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Johannes-Passion
Info
Musikrichtung:
Barock
VÖ: 7.2.2020 (PHI / Outhere / Note 1 / 2 CD / 2016 / Best. Nr. LPH031) Gesamtspielzeit: 107:08 Internet: Collegium Vocale |
RUNDE SACHE
Wenn es gut werden soll, macht man es am besten selbst – das gilt auch für Geburtstagsgeschenke. Und so ehrt sich das renommierte und vielfach preisgekrönte Collegium Vocale, das Philippe Herreweghe 1970 gegründet hat und bis heute leitet, gleich selbst: Nämlich mit seiner nach 1987 und 2001 inzwischen schon dritten Einspielung von Bachs Johannes-Passion, diesmal beim Eigenlabel des Ensembles erscheint. Die zugehörige ausgedehnte Tournee mit dieser und der Matthäus-Passion fällt zwar dem Corona-Chaos zum Opfer, aber umso wertvoller ist das diskographische Dokument. Es passt zu Herreweghe, dass er nicht stets in Neuland voranschreitet, sondern sich mit dem profunden Erfahrungs- und Aufführungswissen der vergangenen Jahrzehnten lieber im Sinne einer vertieften, fokussierten Neubetrachtung dem Ausgangsrepertoire widmet.
Und dieser Erfahrungsschatz kommt der Neueinspielung sehr zugute. Das Ensemble bleibt zwar seiner Linie einer transparenten, jederzeit wortverständlichen und pathosfreien Interpretation treu. Aber schon im Eingangschor zeigt sich ein Zugriff, der durchaus auch dramatischere Züge hat als in den früheren Einspielungen; das ist nicht mehr nur nüchtern-klar, sondern vielmehr konzentriert und fokussiert, so dass die Passion für den Hörer erlebbar wird, ohne ihn – was ungleich einfacher wäre – in die Untiefen der Gefühle hineinzuzerren. Dies gepaart mit der vollkommenen Durchhörbarkeit aller Stimmen meint man, eine noch unbekannte Fassung eben beispielsweise des packenden Beginns „Herr, unser Herrscher“ zu hören. Und doch ist es schlicht die gängige Mischfassung nach der Neuen Bachausgabe. Ihre Vielfarbigkeit und das Hervortreten selten wahrgenommener Akzente ist das alleinige Verdienst von Herreweghe und seinem Ensemble.
Der 16köpfig besetzte Chor besticht hier wie insgesamt durch eine geradezu traumwandlerische Sicherheit und Souveränität. Der Klang bleibt bis in die Turba-Chöre von edler Schönheit und Prägnanz, ohne dadurch an Intensität einzubüßen. Ähnliches ließe sich vom Orchester sagen, wobei man Herreweghes Entscheidung, im Basso Continuo auf das Cembalo zu verzichten, durchaus kritisch hinterfragen kann.
Unter den Solisten sind vor allem Dorothee Mields und Damien Guillon hervorzuheben, die nicht zuletzt in ihren Arien „Zerfließe, mein Herze“ und „Es ist vollbracht“ berückend schön intonieren. Aber auch die übrigen Solo-Partien sind auf Spitzenniveau besetzt, wobei Maximilian Schmitt als Evangelist vielleicht nicht an die ganz großen Vorbilder dieses Fachs heranreicht.
Eine dem Jubiläum würdige und auch tontechnisch äußerst gelungene Einspielung, die hoffen lässt, dass das Collegium Vocale uns in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiter auf diesem Level musikalischen Genuss bescheren wird. Demnächst gewiss auch gerne wieder live.
Sven Kerkhoff
Trackliste
Edition: Neue Bachausgabe
Besetzung
Damien Guillon: Countertenor
Robin Tritschler: Tenor
Peter Kooij: Bass
Maximilian Schmitt: Tenor (Evangelist)
Kresimir Strazanac: Bass (Jesus)
Collegium Vocale Gent
Philippe Herreweghe: Ltg.
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |