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Symphonien Nr. 39, 40 & 41
Info
Musikrichtung:
Wiener Klassik
VÖ: 28.02.2020 (harmonia mundi / harmonia mundi / 2 CD / 2019 / Best. Nr. HMM 902626.30) Gesamtspielzeit: 106:19 Internet: Ensemble Resonanz |
WILDE FAHRT
Wer gerne im Wohlklang der späten Mozart-Symphonien schwelgen möchte, der ist bei Riccardo Minasi und seinem historisch-informiert auf modernen Instrumenten spielenden Ensemble Resonanz definitiv falsch. Wer aber bereit ist, Altvertrautes noch einmal ganz neu gedacht und gemacht zu hören, für den eröffnen sich mit dieser Einspielung tatsächlich ungeahnte Perspektiven und ein Staunen machender musikalischer Reichtum.
Das liegt nicht einmal daran, dass Minasi – keineswegs als Erster – der Idee folgt, dass diese letzten drei Symphonien als Zyklus oder zumindest als Gesamtkunstwerk zu lesen und zu verstehen sind.
Das Besondere liegt vielmehr im Zugriff: Der ist deutlich angeschärft, bisweilen geräuschhaft rau und ungebärdig, stets sprungbereit und bei höchster Präzision von einer geradezu beängstigenden und physischen Energie, die den Zuhörer packt. Ein wirbelnder Sturm voller Lebendigkeit und Dramatik – dadurch und durch das rhetorische Spiel eigentlich mehr instrumentale Opern als klassische Symphonien. Und das dürfte ziemlich genau zu Mozarts musikalischer Ideenwelt passen.
Da werden die Einsätze wie Lichtblitze gesetzt, mit trockenem, bisweilen schneidendem Streicherklang. Da wird die klangfarbliche Szenerie geschickt so aufgehellt, dass jede Bläserstimme hörbar bleibt und zu einer eigenständigen Rolle findet. Da wird an agogischen Mitteln nicht gespart, um Strukturen und Sinneinheiten offenzulegen oder scheinbar bekannte Phrasen zu hinterfragen. Man mag das ein oder andere Ritenuto als höchst subjektiv kritisieren oder zum Beispiel die dynamischen Spreizungen im Andante der g-moll-Symphonie als extrem empfinden bzw. ins Feld führen, dass die Vortragsbezeichnung „piano“ kein „pianissimo possibile“ und ein „sforzato“ nicht gleich ein „fortissimo“ sein muss. Zugleich aber lässt sich nicht bestreiten, dass Minasi und seine Musiker auf diese Weise zu überzeugenden Ergebnissen finden, denen weder der Humor abgeht, noch Tiefsinn und Abgründigkeit. Es entsteht dadurch ganz ohne Worte ein spektakuläres musikalisches Welttheater, ein eigener Kosmos, in dem nichts ohne Bedeutung und ohne umfassenden menschlichen Bezug ist.
Die Zuweisung zu unserer Kategorie „Wiener Klassik“ ist damit der Not und Üblichkeit geschuldet, denn wer diese auch tontechnisch überaus gelungene, in der Akustik trocken-nüchterne Aufnahme gehört hat, erkennt in der Musik nicht nur all das versammelte, gebündelte und zum Höhepunkt geführte Material aus Barock und Klassik. Nein, er erfährt Mozart als Visionär, der hier schon vieles grundgelegt hat, was sich später bei Beethoven oder Schubert wiederfindet, zudem aber auch einiges, was selbst uns heutigen Hörern furchteinflößend modern erscheinen muss.
Sven Kerkhoff
Trackliste
1-4 Symphonie Nr. 39 31:07
5-8 Symphonie Nr. 40 35:32
CD II
Symphonie Nr. 40 39:40
Besetzung
Riccardo Minasi: Ltg.
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |