der königlichen Musik die großen Hoffeste und -bälle entsprechend auszustatten.
Aus dem umfangreichen Korpus der Airs de Cour bietet das Ensemble Correspondances einen großen Querschnitt. Der intimen und abwechslungsreichen Kunst Boessets, Guédrons oder Mouliniés werden die Musiker mit einer vielgestaltigen kammermusikalischen Besetzung gerecht, die von zarten Duo-Besetzungen bis hin zu vielstimmigen Konzerten und Szenen aus Hofballetten mit verschiedenen Akteuren reicht, dabei aber immer konzentriert, geschliffen und nobel bleibt und ein klassisches Maß wahrt.
Dem Ensemble Correspondances gelingt es durch eine sorgfältige Abstimmung insbesondere der Vokalparts, den Eindruck allzu polierter Eleganz zu vermeiden - diese würde über die Dauer der gesamten Aufnahme dann vielleicht doch etwas zu schön wirken. Vielmehr mischen sich die individuellen Timbres der Sänger*innen immer wieder neu; nicht nur verleihen die jeweiligen Stimmcharaktere den Soloparts Profil - stellvertretend seien vor allem der markante Contralto von Lucile Richardot oder der einprägsame Bariton von Marc Mauillon genannt - sie sorgen auch für ein immer neues farbiges Zusammenspiel bei den mehrstimmigen Stücken. Der Wechsel zwischen ein- und mehstimmige dargebotenen Teilen und die Auflockerung mit für Instrumentalensemble arrangierten Cembalostücken u. a von Louis Couperin tragen ebenfalls dazu bei, Routine zu vermeiden. So in etwa könnte eine Soirée im Apartement von Ludwig XIII. geklungen haben (der im übrigen mit einer eigenen Komposition vertreten ist). Das Klangbild ist angemessen kammermusikalisch.
Mit dieser Einspielung bekommt man zu den suggestiven, samtig-dunkel grundierten Interpretationen von Poème Harmonique (Alpha) und den fein geschliffenen Versionen von Les Arts Florissants (ebenfalls harmonia mundi) eine weitere hörenswerte Alternative geboten.
Georg Henkel
Besetzung
Sébastian Daucé, Cembalo, Orgel & Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |